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Malte Wilhelm: Bonjour aus Bordeaux

Malte Wilhelm war vergangene Saison eine der Entdeckungen der Oberliga. Folglich kam das unausschlagbare Angebot nach Frankreich zu wechseln. So, oder fast so, sieht sie aus, die Geschichte. Heute meldet sich der 21-Jährige und berichtet aus France.

Von Malte Wilhelm

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4. September 2012. Der Start einer langen Reise ins Land des Baguettes, der Liebe und der Zizous, in die Stadt des Weins und fußballverrückten Schnurrbartträgern. Hinter mir lasse ich Familie, Freunde, die Oberliga Hamburg und den Niendorfer TSV.

Vor mir steht ein Jahr, in dem ich in Bordeaux studiere. Bier durch Weine ersetze, Vollkornstullen durch knuspriges Weißbrot.

Nachdem ich in Hamburg und Niendorf tolle Momente hatte, sah ich für mich den Zeitpunkt für einen Tapetenwechsel angebracht. Studieren und kicken in Frankreich, was will man mehr? Die Anfangszeit war vor allem durch Organisation in allen Bereichen geprägt. Aber nach kurzer Zeit war alles paletti. Wohnung und Stundenplan stimmte, also ab auf den Acker.

Das Trainingsgelände war beeindruckend: Vier topfgepflegte Rasenplätze und ein Stadion mit großer Hautptribüne im Vicky-Stil.

Die Regionalligamanschaft „Jeunesse Villenavaise“ nahm mich nach einem Probetraining unter Vertrag und war von nun an meine neue Fußballfamilie. Scholle hieß nun „Kalou“ und begrüßte mich statt mit festen Handschlag liebevoll mit Küsschen rechts, links. Ganz Niendorf-like.

Hüllmann, der für mich „Trainer“ hieß, wurde durch Philippe Ollier, „Coach“, ehemaligen Zweitliga-Spieler ersetzt. Die Suche nach einem Physio wie „Örtsch“ ist noch im Gange.

Schon nach wenigen Trainingseinheiten fing ich langsam an mich auch sportlich in Bordeaux wohlzufühlen. Vor der Trainingsausrüstung ziehe ich ebenfalls die Baskenmütze, komplette schwarze Nike-Ausstattung, alles eng anliegend, französisch eben.

Die Mannschaft unterscheidet sich wesentlich zum Trupp vom Sachsenweg: Statt drei bis vier Zidanes auf dem Platz gibt es hier elf.

Von Torwart bis Stürmer schafft hier jeder dreiundvierzig Übersteiger hintereinander, hält mindestens 800 mal hoch und könnte ein technischer Zwilling von Markus Schwoy oder Raf Monteiro sein. Ballannahmen stellen keine Probleme dar und Flipper gibt es hier nur in Casinos.

Hüllmanns „Plan“ fehlt mir ein bisschen, zwar mangelt es kein bisschen an Technik, aber meiner Meinung nach an einer klaren taktischen Ausrichtung.

Vielleicht wird diese aber auch vorausgesetzt, denn viele Spieler haben eine grandiose fußballerische Ausbildung genossen und kommen beispielsweise aus dem Internat von Girondins Bordeaux.

Ich dachte eigentlich, dass es in der französischen Regionalliga, in der man gegen Mannschaften wie die Reserve von Toulouse und Montpellier antritt, auch mal eins auf die Baguettes gibt, aber Schlachter wie Griesch, Heysen oder Bernd Hollerbach fehlen hier ein bisschen, naja, es ist ja nun mal das Land der Liebe …

Das Niveau ist ungefähr das von St.Paulis U23, nur dass hier vielleicht sogar noch ein bisschen schneller, aber dafür weniger körperbetont gespielt wird.

Wir haben dreimal in der Woche zwei Stunden Training und neben existenziellen Dingen wie Laufen, Technik und Passspiel, bildet vor allem das Spiel in Turnierform auf kleinem Feld eine wichtige Grundlage des Trainings. Besonders bewundere ich die Mischung zwischen Kampfgeist, Leidenschaft und absoluten Siegeswillen auf der einen und Lust, Spaß und Lachen auf der anderen.

Die Jungs sind genauso wie in Hamburg, alles wilde Buben, die versuchen ihre Leidenschaft erfolgreich miteinander zu teilen. Herkunft egal, soziales Milieu auch. Die Gesprächsthemen sind wohl in deutschen und französischen Kabinen gleich: Fußball, Frauen und abendliche Exzesse.

Auch wenn es vielleicht ein französischer Stereotyp ist, kann ich aus eigener Erfahrung sagen, dass man hier eine deutlich gelassenere Haltung hat.

Dem gut organisierten Deutschen kann das zwar manchmal auf die Nerven gehen (der Bus komm beispielsweise wann er will), aber man kann sich schnell daran gewöhnen. Die Leute sind freundlich und das Essen ist köstlich, wobei ich als Student in meinen küchentlichen Fähigkeiten beschränkt bin.

Ich dachte aber, dass in Bordeaux immer die Sonne scheint, aber Pustebaguette! Hier regnet es ungefähr genauso häufig wie in Hamburg, eine riesen Enttäuschung..

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Ansonsten freue ich mich unglaublich auf die ganzen Erlebnisse, die noch in Bordeaux auf mich warten, denke aber täglich an mein Leben in Hamburg und an die Oberliga.

In der Saison 2013 werde ich dann mit einem großen Repertoire an neuen Erfahrungen auf  den deutschen Fußballplatz zurückkehren.

Au revoir et à bientôt mes amis!

Harry Jurkschat

Seit Gründung mit auf dem brennenden BTB-Rasen. Im Gegensatz zu Semmler ist Jurkschat smart. Eine Mischung aus Mehmet Scholl und Günter Netzer. Der ewig 31-Jährige Insiderexperte harmoniert sich von Meppen bis Kiel, ist der Ausbügler und Staubsauger in der 2. Reihe. Dazu kommt aufgrund internationaler Fussball-Erfahrung (6 Länderspiele für Deutschland) Know-How im Wesentlichen. Manko: Bisweilen zu symphatisch und häufig mit den Sekretärinnen beschäftigt.