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Gentlemen, we cannot play here

Nigerian Community Germany FC

Das Stück von Anant Agarwala zeigt, wie uneben Fußball zwischen Behörden und fröhlichen Ballanfängern sein kann. # Nigerian Community Germany FC

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„Sie können hier nicht trainieren. Das ist unser Platz. Das war schon immer so.“ Die Ansage ist unmissverständlich, jetzt hat Kenneth Gbandi ein Problem. Seine dunklen Augen wandern hinter den randlosen Brillengläsern nachdenklich hin und her. Da ist sein Gegenüber Frank Kaven, Liga-Obmann von Croatia Hamburg, den unheilvollen Bescheid vom Bezirksamt Nord in der Hand. Da ist Bernd Ecker, Trainer des neu gegründeten Vereins Nigerian Community Germany FC (kurz: NCG FC), der in seinem grauen Sakko, der langen schwarzen Hose und den feinen Lederschuhen etwas fehl am Platz wirkt. Und da ist die knapp 20 Mann zählende Gruppe Afrikaner, die im warmen Licht der Abendsonne ein Kreisspiel macht.

Gbandi hat diesen NCG FC ins Leben gerufen und fungiert nun als Sportdirektor. Er organisiert das Training, telefoniert mit dem Bezirksamt, rührt die Werbetrommel. Jetzt fährt er sich über das raspelkurze Haar und fahndet nach einer schnellen Lösung. „Vielleicht können wir uns den Trainingsplatz teilen oder ein spontanes Testspiel machen?“ schlägt Gbandi vor. Nein, erwidert Kaven, sein Trainer hätte bereits andere Pläne. Aber er bietet die Laufbahn am Stadion Dulsberg Süd an. Der Rasen allerdings ist tabu. Gbandi wirft die Stirn in Falten und schaut Ecker an. Der nickt und ruft seine Mannschaft zusammen: „Gentlemen, we cannot play here.“

Durch ein kleines Loch im Zaun zwängen sich Trikots von Nigeria, Argentinien, Inter Mailand und auch den fachfremden Orlando Magic. Keiner murrt, Gelassenheit regiert. Gemächlichen Schrittes lässt der erste afrikanische Verein Hamburgs den Kunstrasen der Gesamtschule Alter Teichweg hinter sich und erreicht drei Minuten später die rote Tartanbahn um die verlockend sattgrüne Wiese an der Königshütter Straße. Im Vollsprint heizen Spieler von Urania über Start- und Ziel, einige liegen, der Erschöpfung nah, hechelnd am Boden.

Eine kurze Konferenz wird einberufen, die Trainer einigen sich. Die NCG-Kicker starten auf Bahn sechs. Ecker zieht sich um, nimmt seine Brille ab, tauscht hastig feine Hose gegen rote Shorts und Leder- gegen Laufschuhe, dann bläst er kurz in seine Pfeife. Alle Mann antreten, bitte. „Gentlemen, two laps, 3 Minutes 30 Seconds“, fordert der 47-Jährige, und ergänzt: „I give you the, äh, Zwischenzeit.“ Ein zweiter, energischer Pfiff ertönt und die Armee von Panzerschränken – viele Spieler haben ihr Trikot inzwischen abgelegt und präsentieren ihre muskelbepackten Oberkörper – setzt sich im Gänsemarsch in Bewegung. „Ich bin mir sicher, wir zählen in kurzer Zeit zu den besten Mannschaften der Kreisklasse“, sagt Gbandi. Angesichts der Physis seiner Spieler mag man ihm nicht widersprechen.

Vor zwei Wochen erfolgte die Anmeldung beim HFV, der NCG FC geht in der Kreisklasse 2 an den Start. Am Samstag schon steht die erste Runde im Oddset-Pokal an. Gegner: Curslack-Neuengamme, Oberliga. Ohne ein einziges Testspiel absolviert zu haben und ohne einen festen Trainingsplatz gleichen die Siegchancen der Neulinge Lothar Matthäus’ Aussichten auf einen Trainerposten in der Bundesliga: sie sind praktisch nicht vorhanden. Gbandis Mundwinkel verziehen sich zu einem verschmitzten Grinsen: „Trotzdem, Nigeria ist ein Name im Weltfußball, wir sind das Brasilien Afrikas. Curslack wird auch vor uns Respekt haben.“ Positive thinking, ein Motto, das gut zu dem 1,75 Meter großen, studierten Stadtplaner passt, der 1994 aus dem Nigerdelta nach Hamburg kam. Hinter der kommunikativen Art und dem herzlichen Lachen des 42-jährigen Multitaskers stecken, das ist zu spüren, ehrlicher Optimismus und Lebensfreude. „Ihr könnt wiederkommen, wenn wir den ersten Pokal in den Händen halten“, sagt er ernst und streicht sich süffisant über den kurz geschorenen Henriquatre. Und bricht dann doch in sein helles, kehliges Lachen aus. „Aber sportliche Erfolge sind nicht mein Antrieb“, erzählt er.

