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U19-Junioren: Auf dem Kreuzzug zum Glück

Der große FC Bayern München gegen den FC Hansa Rostock im Kampf um die Deutsche Meisterschaft. Ein wahrlich lieblicher Gedanke, der höchstwahrscheinlich im Profibereich nie seinen Platz in der Realität finden wird. Doch auf einem kleineren Feld, dem der A-Jugend Bundesliga, kommt es im Halbfinale (Do., ab 18.15 Uhr) zu einem Duell zwischen dem FC Bayern und den Hanseaten. Eine Begegnung, die viel mehr ist als nur ein Fußballspiel.

Nie war die Diskrepanz zwischen dem deutschen Rekordmeister und dem ehemaligen Leuchtturm des Ostfußballs größer. Während die Ostseestädter zu glorreichen Bundesligazeiten den deutschen Meister einige Male besiegen konnten und sogar einmal den legendären Otto Rehhagel aus seinem Trainerstuhl schossen, dümpelt der FC Hansa nun in stürmischen Gewässern und absolvierte darüber hinaus die sportlich schlechteste Saison der Vereinsgeschichte. Und die Bayern werden mal eben im dritten Gang Champions-League-Sieger …

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Längst nicht so klar, aber dennoch eindeutig sind die Rollen im Halbfinale der A-Jugend Bundesliga verteilt. Auf der einen Seite, die Münchner Bayern, die sich  souverän durch die Staffel Süd/Süd-West kombinierten und dabei kompensierten, dass potenzielle U-19 Akteure bereits in die Regionalligamannschaft versetzt wurden. Der stämmige Innenverteidiger Patrick Wein, Stürmer Patrick Weihrauch oder die Mittelfeldstrategen Emil Pierre Höjbjerg und Alessandro Schöpf. Viele von ihnen werden am morgigen Abend ins Jugendteam zurückkehren und für den Nachwuchs der  Rothemden wieder auf dem Platz stehen.

Doch auch ohne den Qualitätsschub aus der Regionalliga-Mannschaft, besitzen die A-Junioren der Bayern eine Klasse im Stammkader, die die Möglichkeiten des hanseatischen Außenseiters weit übersteigt. Torhüter Leopold Zingerle verdiente sich mit seinen Leistungen in der Hinrunde einen Platz im Wintertrainingslager der Profis im Katar, trainierte dort an der Seite von Nationaltorhüter Manuel Neuer. Oder die Mittelfeldakteure Julian Green und Nikola Jelisic, die mit ihrem famosen Rotationsspiel ständig für Unruhe in der Abwehrformation des Gegners sorgen können. So gibt sich Shootingstar Julian Green selbstbewusst: „Ein Halbfinale um die deutsche Meisterschaft spielt man nicht immer, erst recht nicht in der Allianz Arena“.

So ist selbst der verletzungsbedingte Ausfall von Top-Stürmer Kevin Friesenbichler, der an einer Leistenverletzung laboriert,  für den Titelanwärter aus München leicht zu verschmerzen. Dementsprechend motiviert gibt sich Chef-Trainer Marc Kienle vor der Begegnung: „Ein absolutes Highlight“ und erklärt mit Blick auf den Gegner: „Klar haben wir den Gegner beobachtet und wissen, was auf uns zukommt“, gleichwohl ergänzt er auf der Homepage des FC Bayern: „Wir haben eine intakte Mannschaft, die Jungs sind sehr hungrig“.

Betrachtet man die einfachen Fakten, so spielen die Hoffnungsträger des FC Hansa Rostock morgen gegen eine deutsch-österreichische U19-Nationalmannschaft mit internationaler Verstärkung, die in fast allen Belangen der eigenen Truppe überlegen ist. Doch so hoffnungslos es auch klingen mag, chancenlos ist die Hansa-Kogge in keinem Fall.

