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Als Heino den HSV rettete.

Er war der große Gönner des HSV Barmbek-Uhlenhorst. Selfmade-Millionär Herrmann Sanne investierte viele Jahre mehrere hunderttausend harte Mark in die Beine von Spielern, um den Verein zur Zweitmacht des Hamburger Fußballs zu machen. Nach einem Ausflug in den Profifußball stand der Verein jedoch kurz vor dem finanziellen Ruin und bedurfte der Hilfe von Schlagerstars, um der Insolvenz zu entgehen.

 

 

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Ob kuwaitische Petro-Dollar, russische Oligarchen-Rubel oder europäische Brause-Euros, der Fußball und das Mäzenatentum schreiben eine unendliche Geschichte. Heute kommen die Mäzene aus allen Ecken der Welt, vor 50 Jahren waren es die regionalen Sonnenkönige, die ihren Heimatvereinen finanziell unter die Arme griffen und ganz große Ziele verfolgten.

Auch der HSV Barmbek-Uhlenhorst erlag dem Glanz des großen Geldes aus privater Schatulle. Mit harter Altpapier-Mark träumte Mäzen Herrmann Sanne den Traum vom Profifußball. Der Altpapier-Baron Sanne besaß eine der modernsten Sortieranlagen für Altpapier Europas – und regierte den Verein im Arbeiterviertel mehr als 20 Jahre. Seine Kampfansage war eindeutig und laut: Barmbek-Uhlenhorst sollte hinter dem Hamburger Sportverein die zweite Macht an der Alster werden.

 

Um dieses ambitionierte Ziel zu verwirklichen, drehte der Macher am großen Transferrad. Angetrieben von einer Kündigungswelle der Spieler – in der Regionalligasaison 1967/68 lief der Verein sportlich seinen Zielen hinterher – verpflichtete Sanne fortan ehemalige hochdekorierte Nationalspieler, um das Team auf einen historischen Kurs zu bringen.

>> Kader der Saison 1974/75 <<

Torhüter
Peter Kilian 23.04.1957
Karl-Heinz Martini 29.06.1945
Klaus-Hinrich Müller 15.12.1946
Abwehr
Karl-Heinz Baumann 05.02.1946
Paul Biege 18.09.1953
Wolfgang Hagemann 14.12.1951
Helmut Sandmann 21.12.1944
Dietrich Siemering 29.01.1952
Mittelfeld
Viktor Eglitis 15.12.1951
Florian Esch 09.12.1945
Lothar Hinrichs 09.02.1947
Ralf Kelm 24.05.1950
Jörg Martin 15.08.1954
Peter Metz 21.12.1949
Dietmar Reinke 13.09.1955
Michael Schenk 12.08.1953
Sturm
Uwe Dreyer 14.08.1952
Klaus Fock 13.07.1947
Uwe Genat 25.07.1948
Wolfgang Krause 28.08.1954
Thomas Quoos 23.11.1956
Ulrich Schulz 11.11.1946
Trainer
Bernd Brehme

Den Anfang machte der Transfer von Willi Giesemann im August 1968. Der vierzehnfache Nationalspieler – seine Nationalmannschaftskarriere wurde durch ein rüdes Foul von Pelé im legendären Maracana-Stadion beendet – wechselte im August 1968 vom HSV nach Barmbek-Uhlenhorst. Mehr aus Zwang als aus Willen ging Willi Giesemann diesen Schritt, denn seine schon durch Pelé lädierten Beine wollten nach einer anschließenden Meniskusoperation einfach keinen Profifußball mehr spielen. Über seine Zeit bei Barmbek-Uhlenhorst sollte Willi Giesemann später sagen: „Ich habe dann als Humpelbein noch ein paar Jahre für Barmbek-Uhlenhorst gespielt.“

Im Laufe der nächsten Jahre verstärkte Sanne seinen HSV sukzessiv mit namenhaften und erfahrenen Profifußballern. Den größten Coup landete der Altpapier-Baron in der Saison 1973/74 mit der Verpflichtung des fünfzehnfachen Nationalspielers Gert „Charly“ Dörfel.

