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Fascher muss über seinen Schatten springen

Sieben sieglose Spiele. Drei Niederlagen in Serie. Beim FC Hansa Rostock verschärft sich die sportliche Misere. BLOG-TRIFFT-BALL-Reporter Hannes Hilbrecht suchte nach den Gründen und wurde fündig an der Taktiktafel.

 

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Mit Hansas Trainer Marc Fascher würde man gerne mal im kleinen, aber durchaus feinen Rostocker Irish-Pub mit dem ungewöhnlichen Namen „Pub Mambo No1“ ein Bier trinken gehen.

Der 44-Jährige besitzt eine durchaus optimistische Art, ist immer für einen lockeren Spruch zu haben, aber dennoch angenehm ernst. Im Vergleich zum eher leisen und vor allem stoischen Vorgänger Wolfgang Wolf, der sich eher als hervorragender Scout auszeichnete, kommt der Mensch Marc Fascher sehr gut beim leidgeprüften Rostocker Publikum an.

Es ist nicht nur die charismatische Art des gebürtigen Hamburgers, es ist der Optimismus, die Hoffnung auf eine bessere Zukunft, die der Übungsleiter den Fans durch sein Auftreten während des Trainings oder bei Pressekonferenzen vermittelt. Phasenweise erinnert der ehemalige Cheftrainer von Preußen Münster fast schon an Peter Vollmann, dem Aufstiegs- und leider auch Mitabstiegstrainer, der vom Juni 2010 bis zum Herbst 2011 die Geschicke an der Ostseeküste leitete.

Peter Vollmann, der noch heute ein hohes Ansehen bei vielen Fans besitzt und Marc Fascher haben doch auch über die hohen Sympathiewerte hinweg einiges gemeinsam. Beide übernahmen Hansa Rostock in einer schwierigen Phase, beide starteten ihr Abenteuer Ostseeküste in der 3. Liga. Wie auch Vollmann hat Fascher einen für 3.Liga-Verhältnisse beachtlichen Kader zur Verfügung, mit dem Unterschied, dass der aktuelle Chefcoach den kompletten Kader nicht selber gestalten durfte, sondern lediglich in der Winterpause einige Verbesserungen tätigen konnte.

Wie Peter Vollmann startete Marc Fascher Famos in seine Rostocker Amtszeit. Nachdem das Verhältnis zwischen Wolfgang Wolf und der Mannschaft bereits früh zerrüttet schien, zogen die Rostocker Verantwortlichen nach fünf Spielen ohne Sieg die Reißleine und beurlaubten den langjährigen Bundesligatrainer. Marc Fascher übernahm das Ruder der Kogge, was wenig überraschend war, schließlich war Fascher bereits als möglicher Nachfolger von Peter Vollman in der vergangenen Saison gehandelt worden.

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Die ersten Spiele liefen aus hanseatischer Sicht fantastisch. Sechs Siege, ein Unentschieden und nur eine bittere Niederlage im Spitzenspiel gegen Osnabrück nährten die Rostocker Hoffnungen auf eine zügige Rückkehr in die 2. Bundesliga. Die Belohnung für 19 Punkte aus acht Spielen war der 5. Tabellenrang, der Aufstiegstraum lebte. Doch nach dem 2:0 gegen den 1. FC Saarbrücken ging es kontinuierlich bergab. Seit sieben Spielen ohne Sieg, die Spielweise der Mannschaft ruppig, wenig kreativ aber vor allem erfolglos. Nur ein einziges Pünktchen seit dem 3. November 2012, desaströser geht es kaum.

Doch wie ist dieser Absturz zu erklären? Eine Mannschaft, die zuvor so eindrucksvoll agierte, auf einmal ist sie das statistisch schlechteste Team der 3. Liga.

Will man den Absturz richtig analysieren, dann darf man nicht erst am 9. November mit der Spurensuche beginnen. In der zweiten Fragestellung des vorherigen Absatzes bescheinigte ich der Mannschaft ein „eindrucksvolles“ Auftreten, wenn man sich an der kulminierten Punkteausbeute orientiert, durchaus eine richtige Formulierung. Doch ist es zwingend erforderlich hinter die Zahlen zu blicken.