Als Organisator afrikanischer Kulturveranstaltungen verfolgt er hehre Ziele: „Wir möchten ein anderes, positives Bild von Afrika zeichnen. Mit Fußball können wir einen Beitrag zur Integration leisten.“ Deswegen stellt er klar: „Im Moment sind wir ein Team aus Westafrika, mit Spielern aus Nigeria, Ghana, Kamerun und Togo. Aber alle Nationen sind herzlich willkommen.“

Die deutsche Fahne hält Coach Ecker hoch. Den Trainer-Novizen motiviert seine „große Affinität zu Afrika“, die sich bei einem Aufenthalt in Ghana vor zehn Jahren entwickelt hat.

Heute ist Ecker nicht zufrieden, „Kondition haben die meisten nur mit Ball am Fuß“, grummelt er. Ganz Motivator, animiert, lobt, rügt Ecker seine Spieler für ihre Leistungen und joggt auch mal kurz mit. Nach dreißig Metern pumpt er kräftig, mahnt gewissenhaft – „Hurry up, gentlemen, you’re not in time“ – und lehnt sich an die Balustrade.

Abwehrhüne Patrick hat seine Runde gar abgebrochen. Seine zwei kleinen Kinder sind ihm auf der Bahn entgegengelaufen und rufen „Papa, Du bist ja Letzter!“ Mit dem Jüngsten auf dem Arm trabt er unschuldig Richtung Trainer. Der spart sich einen Kommentar und bespricht die nächste Übung.

Laufen, das steht den meisten mit großen Lettern ins Gesicht geschrieben, macht keinen Spaß. „Ich brauche einen Ball“, raunt Ecker daher nach drei weiteren Gbandi zu. Zurück auf den Kunstrasen, lautet die Entscheidung. Der Platz ist halb verwaist – Croatia nutzt nur eine Hälfte für das Abschlussspiel. Genügend Platz für Torschusstraining. Einige Spieler zeigen ihre herausragende Technik, zirkeln den Ball mit viel Schnitt in den Winkel. Applaus brandet auf.

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„Wir haben ein paar sehr gute Spieler“, sagt Gbandi nicht ohne Stolz, und zeigt auf einzelne. Die meisten Namen kenne er nicht, gibt er zu, aber zumindest ein paar Spitznamen. Zum Beispiel „Appiah“, wie ein schmächtiger Techniker mit großer Zahnlücke und spindeldürren Beinen genannt wird. Enge Ballführung, gute Übersicht, hervorragender Abschluss. Ohne Zweifel ein Spieler, der sich auch zwei, drei Ligen höher durchsetzen würde.

Aber wie die gesamte Mannschaft genießt er die familiäre Stimmung beim NCG FC: „Spielerfrauen“ feuern ihre Männer an, Kinder toben, lachen und heulen am Rand, der Umgang auf dem Feld ist herzlich. „Wir sind kein Erziehungsverein, das sind alles vernünftige Jungs“, bekräftigt Gbandi. Auf eine tolle Atmosphäre setzt Gbandi auch bei den Heimspielen in der Vogesenstraße, wo die Westafrika-Connection zwar spielen, aber nicht trainieren darf.

„Jedes Spiel wird ein Fest, das kann ich garantieren.“ Auch in der Kreisklasse sei vorstellbar, dass mehrere Hundert Zuschauer kämen. Ob die Gute-Laune-Truppe eine echte Attraktion der Hamburger Amateurszene wird, hängt aber vor allem von der sportlichen Entwicklung ab. „Afrikaner“, erklärt Gbandi, „sind sehr gelassene Leute. Aber beim Fußball verstehen wir keinen Spaß. Da muss die Leistung stimmen.“ Das meint er ernst, ein kurzes Lächeln aber kann er sich nicht verkneifen.

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Benny Semmler

Papa, Blogger, Mitgründer FRISCHER FILM, Seniorenspieler USC Paloma, Mitglied UnterstützerClub des FC St. Pauli, Towers-Fan und Gotnexxt.de-Follower.