Der Kader mag nominell schlechter besetzt sein, doch ergeben sich gerade aus der vermeintlichen Unterlegenheit der Rostocker die größten Chancen. Die Favoritenrolle, die durch den Ausfall von Hansa-Kapitän Robin Krauße zusätzlich genährt wird, kommt bei den Münchnern einer Bürde gleich. Nicht nur, dass das bajuwarische Selbstverständnis mit Niederlagen im Allgemeinen nur schlecht umgehen kann, spielt in diesem Fall eine Rolle. Vielmehr ist es der Gegner, der den seit neun Jahren titellosen Bayern-Nachwuchs in die Bredouille bringt. Die Reputation des FC Hansa Rostock ist zu gering, um gegen ihn verlieren zu dürfen, ohne dass von einer Blamage die Rede sein wird. Die Jugendabteilung der Hanseaten besitzt in Branchenkreisen einen herausragenden Ruf, die Arbeit wird deutschlandweit geschätzt, gerade in Anbetracht der erdrückenden finanziellen Rahmenbedingungen. Für den typischen Fußballfan, der sich mit der Materie nur grobspurig befasst, ist es aber die Niederlage von Bayern München gegen Hansa Rostock. Die Sensation des Einen, ist ja schließlich die Blamage des Anderen.

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Von so einer psychologischen Belastung sind die Rostocker weit entfernt. Die Teilnahme an der Endrunde, in einem elitären Kreis mit den Münchner Bayern, dem VfL Wolfsburg und Schalke 04 ist etwas, worauf man bereits jetzt Stolz sein darf. Zumal für die Hanseaten auch das häufig zitierte Momentum spricht. Weite Teile der Mannschaft waren noch mit dem U-17 Jahrgang abgestiegen, die Hinrunde in der diesjährigen Saison verlief alles andere als optimal. Doch steigerte sich das Team in der Rückrunde von Spiel zu Spiel und qualifizierte sich somit für die Finalrunde. Ein Erfolg, der jeglichen Respekt verdient. So fahren die Mecklenburger mit stolz geschwellter nach München mit dem Wissen, in jedem Fall eine meisterhafte Saison gespielt zu haben. Das bestätigt auch Talente-Macher Roland Kroos im DFB-Interview: „Es war wirklich eine sensationelle Saison. Derselbe Jahrgang war schließlich vor zwei Jahren aus der B-Junioren-Bundesliga abgestiegen“.

Wenn die Rostocker den Münchnern in einem Punkt überlegen sind, dann vielleicht im mannschaftlichen Kollektiv. Individuelle Klasse verleitet schnell zum egoistischen Handeln oder zu einer gewissen Affinität zur Arroganz und der damit verbundenen Leichtsinnigkeit. Beim letzten Testspiel der Bayern-Junioren in der vergangenen Woche beim Verbandsligisten  SV Göppingen, wurde das in Teilen deutlich. Gegen mutige, sich nicht versteckende Gastgeber taten sich die Jungstars lange schwer, hatten sichtlich damit zu kämpfen, ihr auf spielerische Dominanz ausgelegtes System gegen sich nicht versteckende Gegner anzuwenden. Ein Jokertor in der 83. Minute besorgte schließlich den hart erkämpften Sieg, für eine noch von Abstimmungsproblemen gekennzeichnete Mannschaft.

Freilich, der FC Hansa Rostock hat bis auf Nils Quaschner keine hochrangigen Namen im Team, aber dies hat nur eine geringere Aussagekraft. Mit Max Christiansen, Fabian Künnemann und vielen weiteren Talenten  ist ebenfalls großes Potenzial vorhanden. Die Qualitäten von Cheftrainer Roland Kroos sind sowieso unbestritten. So gibt sich auch Trainer Kroos entschlossen: „Wir sind uns der Außenseiterrolle bewusst und nehmen sie an. Aber wir wollen auch diese seltene Chance nutzen und sind entschlossen, alles zu dafür zu geben“.
Dem Hansa-Nachwuchs dürfte klar sein, diese Begegnung ist mehr als nur ein wichtiges Fußballspiel vor großer Kulisse. Nein, es ist auch eine große Chance. Alleine der Einzug ins Finale, welches bei Rostocker Beteiligung  in der heimischen Arena stattfindet, würde dem ganzen Verein samt seiner Anhänger neue Euphorie verleihen, um in der nächsten Saison wieder oben anzugreifen.

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Grafik: » www.fc-hansa.de
Hannes Hilbrecht

Hannes Hilbrecht schreibt und schrieb nebenbei für ZEIT ONLINE, NDR.de und den Berliner Tagesspiegel. Füllt ein Marketing-Magazin mit Liebe (GrowSmarter.de) Und er liest eine spannende Case Story genauso gerne wie den neuen Roman von Ralf Rothmann.