Der Sieg in Heidenheim war hochverdient, die Mannschaft brannte aufgrund der genialen Windel-Idee von Marc Fascher. Die Trennung vom ungeliebten Ex-Coach Wolfgang Wolf schien der Mannschaft Auftrieb zu verleihen. Die Tore beim 2:1 Sieg, zwei Einzelleistungen nach langen Bällen. Zugeben, der ambitionierte Klub aus dem Süd-Westen der Republik schlitterte gerade in eine langwierige Krise hinein. Der 2:0-Heimerfolg im Ost-Derby gegen den Halleschen FC war zwar auch verdient, der Gegner nach furiosem Saisonstart allerdings ebenfalls von der Rolle. Beim 2:0-Sieg bei den Amateuren vom VfB Stuttgart war es ein müder Kick gegen einen gleichwertigen Gegner, ein individueller Fehler der Schwaben brachte Rostock früh auf die Siegesstraße. Gegen den ersten Gegner in Bestform, dem VfL Osnabrück, gab es eine deftige 0:3-Klatsche. Beim 1:0-Sieg in Bielefeld, nach großem Kampf sicherlich nicht unverdient und beim 1:0 Heimsieg gegen die mittlerweile insolvente Alemannia aus Aachen, spielte eine ordentliche Portion Glück den Rostockern in die Karten. Bei der 2. Mannschaft des deutschen Meisters aus Dortmund spielte Faschers Truppe enttäuschend, der letzte Sieg gegen Saarbrücken hingegen war absolut verdient. Natürlich spielte die Hansa-Kogge deutlich besser als zu Saisonbeginn unter Wolf, doch hätte sich niemand beschweren können, wenn am Ende nicht 19, sondern nur 12 bis 14 Punkte zur Buche gestanden hätten. Ein jetziger Blick auf die Tabelle mit 5 Punkten weniger und der Klos im Rostocker Hals wäre wieder ähnlich groß, wie im Mai 2010.

Die Frage, die sich fast schon automatisch stellt, warum ist der FC Hansa Rostock so extrem eingebrochen vor der Winterpause? Das Momentum sprach doch eindeutig für die Hanseaten?

Meine persönliche Einschätzung richtet sich dabei vor allem gegen Marc Fascher. Ich möchte jedoch zu Beginn klarstellen, dass es keine persönlichen Animositäten gegenüber der Person des Rostocker Chef-Trainers meinerseits gibt, sondern ich lediglich die sportliche Situation, für die Marc Fascher natürlich maßgeblich mitverantwortlich ist, beurteile.

Zu aller erst vertrete ich die Meinung, dass der Spielerkader des FC Hansa Rostock absolut den hohen Ansprüchen genügt. Wir alle wissen, dass wahrscheinlich jeder Fußballfan sich für einen potenziellen Fußballtrainer hält, der eh alles besser könnte. Doch aufgrund der enormen Sympathie im Rostocker Publikum, fokussieren sich derzeit viele Fans bei der Kritik auf die Mannschaft und nicht auf den Cheftrainer. Eigentlich lobenswert, denn in den meisten Fällen sind mediale Hetzjagden auf kriselnde Trainer einfach nur als „pervers“ zu beurteilen, schließlich steht ja die Mannschaft auf dem Feld.

Doch in diesem Falle sehe ich es als fatale Falscheinschätzung an und befürchte, dass sich viele Fans, von dem positiven Schein Marc Faschers blenden lassen. Mit Leonard Haas, Ken Leemans, Alexander Noel Mendy, Emil Rilke und Mathias Holst stehen fünf erfahrene Routiniers im Kader, die bereits in höherklassigen Ligen gute Leistungen abliefern konnten. Mit Tom Weiland, Kevin Müller und Michael Blum stehen junge Spieler im Kader, die bereits in der 2. Bundesliga zu den wenigen positiven Ausnahmen gehörten. Mit Phillip Klement und Nico Zimmermann wechselten zudem zwei technisch exzellente Spieler an die Warnow. Johan Plat und Ondrej Smetana komplettieren einen auch im Sturm gut besetzten Kader. Das Problem: Marc Fascher vermag es nicht, das Potenzial richtig einzusetzen. Was uns zum 2. Punkt führt, die taktische Einfältigkeit.

