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Tischfußball: Jet it like Ranff

Mitte Februar versammelte sich die deutsche Tischfußballgemeinde in Hamburg zu einem Challenger-Turnier. Austragungsort war die zentrale Anlaufstelle für jeden Kickerfanatiker in Hamburg – das Kixx. BLOG-TRIFFT-BALL war dabei.

Von Matthäus Kosik

Nationalspieler, Weltmeister, Europameister – alle sind sie im Hamburger „Kixx“. Das Ambiente in den engen Räumlichkeiten wirkt für Außenstehende zunächst befremdlich. Es riecht nach Sport, Bier und Pizza. Die eng gedrungenen Massen stehen gebannt um die Turniertische herum, der Rest unterhält sich gelöst.

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Die Turnierleitung lässt zwischendurch verlauten: „Pizzen sind da für Sabine, Sascha und Wielandt.“ Es wirkt wie ein großes Familientreffen – bis die Spiele beginnen.

Sobald es an die Tische geht, wird  das Spielgerät mit höchster Konzentration und minutiös präpariert. Hie ein Spray, da ein Tape. Mehmet Arslan, Mannschaftskapitän der türkischen Nationalmannschaft, zieht über die Halterung einer seiner Stange ein kondomartiges Gebilde, es soll für mehr Grip sorgen. Seine Teamkollegin Katrin Klaus – die Spiele werden im 2vs2 ausgetragen – bindet ihre Stangen mit einem speziellen Tape ab, ähnlich dem, das im Tennis verwendet wird.

Der Gegner des gemischten Doppels ist mit zwei Akteuren aus Arslans Bundesligateam gespickt. Cim Bom Bom Hamburg heißt die Mannschaft, die 2011 Pokalsieger geworden sind – der ETV der Hamburger Tischfußballszene also.

Das Turnier besteht aus Vorrunde und Hauptrunde, wobei in der Hauptrunde die Mannschaften im KO-System gegeneinander antreten. Das Spiel von Mehmet Arslan und Katrin Klaus könnte also das letzte für beide an diesem Abend sein. Eine Zuschauerin des Spiels ist Sandra Ranff. „Gegnerstudie“, sagt Ranff, die als beste Tischfußballerin der Welt gilt.

Gewinnen Arslan und Klaus ihr Spiel, treten sie gegen Ranff und ihre Partnerin Sabine Brose an. Ranff und Brose haben mehrfach den Weltmeistertitel errungen, knapp zwei Wochen vor dem Turnier sind beide im Doppel Europameisterinnen geworden, Ranff schaffte selbiges Kunststück im Einzel. „Es gibt drei, vier Frauen, die in der Weltspitze sind, aber im Normalfall kann ich diese Spiele für mich entscheiden“, sagt Ranff.

Die 36-Jährige ist seit knapp 18 Jahren dem Tischfußball verfallen. Lange Zeit trainierte sie vier bis fünfmal die Woche, im letzten Jahre schraubte sie ihr Pensum runter. Mittlerweile trainiert sie nur noch ein bis zwei Tage, aber „Geht ja auch ohne“, fügt sie süffisant hinzu.

Ranff, die 2010 viele ihrer Pokale und Medaillen wegen Platzmangel wegwarf, müsste finanziell von diesem Erfolg leben können, sollte man meinen. Doch Kickern ist kein Spiel, um Geld zu verdienen. „Am Ende des Jahres gehe ich mit plusminus Null aus der ganzen Sache raus.“ Es sei die Leidenschaft und vor allem das Freunde Treffen, das nicht nur sie dem Sport treu bleiben lasse.

Arslan und Klaus’ Spiel steckt mittlerweile in der entscheidenden Phase. Beiden Mannschaften fehlt ein Tor zum Sieg. Während das Cim Bom Bom-Team zwei Matchbälle vergibt, sichert sich Arslan mit einem klug gewählten Timeout den Sieg. Pro Spiel darf ein Team jeweils ein Timeout nehmen, wobei sich diese Regelung je nach Turnier unterscheidet.

Arslan lässt das Spiel stoppen, als er den Ball auf der „3“, also in vorderster Front, halten kann. Der Druck steigt so für alle Beteiligten, doch Arslan behält die Nerven. Der Ärger auf Seiten der Cim Bom Bom-Jungs ist groß, Arslan und Klaus freuen sich ausgiebig über den Sieg. High-Fives, Umarmungen und die aus dem Fußball bekannten Klapse auf den Hintern sind Gäste an jedem Tisch. Wer sagt Kickern sei körperlos, der täuscht sich.

Sandra Ranff, die sich indes zur Spielvorbereitung verabschiedet hat, räumte noch schnell mit dem Vorurteil auf, Alkohol sei in der ganzen Szenerie verbreitet. Sie deutet auf ihre RedBull-Dose und erklärt, dass ab einer gewissen Klasse nicht mehr getrunken wird. Es gehöre zwar dazu, dass nach Turnieren oder Spielen mal getrunken wird, schließlich komme das Spiel aus der Kneipe. Doch während des Turnierverlaufs ist es in den Sphären, in denen sich Ranff und Brose bewegen, schlicht nicht mehr möglich.

Tischfußball bewegt sich mit großen Schritten auf eine allgemeinhin akzeptierte Sportart zu, die, so Ranff aber noch etwas Zeit braucht, um verstanden zu werden. „Es gibt in diesem Spiel so viele Regeln. Es ist nicht so einfach das alles zu verstehen.“

Im Spiel Ranff/Brose gegen Arslan/Klaus werden die Hoheitsverhältnisse schnell klar. Obwohl Ranffs Lieblingstisch der Ullrich sei, zeigt sie auf dem Leonhart dennoch ihre ganze Klasse. Gegen den von Ranff perfektionierten „Jet“ bleibt Torhüterin Klaus in den wenigsten Fällen eine Abwehrmöglichkeit. Beim „Jet“ bringt der Spieler die Spielfigur zur Umdrehung, wobei die Stange mit dem Handgelenk gedreht wird. Die Kunst bei dieser Schusstechnik ist das Abstoppen der Spielfigur, die nicht mehr als eine 360° Umdrehung machen darf. Am Ende siegen Ranff und Brose souverän, das Turnier schließen sie jedoch lediglich als Viertplatzierte ab.

Was nach dem Besuch im Kixx bleibt, ist die Gewissheit, dass sich der Tischfußball trotz aller professionellen Strömungen noch einen gewissen Stallgeruch erhalten hat, der ungeheuren Charme versprüht.

Obwohl der paneuropäische Nischensender Eurosport 2 seit einigen Monaten die Großereignisse, wie beispielsweise die im Januar ausgetragene Weltmeisterschaft, überträgt, bleibt dennoch die Frage, wie weit die Professionalisierung gehen kann.

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Sandra Ranff erklärt, dass es für eine weitere Professionalisierung die Medien brauche. Denn die finanzielle Basis, die ein Sport braucht, um sich zu einer anerkennten und etablierten professionellen Sportart zu entwickeln, ist nur mit Erlösen aus Fernsehübertragungen zu erreichen.

Es bleibt also zu beobachten, ob sich Kickern in Zukunft zu mehr als nur einer trendigen Sportart entwickeln kann.

Interview // Sandra Ranff auf tischfußball-online.com

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Benny Semmler

Papa, Blogger, Mitgründer FRISCHER FILM, Seniorenspieler USC Paloma, Mitglied UnterstützerClub des FC St. Pauli, Towers-Fan und Gotnexxt.de-Follower.