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Hansa Rostock: Fünf Gründe für den Absturz

Der FC Hansa Rostock steckt tief in der Krise und nimmt Kurs nach ganz unten. Die aktuellen Statistiken der Rostocker sind katastrophal. Die Arbeit Faschers bleibt mit einem Fragezeichen versehen. Die Einkaufspolitik vergangener Transferperioden sorgt für Sorgenfalten. Und die Fehlerliste der Saisonvorbereitung ist lang. Hansa-Kenner Hannes Hilbrecht analysiert.

 

Aus den letzten 12 Spielen verbuchte der Klub von der Ostsee mickrige 5 Punkte, erzielte dabei nur desaströse 7 Treffer. Wie im Fußball üblich, ist der Schuldige schnell gefunden: Der Trainer, in diesem Fall Marc Fascher. Doch in Rostock sind die Fanlager gespalten, die einen fordern mit rustikalen Worten den sofortigen Rauswurf, das andere Lager verteidigt den gebürtigen Hamburger dagegen mit leidenschaftlicher Inbrunst. Dabei wäre auch es viel zu billig, allein den Coach für die sportliche Talfahrt verantwortlich zu machen. Zwar fabrizierte der » Coach einige Fehler, doch sind die Probleme um einiges vielschichtiger und nicht nur auf den Coach zu projektzieren. Eine Analyse.

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Die Fehler der Saisonvorbereitung:

Wie auch nach dem ersten Abstieg aus der 2. Bundesliga musste der FC Hansa Rostock seinen Kader komplett umstrukturieren. Insgesamt 16 Spieler verließen den Klub von der Ostsee, 10 Akteure wurden neu verpflichtet, vier Talente rückten aus der Jugend in die erste Mannschaft auf. Die Vorzeichen für den Umbau waren aber durchaus positiv, zum einen weil mit Mo Lartey, Tom Weilandt und Edi Jordanov vielversprechende Akteure gehalten werden konnten und zum anderen, da mit Kevin Müller, Mathias Holst, Sebastian Pelzer und Michael Blum weitere Stammkräfte den Hansestädtern erhalten blieben.

Zudem war der damalige Cheftrainer Wolfgang Wolf dafür prädestiniert, gute Akteure aus dem Nichts verpflichten zu können. Tatsächlich gelang es Wolf, eine nominell starke Mannschaft zu formieren, bestehend aus Spielern die zwar überwiegend gänzlich unbekannt waren, jedoch durchaus eine interessante Vita besaßen. Das Problem: Die Mannschaft wurde zu einer multikulturellen Mannschaft, in der einige potenzielle Leistungsträger noch Sprachbarrieren zu überwinden hatten. Daraus resultierte, dass die Mannschaft nur schwerlich zusammenfand, was für eine auf spielerische Dominanz konzipierte Mannschaft nur schwer zu kompensieren ist.

Peter Vollmann gelang zwei Jahre zuvor das Kunststück, eine Mannschaft komplett neu zu gestalten, die quasi von Beginn an funktionierte, welches damit zu erklären ist, dass viele Spieler bereits mit dem Coach, beziehungsweise den neuen Kollegen vertraut waren. Wie der FC Hansa Rostock hatte auch der Mitabsteiger aus Karlsruhe erhebliche Startschwierigkeiten in Liga 3, wie an der Ostsee, funktionierte die nahezu komplett umgebaute Mannschaft allenfalls mittelmäßig und blieb lange hinter den eigenen Ambitionen zurück. Anders als die Rostocker Vereinsführung, vertraute die Führungsetage des KSC auf Trainer Markus Kauczinski, welche sich im Nachhinein als erfolgreichere Strategie herauskristallisieren sollte.

Enttäuschende Neuzugänge:

Wie vielversprechend die Neuzugänge auch klangen, wirklich einschlagen konnten nur wenige. Von den im Sommer verpflichteten Zugängen konnten lediglich Ken Leemans und Alexandre Noel Mendy überwiegend überzeugen, Leonard Haas gehörte zwar auch zum elitären Kreis der Besseren, blieb aber doch sehr hinter den hohen Erwartungen zurück. Johan Plat und Ondrej Smetana führen zwar die teaminterne Torjägerliste an, hatten aber beide ihre längerfristigen Schwächeperioden. Julien Humbert ist zwar ein Musterbeispiel in puncto Trainingsfleiß und Kollegialität, ist aber rein sportlich betrachtet nicht mehr als ein Lückenfüller, dem das spielerische Potenzial für die 3. Liga fehlt. Komplett von der Bildfläche verschwunden sind mit Rick Geenen, Patrick Wolf und Denis Berger drei weitere Wolf-Neuzugänge, die Marc Fascher in der Winterpause ins zweite Glied degradierte. Aber auch die Wintertransfers von Marc Fascher und dem neuen Sportvorstand Uwe Vester, konnten mit Ausnahme von Nico Zimmermann, nicht vollends überzeugen. Die Fehler der Transferpolitik von Wolfgang Wolf wurden somit nicht vollends korrigiert, wobei hier zu beachten ist, das alle Neulinge in eine wenig funktionierende Mannschafft integriert werden mussten.