Es ist kein Geheimnis, dass die Mannschaft, je länger sie unter dem jetzigen Cheftrainer spielte, immer schwächer wurde. Das liegt an der falschen Grundausrichtung der Mannschaft. Der FC Hansa Rostock ist mit dem Ziel Aufstieg in die Saison gegangen, demzufolge wollte man auch spielen wie ein Aufsteiger. Das lässt auf eine offensive Ausrichtung schließen. Marc Fascher hingegen sprach von Anfang an von einer eher defensiv geprägten Spielweise.

Natürlich ist es nicht verkehrt, den Fokus bei einem kriselnden Klub auf die Verteidigung zu setzten (was auch durch den guten Start unter Marc Fascher bestätigt wurde), doch ist der Kader für die Spielweise nicht konzipiert. So passt auch Faschers bevorzugte Taktik, schnell den Ball gewinnen und dann den schnellen (und vor allem weiten) Ball in die Spitze suchen, nicht zum auf spielerische Dominanz ausgelegten Kader.

Das Problem hierbei: Zwar sind hohe Bälle mit einem Sturmtank wie Smetana ein probates Mittel, doch gehen viele Bälle dabei direkt verloren. Besonders, als sich die Kontrahenten auf diese Spielweise eingestellt hatten. Die Folge: Da Fascher ein starkes Pressing fordert, ist das Spiel der Rostocker extrem kräftezerrend.

Jeder, der einmal selber Fußball gespielt hat, weiß, dass das Spiel in der Verteidigung, wenn man dem Geschehen hinterherrennen muss, extrem anstrengend ist. Die Konsequenz: Die Mannschaft brach nicht nur gegen Osnabrück und Karlsruhe in der 2. Hälfte ein, sie weist allgemein ein katastrophales Torverhältnis in den 2. Halbzeiten auf: So kassierten die Rostocker unter Marc Fascher bisher in der 2. Hälfte 14 Gegentore und konnten nur 4 Treffer erzielen, in der ersten Halbzeit steht das Verhältnis bei 9 Torerfolgen bei nur 3 Gegentreffern.

Erschöpften Spielern fehlt die Spritzigkeit im Abschluss und die Konzentration in der Rückwärtsbewegung, so werden auf der einen Seite beste Chancen vergeben (Plat in Erfurt), auf der anderen Seite entstehen Fahrlässigkeiten (Trapp gegen Münster). Anstatt auf diesen offensichtlichen Missstand zu reagieren, setzte Fascher stoisch auf seine favorisierte Taktik und steuerte mit „magathschem“ Konditionstraining dagegen, was die Situation weiter verschlimmerte.

Ein weiteres Problem dabei: Spielertypen wie Tom Weilandt und Leo Haas, die technisch sehr versiert sind und viel Ballbesitz zur Entfaltung brauchen, hängen häufig in der Luft, da ein klassisches Mittelfeld im Offensivkonzept des Cheftrainers kaum eine Rolle spielt. Gerade Leo Haas große Stärke, ein Spiel zu dirigieren und notfalls auch zu beruhigen, spielt für Fascher kaum eine Rolle. So ist es wenig verwunderlich, dass sein angepriesenes schnelles Umschalten, besser als unkontrollierte Hektik zu beschreiben ist.

Auch will der mit viel Selbstvertrauen ausgestattete Marc Fascher nichts an seinem Spielsystem ändern, obwohl Veränderungen dringend von Nöten sind. Das 4-5-1 ist abhängig von Außenspielern im Mittelfeld, die einen torgefährlichen Zug in die Mitte besitzen. Die Varianten, die Marc Fascher bevorzugt, Emil Rilke und Michael Blum, sind eher reine Außenspieler, die am liebsten die Seitenlinie entlang ziehen und Flanken schlagen und somit eher für ein 4-4-2 geeignet wären. Dadurch fehlt im Sturmzentrum die nötige Präsenz.

