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Im Dialog mit Herrn Schulte und Herrn Lotz

Das erste Geschäft zwischen Helmut Schulte und Ronald Lotz war ein orangefarbener VW Polo. Mitte der 80er ging der Deal über die Bühne. Es gab nur Gewinner, bestätigen beide Seiten heute. Auch gut 25 Jahre später treffen sich die beschäftigten Fußballmanager konstant zum Kaffee und philosophieren über Fußball. Dieses Mal waren wir dabei. Ohne Kaffee.

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Ein Gespräch mit Helmut Schulte und Ronald Lotz.
Aufgezeichnet von Benny Semmler
Fotos von Mario Jurkschat

Herr Schulte, mit dem Freundschaftsspiel gegen Altona 93 machen Sie viele Menschen richtig glücklich. Ein schönes Gefühl?

Helmut Schulte: Na klar. Wenn wir dem Amateurfußball so helfen können, tun wir das als Profiverein natürlich gerne. Aber in diesem Fall sollte nicht uns der Dank gelten, sondern Ronald. Der hat das Spiel ausgehandelt.

Ronald Lotz: Ganz so einseitig ist es natürlich nicht gelaufen. Zu solchen Dingen, wie jetzt das Spiel mit Altona 93 oder das Victoria hier am Millerntor gegen Wolfsburg spielen darf, gehören immer zwei Seiten.

Wie oft haben Sie Ihrem Freund Helmut Schulte auf die Schulter geklopft und gesagt „Klasse Helmut, so macht das Spaß“?

Ronald Lotz: Wir klopfen uns ganz sicher nicht auf die Schulter. Es war ganz einfach eine glückliche Konstellation für beide Seiten. Keiner wird verlieren – beiden Seiten werden bei diesen Projekten profitieren. Das betrachten wir relativ emotionslos.

Herr Schulte, Sie arbeiten seit Jahren in der Profisportspitze. Was würden  Sie ambitionierten Amateurteams wie Altona 93 oder Victoria raten, damit der Aufstieg in die Regionalliga nicht ewig eine Vision bleibt?

Schulte: Erstmal: Ich sehe eine sehr positive Entwicklung. Sowohl bei Altona 93 als auch beim SC Victoria, beziehungsweise vor allem beim SC Victoria. Das Stadion hat sich entwickelt, die Trainingsbedingungen sind gewachsen, sportlich liefert das Team konstant gute Leistungen ab.

Dennoch ist die nächste Stufe, die Regionalliga, für die Klubs eine No-Go-Zone.

Schulte: Man muss eben erkennen, und man hat das ja auch getan, dass die vierte Liga nicht das richtige Spielfeld für Klubs wie Altona 93 und Victoria ist. Und es ist eine verdammt große Qualität einzusehen, dass die eigenen Möglichkeiten nicht für ein Abenteuer in der Regionalliga ausreichen. Viele andere wären sicher längst auf Biegen und Brechen aufgestiegen. Da ziehe ich meinen Hut vor Ronald. Er sagt ‚Wir bleiben vernünftig‘. Das ist klasse.

Ihr Rat lautet: Lieber weiter kleinere Brötchen backen?

Schulte: Ich kann nur sagen, dass es mehr Sinn macht, das Geld auszugeben was man hat. Denn Risiken einzugehen ist gleichzeitig immer mit der Gefahr verknüpft, dass man den Laden an die Wand fährt.

Herr Lotz, Sie schmunzeln. Sie hören den Ratschlag offenbar nicht zum ersten Mal.

Lotz: Das ist richtig. Wir tauschen uns ja oft aus. Von einem kompetenten Gesprächspartner wie Helmut lasse ich mich gerne beraten. Ich selber bin ja noch in einem Prozess und lerne immer wieder gern neue Dinge in diesem Geschäft dazu. Quasi stecke ich ja noch mittendrin in der Ausbildung zum Fußballmanager. Und dass man gewisse Dinge defensiver angeht, ist Teil des Business.

Helmut Schulte fungiert also als Lehrer für Herrn Lotz?

Lotz: Ich sage mal es so: Die Art der Arbeit und die gesunde Entwicklung im Verein FC St. Pauli ist sicherlich beispielgebend. Und Helmut hat einen Anteil am immensen Erfolg des Klubs. Folglich ist er für mich auch ein Vorbild.

Schulte: Nun muss man aber auch sagen, dass wenn wir uns treffen, wir uns auf Augenhöhe unterhalten. Ich spiele dann nicht den Oberlehrer. Ich speichere mir auch Ideen von Ronald ab und schaue, ob seine Ansätze auch für uns interessant sein könnten.

