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Wenn die Blase platzt.

Lizensierungsbestimmungen, wirtschaftliche Transparenz, straff organisierter Leistungsfußball. In diesen Wochen arbeiten gleich eine Handvoll Oberligavereine am großen Wurf – dem Aufstieg in die Regionalliga. Kurios: Die Vorfreude ist trotz extrem gelockerter Statuten bei null. Die Angst vor dem Abstieg nach dem Aufstieg überdeckt vieles. Denn die Leuchttürme von einst fungieren als warnende Beispiele von heute.

Imagefilme für Rostock und Mecklenburg-Vorpommern

Von Matthäus Kosik.

Über die „Dotcom-Blase“ aus dem Jahr 2000 wurden Bücher geschrieben. Die Spekulationsblase, die das Finanzsystem wahrscheinlich noch Jahre in Atem halten wird, bietet Stoff für epochale Kinodramen. Doch um sich künstlich aufgeblähte und bedenkliche Strukturen anzusehen, braucht es nicht immer den Blick auf die bedeutungsvollen Bühnen.

Gleich nebenan, hier in Hamburg also, finden wir nämlich zu Hauf Beispiele von sportlich ambitionierten Projekten, die am Ende (und vor Jahren) zu Grunde getrieben wurden.

Denn auch Namen wie Einsath, Bartels, Hölder, Wunder und Wasielke standen lange Zeit für Visionen und für (teure) Aufstiege. Heute stehen sie stellvertretend für geschichtenreiche Abstürze.

  • Uwe Einsath träumte als Luruper vom Aufstieg in die 2. Bundesliga und scheiterte nach der Saison 1983/84 in der Relegation.
  • Peter Bartels setzte sich Ende der 1970er und Anfang der 1980er ähnlich hohe Ziele mit seinem Hummelsbütteler SV.
  • Rainer Wasielke musste nach der Verbandsligameisterschaft im Jahr 2002/2003 mit dem HTB den Zusammenbruch des Vereins verkraften.
  • Bei der TuS aus Dassendorf mündete der Ausstieg von Mäzen Günter Wunder 2001 zu einer sportlichen Talfahrt.

Vor allem die Fußballer in Hummbelsbüttel haben sich vom Zusammenbruch von einst nie erholen können. Seit der Saison 1987/88 oszilliert der Verein zwischen Kreisklasse und Kreisliga, das höchste der Gefühle war der Aufstieg in die Bezirksliga 1995/96, sofortiger Wiederabstieg inklusive.

Fast immer brechen Fußballhochburgen dann auseinander, wenn der Abschied eines geldpotenten Gönners zur Wirklichkeit wird.

Doch warum lassen sich Vereine immer wieder auf diesen Drahtseilakt ein? Aus wissenschaftlicher Sicht hat der Soziologe Dr. Nils Zurawski (das komplette INTERVIEW) von der Universität Hamburg zunächst eine recht simple Erklärung parat. Vereine strebten nach Geld – logisch! – und gerade in einer Stadt wie Hamburg sei es unheimlich schwierig Geld über Werbeeinnahmen zu generieren.

Da sei so ein Mäzen „einfach lecker“, so Zurawski.

Zurawski, der in seiner Funktion als Abteilungsleiter der Rugby-Abteilung des FC St. Pauli das Vereinsgebaren nur allzu gut kennt, sagt auch. „Ein Mäzen ist das Versprechen das System zu wechseln.“

Aus seiner Sicht operieren der Amateurfußball und der professionelle Sport in zwei völlig unterschiedlichen Systemen, die in ihrer eigenen Logik funktionierten. „Das Spiel ist das gleiche, der Sport als System ein ganz anderer. Das wollen viele nicht wahrhaben. Der Wunsch vieler Vereine mithilfe eines vermeintlichen Wohltäter den sportlichen Durchmarsch zu schaffen, lässt sich wissenschaftlich also als den Wunsch bezeichnen, von einem System ins andere zu wechseln. Um diesen Wechsel vollbringen zu können, braucht es Strukturen. Diese Strukturen kosten Geld.“

Und offenbar liegt da die Gefahr. Gelingt Vereinen es nicht, sich zu einer sich selbst versorgenden Maschine zu entwickeln, ist der finanzielle Kollaps nur eine Frage der Zeit. „Die Blase, die über Jahre aufgepustet wird, fällt nicht nur in sich zusammen, sondern sie platzt in kürzester Zeit.“

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Nicht nur sportlich und wirtschaftlich ist das Themenfeld Mäzenatentum daher ein extrem spannendes und nicht zuletzt in Hamburg ein heiß diskutiertes.

Auch die Wissenschaft sieht sich in diesem Bereich, so Zurawski, einem interessanten Forschungsfeld gegenüber. Bleibt abzuwarten, ob in den nächsten Jahren ähnlich viel über die „Mäzenen-Blase“ zu lesen sein wird. Protagonisten gäbe es zu genügend.

Macht, Mäzene und Motive: Das komplette Interview mit Dr. Nils Zurawski.
Von Einsath bis Wasielke: Die Macher der Vergangenheit.

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Benny Semmler

Papa, Blogger, Mitgründer FRISCHER FILM, Seniorenspieler USC Paloma, Mitglied UnterstützerClub des FC St. Pauli, Towers-Fan und Gotnexxt.de-Follower.