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arne gillich | der provinzstar

arne gillich

Würde man den gemeinen Buchholzer Fußballanhänger vor die Wahl stellen, viel Geld oder Arne Gillich – jede Wette, viele würden den 25-Jährigen einem monetären Schub vorziehen. Immerhin ist Linksfuß Gillich zum begehrtesten Objekt der stärksten Stadtliga aufgestiegen. Nur: Er hat ein Problem mit seiner Popularität. Es geht ihm nämlich „tierisch auf die Eier“.

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Vielleicht ist er für ein stinknormales Zusammensitzen in der Schanze overdressed. Doch angesichts seiner bisweilen pompösen Ligaauftritte kommt Arne Gillich eher standesgemäß zum vereinbarten Treffen.

Der Überspieler der Hamburger Oberliga trägt einen Anzug und ist angriffslustig. Keine zwei Minuten vergehen, ehe es das erste Mal passiert. Gillich gönnt sich einen Vorstoß und erklärt fast ungefragt: „Das Gerede, ich sollte den Verein wechseln nervt.“

Wir gehören doch zu den Besten

Wenn er dagegen über Buchholz spricht, schwappt die Freude förmlich aus seinem Mund. Heimat, Kumpels, Erfolg, eben jene Begriffe sind es, die Gillich an seiner jetzigen Situation schätzt. Und er sagt: „Ich brauche innerhalb der Oberliga nicht zu wechseln. Wir gehören doch zu den Besten.“

Recht hat er. Und sein Anteil ist gehörig. In seiner ersten Saison gelangen ihm formidable 19 Treffer. Das Jahr darauf schaffte er 15 Tore. Und auch in dieser Spielzeit gehört Gillich mit aktuell 13 Treffern zu den besten der Liga. „Darüber müssen wir nicht reden. Seine Anlagen sind außergewöhnlich“, lobt Trainer Thomas Titze den Ausnahmespieler und dürfte sich beim Blick in die privat angelegte Excel-Datenbank die Hände reiben.

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Immerhin hatte sich im Sommer 2008 kaum ein Verein ernsthaft um den Mann bemüht, der wie kein Zweiter den ruhenden Ball zu seinem Vorteil nutzt. Titze entdeckte ihn als 22-Jährigen im Trikot des Grün-Weiß Harburg. „Er hat einige Mal gegen uns gespielt, und ist aufgefallen. Fortan hatten wir ihn im Blickfeld.“

36 Vorlagen in zwei Jahren

Anderen Vereinen blieb nur das Staunen. Denn Gillich ist seit seinem Wechsel in die Nordheide beinahe ständig der spielentscheidende Akteur. „Seine Schusstechnik ist brillant“ findet auch Victorias Trainer Bert Ehm, und könnte sich einen wie ihn in Eimsbüttel gut vorstellen. Ehm ist angetan. „Der darf 20 Metern vor dem Tor keinen Meter Raum haben. Sonst passiert Schlimmes.“

Denn: Er kann auch vorbereiten – vielleicht kann er das sogar noch besser, als selber Tore zu erzielen. Immerhin: Die interne Statistik besagt, dass in den vergangenen zweieinhalb Jahren 36 Tore über seinen starken, linken Fuß eingeleitet wurden. Trainer Titze hat akkurat mitgezählt.

Es ist kurz nach zwölf Uhr. Eine knappe Stunde dauert Gillichs Mittagspause. Die große Freiheit, wie er sie auf dem Fußballfeld bekommt, bietet der Job als Speditionskaufmann nicht.

Während auf Altonas Flanierstraßen Galao geschlabbert wird, wählt Gillich Kaffee. Ohne Schaum, kein Karamell, ganz normal, ohne Firlefanz. Das hastige iPhone-Rumgemache, wie man es von fast allen Mittzwanzigern inzwischen kennt, bleibt während des Gesprächs ebenfalls aus. Es piept nicht ein einziges Mal. Schön.

Er mag Trimborn

Gemeinhin überhäuft man Typen wie ihn schell mit Attributen wie bodenständig, sympathisch und zuverlässig. Für schärfere Großstadtzungen wäre ein Gillich vermutlich dörflich. Halt ein Provinzstar.

Kürzlich hat er eine 60 Quadratmetergroße Wohnung in Harburg bezogen. Zwei Zimmer, Einbauküche, großer Balkon. Seit einem Jahr ist er Single. Nun zieht es ihn wieder häufiger in Läden, wo Bier getrunken wird. Die vielen Fußballern bekannte Blaue Nacht wird turnusmäßig anvisiert. Nicht selten enden die wilden Männerabende in den einschlägigen Lokalen rund um den Hans-Albers-Platz.

Allerdings: Er war noch nie in der Schanze, gibt er offen zu, während er vor der alten Flora für ein Foto posiert. Gillich ist kein Szenetyp. Er verzichtet auf den angesagten Schlauchschal, hält wenig von Karrierequatsch und würde Limonade sicher nie mit einem Strohhalm trinken. Das Peggy Sue ist ihm lieber, Moondoo muss nicht sein, und Stehplatz bockt mehr als Business-Seat. Obendrauf: Der eher unspektakuläre Fußballarbeiter Sven Trimborn hat Gillichs Sympathien. „Sein Spiel mag ich.“

Auf dem Platz neigt Gillich gar und bisweilen zum Asozialen. „Halt die Fresse“ gegenüber gestandenen Trainern kommt vor – vielleicht ist es seine einzige Schwäche. Und „ja“, gibt er kleinlaut zu, „das ist richtiger Scheiß. Das muss ich in den Griff bekommen“

MP3-AUDIO: arne gillich: ziele, schwächen und die anderen vereine

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Das Kennenlernen neigt sich dem Ende entgegen. Der spontane Spaziergang in der Schanze ist auf den letzten Metern. Für den Schlusspunkt entscheidet sich der begehrte Fußballer gegen das Flirten mit anderen Vereinen. Stattdessen investiert er in weitere Argumente für seinen Jetzt-Klub und ärgert sich erneut. „In den letzen Wochen haben mich 50 Leute gefragt, warum ich noch in Buchholz spiele. Ehrlich, das geht mir tierisch auf die Eier.“

11 Vereine wollten ihn

Mit den viel zitierten Begehrlichkeiten, immerhin elf Vereine klopften im Sommer an, kann er einfach nichts anfangen. „Ich habe nun mal Bock auf Buchholz. Und vielleicht schaffen wir nächstes Jahr ja sogar den Sprung in die Regionalliga. Dann quatscht mich auch keiner mehr an, warum ich nicht weg will.“ Und schließlich heißt es ja auch: Wer nie irgendwo ankommt, ist auch nicht frei. Er ist angekommen. In Buchholz. Als Star in der Provinz.

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Benny Semmler

Papa, Blogger, Mitgründer FRISCHER FILM, Seniorenspieler USC Paloma, Mitglied UnterstützerClub des FC St. Pauli, Towers-Fan und Gotnexxt.de-Follower.