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Zlatan Bajramovic über Privilegien und Schattenseiten

Medial, persönlich und sportlich stehen Fußballprofis permanent unter Hochdruck. Den jahrelang auszuhalten ist keine leichte Aufgabe. St. Paulis U23-Co-Trainer Zlatan Bajramovic, gerade mal 32 Jahre alt, erzählt nach Spielzeiten gegen den Abstieg, um den Aufstieg und in der Champions League, wie er das Business erlebt hat.

Schlägt Ihr Herz Braun-Weiß oder Königsblau?
Gute Frage. Ich würde sagen, die eine Hälfte schlägt Königsblau, die andere Braun-Weiß. Wobei die braun-weiße Seite immer größer wird, auch weil ich jetzt momentan in Hamburg bin. Ich würde also sagen Braun-Weiß gewinnt ganz leicht.

Insbesondere bei Königsblau hatten Sie mit Verletzungspech zu kämpfen. In einem Interview sagten Sie, dass Sie erst durch diese Verletzung den Beruf des Profifußballers zu schätzen gelernt haben. Glauben Sie, viele Profis wissen gar nicht wie viel Glück Sie haben?
Das wissen viele nicht. Ich habe es vielleicht auch nicht immer gewusst, aber mir war schon bewusst, was für ein Glück ich habe, dass ich mein Hobby auch beruflich ausüben kann. Jungen Spielern, die morgens um neun Uhr keine Lust haben 50 Minuten zu laufen, stell‘ ich öfter mal die Frage, ob sie jetzt lieber acht Stunden auf dem Bau arbeiten wollen. Dann überlegen die meisten kurz und die Frage hat sich erledigt. Klar hat man dazu nicht immer Lust, aber der Beruf des Fußballspielers ist ein Privileg.

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Ein Privileg, das auch Schattenseiten hat?
Mit Sicherheit. Das mit den Verletzungen zum Beispiel. Man rechnet nicht damit, dass es einen selber erwischt und schon gar nicht, dass man so lange ausfällt. Ich hatte das Pech, dass ich wegen meines großen Zehs eineinhalb Jahre, und mit der Achillessehne jetzt drei Jahre ausgefallen bin. Da fehlt einem schon etwas. Man kennt ja eigentlich keinen anderen Tagesablauf, als nur das zu machen, wozu man Lust hat, also das Fußballspielen. Dann bricht schon eine kleine Welt zusammen, wenn man dann irgendwann nur noch von Arzt zu Arzt geht.

Wie steht es um die Schattenseite Mediendruck?
In den verschiedenen Vereinen, für die ich gespielt hab, waren der Druck und die Erwartungshaltung immer unterschiedlich hoch. In Freiburg war der Druck zum Beispiel nicht so hoch wie in Schalke. Jeder Spieler geht aber auch anders damit um. Ich mochte Druck. Ich mochte das Gefühl, dass ich gewinnen muss. Da haben andere sicherlich ein etwas größeres Problem.

Haben Sie den medialen Druck auch während Ihrer Verletzungspausen gespürt?
Der mediale Druck hört nach drei bis vier Monaten auf. Bei mir war es so, dass ich nach den beiden Verletzungen nach spätestens vier Monaten gedacht habe ich muss unbedingt wieder gesund werden. So ist der Druck immer größer geworden. Ich hab‘ ihn mir aber eigentlich selber auferlegt, was sicherlich nicht unbedingt von Vorteil war. Anders geht es aber auch nicht, weil man sonst in Vergessenheit gerät. Wenn du ein halbes Jahr ausfällst, ist es so, als wenn du nicht existiert hättest. Da gibt es eben nur Schwarz und Weiß, keine Grauzonen.

Haben Ihre Vereine Sie in diesen Situationen psychologisch unterstützt?
Nein, aber das brauchte ich auch nicht. Ich kann mich auch nur an wenige Spieler erinnern, die ähnlich lange ausgefallen sind. Von daher kennen die Vereine diese Situation gar nicht. Tritt so ein Fall ein, werden die Vereine auch nicht allzu sehr belastet, da zum Beispiel das Gehalt nach sechs Wochen von der Krankenversicherung übernommen wird. Und dann haben die Vereine ja auch noch andere Spieler, die einspringen können. Ich habe das Gefühl gehabt, dass man auf sich allein gestellt ist.

Jeder Spieler ist also austauschbar?
Ja. Jeder Spieler kann ersetzt werden.

Sie haben verschiedene Drucksituationen erlebt. Champions League mit Schalke oder auch Abstiegskampf mit St. Pauli und Freiburg. In welcher Situation war der Druck die Spiele zu gewinnen am höchsten?
Egal, ob es das entscheidende Spiel in der Champions League war oder ein einfaches Trainingsspiel. Ich wollte jedes Spiel gewinnen. Es hängt natürlich von der eigenen Mentalität ab, aber ich glaube auch, dass der Druck in diesen Extremsituationen wie Abstieg, Meisterschaft oder Champions League von den Medien noch erhöht wird. Ob man jetzt gegen den Abstieg oder um Platz acht spielt, die Leistung ist die gleiche. Nur für die Medien ist das etwas Besonderes. Da wird der Fußball meiner Meinung etwas zu ernst genommen.

Sie haben unter elf verschiedenen Trainern gespielt. Gab es einen Trainer, bei dem Sie das Gefühl hatten besonders befreit aufspielen zu können?
Ja, das Gefühl gab es schon. Es gibt halt Trainer, die lassen einem eine gewisse Freiheit, andere schränken einen so ein bisschen ein. Ich glaube, das spiegelt sich auch in der Leistung wieder. Bei mir war es besonders in Freiburg so. Volker Finke schätzte meine Arbeit wohl und so konnte ich auf dem Platz alles machen, was ich wollte, solange es zum Wohle der Mannschaft war. Dass die Mannschaft immer im Vordergrund ist, ist im Endeffekt eh das alles Entscheidende.