Mit Alexandre Noel Mendy besitzen die Rostocker einen Hochkaräter, der vom Potenzial sicherlich zu den absoluten Top-Spielern in der 3. Liga gehört. Anstatt durchaus vorhandene Alternativen auf die Rechtsverteidigerposition zu bringen, setzt Fascher kontinuierlich auf den französischen Flügelflitzer als Außenverteidiger. Dadurch wird offensives Potenzial verschwendet. Eine interessante Alternative wäre ein Positionswechsel vom Champions-League-erfahrenen Rilke und Mendy gewesen, doch experimentierfreudig zeigt sich der ehemalige Trainer der Kickers Emden nur auf anderen Positionen.

So scheinen die Leitwölfe im defensiven Mittelfeld, Ken Leemans und Leo Haas, jeglichen Kredit beim Chefcoach verspielt zu haben. Statt auf die einzigen Konstanten und Stabilitätsfaktoren der Hinrunde zu setzen, degradierte Fascher beide zu Bankdrückern und setzte bei den vergangenen Niederlagen auf den indisponierten Julien Humbert und auf Kapitän Sebastian Pelzer, gelernter Linksverteidiger und bereits Aushilfsinnenverteidiger, neben dem talentierten Nürnberger Neuzugang Philipp Klement. Manch kritischer Betrachter sieht in der Ausbootung von Leitwölfen wie Haas und Leemans den Versuch des Trainers, weniger widerwillige Autoritäten in die Mannschaft zu integrieren. Dazu könnte passen, dass mit Mathias Holst ein weiterer Routinier auf der Bank schmort, während seine Vertreter nicht unbedingt durch positive Eigenwerbung auffallen.

Beim jüngsten Nackenschlag, als man in Chemnitz nach 1:0 Führung noch verlor, setzte der in Münster immer noch hoch angesehene Fascher auf drei junge Talente und einen gelernten Mittelfeldaußen in der Verteidigung. In der jetzigen Situation absolut frevelhaft. Die Ersatzbank der Rostocker hätte hingegen auch zu einem mittelklassigen Zweitligisten gehören können.

Man tut sicherlich fehl daran, dem jetzigen Verantwortlichen an der Seitenlinie die Alleinschuld zu geben. So müssen auch die Verletzungssorgen und das Chaos im Verein zum Ende der Hinrunde zu einem angemessenen Urteil hinzugezogen werden. Jedoch muss Marc Fascher endlich über seinen Schatten springen. Manchmal klingt es in den Ausführungen des Cheftrainers so, als ob er selber der festen Überzeugung ist, unfehlbar in seinem Handwerk zu sein.

Viele Leidensgenossen, die immer noch der Sympathie zu Fascher erliegen und die Fehler woanders suchen, verweisen darauf, dass der momentane Chef-Trainer besonders Erfolg hatte, wenn er vor Saisonbeginn die Fäden in die Hand bekam. Doch sollte das kein Kriterium sein, an das man sich in dieser misslichen Lage orientiert, denn wenn es so weiter geht, laufen bald die Planungen für die Regionalliga.

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Noch hat Marc Fascher selber die Chance, sich für einen neuen Vertrag zu empfehlen und die Saison zumindest erträglich über die Runden zu bringen, jedoch müssen auf große Worte auch langsam Taten folgen.

Doch nicht nur Marc Fascher sollte sein Handeln überdenken, auch der Sportdirektor, Uwe Vester, sollte sich zwingend zu Gemüte führen, ob der große personelle Umbruch nicht noch bis zum Sommer warten kann. Denn die Luft nach unten wird Woche für Woche dünner und über die Zukunft sollte man erst reden, wenn man in der Gegenwart in Sicherheit ist.

Anmerkung: Wie vermutlich die meisten Leser dieses Artikels/Kommentars bin auch ich ein großer Hansa-Fan. Ich würde mich sehr über eine konstruktive, offene und vor allem faire Diskussion freuen. Denn manchmal muss es halt Kontroversen geben, damit man zu einem gemeinsamen Konsens kommt. Ich bin in keiner Weise Chauvinist und denke, alles was ich von mir gebe ist unantastbar. Beste Grüße, Hannes.

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Hannes Hilbrecht

Hannes Hilbrecht schreibt und schrieb nebenbei für ZEIT ONLINE, NDR.de und den Berliner Tagesspiegel. Füllt ein Marketing-Magazin mit Liebe (GrowSmarter.de) Und er liest eine spannende Case Story genauso gerne wie den neuen Roman von Ralf Rothmann.