Marc Fascher: Der richtige Mann zur falschen Zeit

Als nach dem enttäuschenden Unentschieden gegen Wehen-Wiesbaden Cheftrainer und Übergangs-Manager Wolfgang Wolf aus seiner Doppelposition entlassen wurde, war die Zuversicht groß, als Marc Fascher dem hanseatischen Anhang präsentiert wurde. Der Norddeutsche ist ein sympathischer Typ, ausgestattet mit einer forschen Rhetorik. Ein Typ, grundverschieden von seinem eher leisen und stoischen Amtsvorgänger, dem nicht gerade die höchsten Sympathiewerte vom Rostocker Anhang entgegengebracht wurden.

Faschers Einstand verlief vielversprechend, die vorher nicht homogene Mannschat trat plötzlich als solche auf. Durch seinen kühnen Optimismus skizzierte der neue Mann an der Seitenlinie schnell das Selbstportrait eines Motivators, der die verirrte Kogge wieder auf Kurs brachte. In all der Euphorie ging schnell unter, dass die Fußballphilosophie von Marc Fascher zur eigentlichen Identität der Mannschaft kontrastierte. Was zu Beginn überaus erfolgreich war, sollte in der Folge immer mehr zum endgültigen Zerfall der Spielkultur sorgen. Die Mannschaft sollte den Fußball aus seiner erfolgreichen Emdener und Münsteraner Zeit kopieren, wozu sie allerdings nicht in der Lage war. Eine Mannschaft, hochambitioniert als Aufstiegskandidat in die Saison gegangen, zu einem sehr defensiv geprägten Fußball zu zwingen, erwies sich als völlig falscher Ansatz. Die Folgen: Eine Mannschaft, die nicht nur den Spaß an Fußball zu verlieren scheint, sondern auch auf dem Platz zusehends desstruktiv agiert. Doch gerade weil man sich an der Ostseeküste sehr wohl bewusst ist, wie erfolgreich Fascher langfristig agieren kann, hält der schwer in die Bredouille geratene Klub an seinen Cheftrainer fest, wenngleich die Luft bei weiterer Talfahrt zwangsläufig auf beiden Seiten dünner wird.

Das Verletzungspech: Ein treuer Begleiter

Wie in der vergangenen Zweitliga-Saison hadert der Verein von der Warnow auch in dieser Spielzeit mit den Verletzungen. Mit Edison Jordanov und Stephan Gusche fehlen zwei Jungstars aufgrund von Knieverletzungen seit Monaten, wobei der Ausfall des quirligen Mittelfeldakteurs besonders schwer wiegt, schließlich konnte die Lücke, die er auf der rechten Außenbahn hinterließ, bis heute nicht geschlossen werden. Mohammed Lartey, einer der letzten verbliebenen Aufstiegshelden aus der Saison 2010/11, fehlt wie bereits im vergangenen Jahr aufgrund einer nebulösen Schambeinverletzung. Besonders in der Innenverteidigung verschärfte sich die Situation mehrmals kritisch, so das Kapitän Sebastian Pelzer als Allzweckwaffe in Innenverteidigung aushelfen musste. Auch Keilstürmer Ondrej Smetana, der in der Erfolgsphase wie am Fließband traf, steht bereits seit Monaten auf der Verletztenliste, dadurch fehlt den Hanseaten die wichtigste Anspielstation im Angriff, die sich besonders darin auszeichnet, die häufig fabrizierten hohen Bälle zu sichern.

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Die Mannschaft: Mental nicht stark genug?

Eine Frage die man als Hansa-Beobachter ebenfalls stellen muss, aber nicht sicher beantworten kann, ist die Frage nach der Psyche der Mannschaft. Die sportliche Durststrecke raubt den Akteuren das Selbstbewusstsein, der Abstiegskampf war ein Szenario, mit dem weder die Spieler noch die sportlichen Verantwortlichen kokettiert hatten. Möglich, das die Mannschaft gerade nach der Winterpause resignierte, da das arrivierte Ziel Aufstieg endgültig zu einer weit entfernten Illusion verpuffte. Vergleicht man das aktuelle Team mit der Abstiegsmannschaft aus dem Jahr 2009/2010, lassen sich durchaus Parallelen feststellen. Damals scheiterte die für höhere Aufgaben konzipierte Truppe vor allem an sich selbst, dass Thema Abstiegskampf wurde über lange Zeit nicht in Betracht gezogen, zahlreiche Verstärkungen in der Winterpause erwiesen sich als sportliche und vor allem finanzielle Fehlschüsse. In einem wichtigen Punkt unterscheiden sich allerdings die beiden Teams. Während das jetzige Kollektiv noch eine Einheit bildet, demontierte sich die Mannschaft mit zahlreichen Egoisten selber.

Es ist auch ein Verdienst von Marc Fascher, dass seine Akteure noch die nötige Disziplin wahren. Eine Rezeptur für die teilweise von ihm selbst katalysierten Probleme, vermag der Trainer allerdings noch nicht zu finden. So könnte sich der Abstiegsthriller in Darmstadt zu einem Schicksalsspiel entwickeln, sofern diese Begegnung stattfindet. Mehr denn je ist seine wichtigste Stärke gefragt, die Kunst der richtigen Motivation.

Hannes Hilbrecht

Hannes Hilbrecht schreibt und schrieb nebenbei für ZEIT ONLINE, NDR.de und den Berliner Tagesspiegel. Füllt ein Marketing-Magazin mit Liebe (GrowSmarter.de) Und er liest eine spannende Case Story genauso gerne wie den neuen Roman von Ralf Rothmann.