Bleiben wir beim Trainergeschäft. Kumpeltrainer wie Klopp, Tuchel oder Sorg sind extrem nah an den Mannschaften dran. Vor- oder Nachteil?
Ich sehe es als Vorteil. Ich habe damals unter Slomka auf Schalke gearbeitet, als er vom Co-Trainer hochgezogen wurde. Und er blieb so, wie er war. Die Medien machten aus ihm den lieben, netten Herrn Slomka, aber das war nicht so. Er war einfach eine gute Mischung aus hart und herzlich. Er war zu den Spielern genau wie vorher, aber wir wussten, was wir machen durften und was nicht. Die Leine wurde immer so lang gelassen, dass Slomka sie noch stramm ziehen konnte.

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Sie sind Besitzer der Trainer B-Lizenz und gewillt die A-Lizenz zu machen. Was ist Zlatan Bajramovic denn für ein Trainer?
Ich würde immer versuchen, eine gute Mischung zu finden. Für mich wäre entscheidend, alle 22 Spieler und den Verein mit ins Boot zu holen. Ich wäre der Typ, der auf Geschlossenheit setzt. Es ist schwierig, wenn 11 oder 13 Spieler glücklich sind und die anderen negative Einflüsse in die Mannschaft bringen. Dann scheitert es meist daran und nicht an der Klasse der Mannschaft.

Spielerberater wollten Sie nie werden?
Jetzt muss ich mich etwas zurückhalten (lacht). Es gibt ja schon in den Jugendmannschaften der Bundesligaclub etliche Spieler mit einem Berater. Da fasse ich mir an den Kopf. Schon durch den Begriff Berater werden die Jugendlich unter Druck gesetzt. Die denken, die können Profi werden. Leider ist es aber so, dass es oben an der Spitze immer enger wird. Es gibt so viele talentierte Spieler und allein durch den Berater denkt ein Spieler er wird Profi. Dann lässt er es überall ein bisschen schleifen. In seiner Art, in der Schule, zu Hause vielleicht auch. Ich habe nicht so meine Freude an den Beratern.

Sie haben aber auch einen Berater.
Ja, aber der hat mich damals entdeckt als ich bei den St. Pauli Amateuren gespielt habe. Andere haben damals auch angefragt, aber er hat mich entdeckt als ich ein Niemand war und für die anderen wäre es einfach gewesen, als ich in Schalke oder Freiburg gespielt habe, mit auf‘s Feld zu kommen. So, dass ich sagen muss, es ist eigentlich ein „Schweinegeschäft“. Ich versuche daher Abstand zu Beratern zu bewahren. Das werde ich als Trainer auch so machen.

Kann ein junger Spieler ohne Spielerberater überhaupt noch Profi werden?
Wenn deine Leistung nicht passt, kannst du auch acht Spielerberater haben. Das bringt dir dann auch nichts. Es wird einfach zu früh schon alles in Richtung Fußball gelegt. Man muss den Spielern einfach erklären, dass es nur ganz wenige nach oben schaffen.

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Neben den Medien, Beratern und Trainern gehören natürlich auch die Fans zum Geschäft Fußball. Wie unterschied sich das Verhältnis zu den Fans in den Vereinen für die Sie gespielt haben?
In Freiburg war es immer eine familiäre Atmosphäre. Das Stadion war zwar immer voll, aber ich hatte nie das Gefühl, dass man da besonderen Druck hat. Bei Schalke hatte ich zum Beispiel das Gefühl, dass – wenn es negative Stimmung gab – die von den Leuten auf der Haupttribüne kam. Die haben oft gepfiffen, wenn es mal nicht so gelaufen ist. Die Fans in der Kurve konnten mit Niederlagen besser umgehen, wenn sie gesehen habe, dass die Spieler wirklich Vollgas geben und sich in jeden Ball schmeißen.

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Wie war denn das Verhältnis in Frankfurt?
Ich finde die Frankfurter Fans haben mit die beste Stimmung gemacht in unseren Heimspielen, auch die besten Choreographien. Aber da werden sicherlich auch 200-300 Leute sein, die Sachen machen, die nicht dazugehören. Gegen die muss der Verein vorgehen und nicht alle anderen dafür bestrafen.

Werden die „echten“ Fans Sie nochmal auf dem Platz in Aktion erleben?
Ich habe die Hoffnung noch nicht aufgegeben. Wenn die Schmerzen von heute auf morgen weg wären, müsste ich acht Kilo abnehmen und dann würde es wieder losgehen. Mein Elan ist trotz des Alters ungebrochen. Aber ich habe jetzt drei Jahre Probleme mit der Achillessehne, ohne dass ich Besserung erfahren hätte. Daher bin ich auch realistisch. Deshalb versuche ich nebenher im Trainergeschäft ein bisschen voranzukommen. Derzeit bin ich Co-Trainer bei der U23 des FC St. Pauli. Eine sehr reizvolle Aufgabe. In der Zusammenarbeit mit Trainer Jörn Großkopf und den Jungs kann ich weiter dazu lernen und mich weiter entwickeln.

Zlatan Bajramovic, wir danken für die offenen Antworten. Das Gespräch führte übrigens Matthäus Kosik. Foto: Eva Kalla

Benny Semmler

Papa, Blogger, Mitgründer FRISCHER FILM, Seniorenspieler USC Paloma, Mitglied UnterstützerClub des FC St. Pauli, Towers-Fan und Gotnexxt.de-Follower.