Herr Lotz, haben Sie eigentlich noch den Glauben, dass Altona 93 oder der SC Victoria mittelfristig in einer höheren Klasse bestehen könnte?

Lotz: Die Regionalliga ist aktuell nichts für uns. Das ist der Stand. Und solange dort ein Drittel Reserveteams spielen, die vier zahlende Zuschauer nach Hamburg mitbringen, können wir uns diese Liga auch nicht leisten. Dazu kommen noch einige andere Faktoren. Aber Fakt ist: In der Regionalliga würden wir unser Geld verbrennen.

Das ist die Diskussion die gerade wieder an Fahrt aufgenommen hat. Amateure gegen Bundesliga-Reserveteams. Etliche Verbandsfunktionäre erwarten, dass mittelfristig die zweiten Mannschaften der Profivereine unter sich spielen.

Lotz: Ich sehe das ähnlich. Für mich gehören die zweiten Mannschaften aussortiert. Die haben in der vierten Liga nichts zu suchen. Wobei ich sogar die Abschaffung der Regionalliga begrüßen würde. Mein Vorschlag: Die Oberligameister spielen die Aufsteiger in die Dritte Liga aus. Das wäre auf lange Sicht sowohl sportlich als auch finanziell hochinteressant für die Spitzenteams im Amateurfußball. Auch für die Vereine aus Hamburg.

Herr Schulte, Ihre Zweite dominiert die Oberliga Hamburg. Auch darüber sind nicht alle glücklich. Haben Sie eine Meinung zum Thema Reserveteams.

Schulte: Wenn zehn von 18 Mannschaften Reserveteams sind, ist das fraglos problematisch. Aber in der Oberliga Hamburg ist die Zweite Mannschaft des FC St. Pauli mit ziemlicher Sicherheit kein Problem. Im Gegenteil: Ich denke, wir tun der Liga gut.

Kann es sein, dass sich die Amateurvereine bisweilen selber im Weg stehen? Nehmen Sie die veralteten Vereinsstrukturen oder weit verbreitete überambitionierte Zielsetzungen.

Schulte: Das mag hier und da der Fall sein. Aber dem Amateurfußball wurde in den vergangenen Jahren auch unheimlich viel Geld entzogen. Viele Firmen tragen ihre Werbebudgets mittlerweile lieber zu einem Profiklub. Darunter leiden die kleinen Vereine immens. Zudem leidet der Amateurfußball daran, dass das ganze Wochenende Fußball im Fernsehen zu sehen ist. Bundesliga, Zweite Liga, Premier League, dazu eine handvoll Fußballtalks  – im Grunde kann man doch ab Freitag 18.30 Uhr zwei Tage lang Fußball auf der Couch sehen. Das ist ein Problem.

Ein Rechenbeispiel: Pro Heimspiel kommen 80 Zuschauer weniger wegen Fußball im TV, mal fünf Euro Eintritt, mal fünf Euro Verzehr, mal 17 Heimspiele gleich knapp 14000 Euro für einen Oberligisten – pro Jahr.

Dazu kommt, dass die Profiklubs den Amateurvereinen die Sponsoren absaugen.

Schulte: Das ist die Gesamtentwicklung. Ein Unternehmer der vor zehn Jahren sein Geld in die Bandenwerbung bei mehreren kleinen Vereinen investiert hat, nimmt heute sein gesamtes Budget zusammen und schafft es zu einem Bundesligisten. Dagegen kann ich nichts unternehmen. Wenngleich ich weiß, dass der Amateurfußball darunter leidet.

Herr Lotz, Sie sehen das anders, richtig?

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Lotz: Wir fischen ja nicht im selben Teich. Wir spielen in der fünften Liga, der FC St. Pauli ist ein Bundesligist. Wir reden da von Fußballwelten. Vielmehr stört mich, dass wir selbst nach vier Meisterschaften und den jüngsten Erfolgen im DFB-Pokal keine neuen Zuschauer gewinnen. Das zeigt uns, dass der sportliche Erfolg kein Kriterium ist. Und diese Erkenntnis ist bitter.

… das war er, der kleine Blick auf eine Unterhaltung zwischen zwei Fußballfreunden. Helmut Schulte und Ronald Lotz.

Benny Semmler

Papa, Blogger, Mitgründer FRISCHER FILM, Seniorenspieler USC Paloma, Mitglied UnterstützerClub des FC St. Pauli, Towers-Fan und Gotnexxt.de-Follower.