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reiher | fallrückzieher auf wolke sieben

thomas reiher

An einem schaurigen Herbstabend liegt der SC Sperber 2-0 in Front. Der Gegner MSV Hamburg scheint sich mit der Pleite abzufinden. 87 Zuschauer frieren sich dem Abpfiff zu. Dann gibt’s DIE (!) Szene des Spiels, des Monats, des Jahres – in der Karriere von Thomas Reiher.

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Die 79. Minute. Ecke für die Sperber. Stürmer Steffen Harms köpft die anfangs abgewehrte Pille zurück an die Strafraumgrenze. Dort lauert Verteidiger Thomas Reiher. Bis hierhin mochte man einen erneuten Kopfball des Luftkampf-Giganten erwarten – doch Reiher überrascht alle. Die Zuschauer, seinen Trainer, seine Kollegen, den Gegner und den eigenen Körper. Reiher setzt zum Fallrückzieher deluxe an.



Vom Stadionsprecher als „Rumpelfuß“ betitelt, liegt der Abwehrspieler nun quer in der Luft und setzt zum Super-Tor an. Wichtig: Im Umkreis von einem Meter ist niemand.

Reiher wird uns später erzählen: „Ich habe überlegt, ob ich den überhaupt einnetzen soll. Beim Tippspiel hatte ich 2-0 für uns getippt.“ Dann ist’s ihm letztendlich doch egal. Der Hühne steigt hoch…

… aus sechszehn Metern, in Carsten Jancker-Manier, drischt er das Leder doch tatsächlich rechts neben den Pfosten. Ein unfassbares Tor.

Die Zuschauer brüllen „Tooooooooommmmmyyy“, lachen sich schlapp, feiern den Traumtorschützen. Dieser, sichtlich irritiert, beschreibt die Szene im Nachhinein so: „Ich musste lachen und habe mich gefragt, ob ich das nun gerade wirklich gemacht habe.“

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Dann trillert die Pfeife.

Schiedsrichter Dennis Krohn winkt ab und lässt Reiher von Wolke Sieben zurück auf den schmierigen Rasen fallen. Hohes Bein heißt Krohns Ausrede.

Reiher: „Ich bin 1,92 Meter groß. Sprich, wenn ich zum Faller ansetze, ist mein Bein bei 2,20 Meter. Der Verteiger des Gegners war einen Kopf größer als ein Rucksack. Wo mein Bein war, konnte kein Mensch sein.“

Krohn sah es anders und sah dort sehr wohl einen Menschen.

Nun ja, Thomas Reiher wird um sein schönstes Tor der Karriere betrogen und ist fortan von Zorn durchflutet. „Ich weiß gar nicht, ob es in der Flora und Fauna so große Tomaten gibt, wie der Schiri sie auf den Augen hatte.“

Und weiter: „Inklusive Trainingseinheiten, Strand, Soccerhalle und daddeln im Wohnzimmer habe ich noch nie so ein grandioses Tor geschossen. Das kann nur jemand abpfeifen, der sowas selber nie hinbekommen hat.“

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Der Frust geht aber noch weiter: „Ich war gedanklich schon beim Torjubel. Ich wollte mit Lennart Ekelund zur Mittellinie rennen. Pantomimisch einen Kasten Bier auf den Mittelpunkt stellen und so tun, als ob wir fix ein Bier schlucken.“ Daraus wurde nichts.

Angefressen spielte der Verteidiger die Partie zuende.“ Ich war so stinkesauer. Musste erstmal einen Stürmer tunneln, um einigermaßen den Spaß wiederzufinden. Das half sogar kurz.“

Nach dem Spiel ging Reiher nochmals auf Spielverderber Krohn zu und fragte, ob man nicht einfach 4-0 in den Berichtsbogen schreiben könne. Krohns Antwort: Hohes Bein. Basta!

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Auch Mitspieler Dennis Masurat bot seine Hilfe an, wollte sein Tor Reiher schenken. Aber auch hier zeigte sich die Pfeife steinhart. Hohes Bein. Basta!

Selbst 78 Stunden später ist die Wut nicht gewichen. „Wenn ein blinder Verteidiger wie ich so ein Tor schießt, dann gebe ich das als Schiedsrichter. Egal, in welcher Liga, auf welchem Kontinent. Sowas schafft man nie wieder.“

Gleichzeitig kündigt er an: „ Aber ich werde nicht müde und werde jetzt aus allen Positionen zum Fallrückzieher ansetzen. Ich will mein Tor zurück!“

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Das Spiel endete 3-0. Somit war auch Reihers Tipp kaputt. Ein dreckiger Freitag.

Immerhin: Sperber-Kollege Steffen Harms bestätigt: „Ja, es wäre das Tor des Jahrtausends gewesen.“

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Harry Jurkschat

Seit Gründung mit auf dem brennenden BTB-Rasen. Im Gegensatz zu Semmler ist Jurkschat smart. Eine Mischung aus Mehmet Scholl und Günter Netzer. Der ewig 31-Jährige Insiderexperte harmoniert sich von Meppen bis Kiel, ist der Ausbügler und Staubsauger in der 2. Reihe. Dazu kommt aufgrund internationaler Fussball-Erfahrung (6 Länderspiele für Deutschland) Know-How im Wesentlichen. Manko: Bisweilen zu symphatisch und häufig mit den Sekretärinnen beschäftigt.