Eugen Igel, 73 Jahre jung, erlebte unter anderem die Verhandlung zwischen Sanne und „Charly“ Dörfel hautnah mit. Igel berichtet „Herrmann Sanne war ein Unikat und positiv-verrückt. Er mochte das Gesellige und gab gerne ein paar Bier für die Pressevertreter aus.“

Spielertransfers waren während der Regentschaft Sannes Chefsache. Seine ganz eigene Transferphilosophie lautete: „Neue Leute gehen bei mir über die Waage, ich will keine kleinen und leichtgewichtigen Spieler haben.“ Seine Meinung über neue Spieler war so unumstößlich wie sein Lebensmotto: „Ein Glück, dass ich kein Abitur gemacht habe, sonst wäre ich nie etwas geworden“.

Für das Lernen hatte der Selfmade-Millionär auch überhaupt keine Zeit. Der achtfache Familienvater widmete seine gesamte Zeit seinen Geschäften, seiner Familie und seinem Verein.

Doch das Investment zahlte sich aus. Ende der 1960er Jahre spielte Barmbek-Uhlenhorst in der Regionalliga Nord in der oberen Tabellenhälfte mit. Anfang der 1970er Jahre sollte dann der große Wurf gelingen. Der Geruch des großen Fußballs verbreitete sich im Verein.

Eine erste Geruchsprobe konnte Barmbek-Uhlenhorst im Pokalspiel 1972 gegen den FC Bayern München nehmen. Zwar zeigten die Bayern den Hamburgern ganz klar ihre fußballerischen Grenzen auf, doch der Traum des großen Fußballs auf dem Wilhelm-Rupprecht-Platz schien kein Luftschloss mehr zu sein. Konnten die Mannen um Mäzen Sanne das Hinspiel noch mit 1:4 recht knapp gestalten, ging der kleine HSV in München mit 0:7 unter. Zum ungefährdeten Bayern Sieg trugen auch 3 Tore von Uli Hoeneß bei.

Aber das Feuer Profifußball war in Barmbek-Uhlenhorst entfacht. 1974 stieg der Verein – nach etlichen gescheiterten Anläufen – dann endlich in die neugestaltete 2. Bundesliga auf. Der sportliche Höhepunkt in der Vereinsgeschichte wurde aber bald zum Sattelpunkt. Bereits im Januar 1974 verkündete Herrmann Sanne sein Ausscheiden vom HSV Barmbek-Uhlenhorst. Und mit seinem Abschied begann der schleichende Zerfall des Vereins.

Der gewiefte Geschäftsmann hatte noch einen großen Plan, bevor er die Segel strich. Kurz vor dem Aufstieg des Vereins in die 2. Bundesliga wollte er seine Helden mit einem geringen Grundgehalt von 300 Mark ausstatten und sie im Gegenzug an den Zuschauereinnahmen beteiligen. Doch dieser Schachzug ging nicht auf.

Einige Spieler aus der erfolgreichen Regionalligazeit verweigerten das geringe Grundgehalt und suchten sich lieber einen anderen Verein. Fehlende Spieler sollten nicht das letzte Problem beim Abenteuer 2. Bundesliga werden. Zwar war der Verein sportlich in Liga zwei angekommen, doch spielte die eigene Infrastruktur nicht mit. Damit Barmbek-Uhlenhorst überhaupt auf Bundesebene spielen durfte, musste der Verein sich eine neue Heimspielstätte suchen. Nach zähen Verhandlungen fiel die Wahl auf den HSV-Platz am Rothenbaum. Keine gute Wahl, denn die Kosten des Umbaus verschlangen viel Geld. Mutig kalkulierte man mit 4000 Zuschauern pro Spiel, doch die Realität sah andere Zahlen.

Finanziell wie sportlich entwickelte sich der Ausflug in die 2. Bundesliga zum Ruin des Vereins.

Die kalkulierten Zuschauer blieben aus und in der Kasse des Vereins herrschte Ebbe. Im Wahn der Verzweiflung griff BU nach jedem Strohhalm, der sich bot. Mit einem Bittschreiben richtete man sich an Bundeskanzler Helmut Schmidt. Doch die große Politik blieb stumm. Anders NDR-Rundfunksprecher Gerd Ribatis.

In einer einmaligen Hilfsaktion mobilisierte er die Schlagerstars der 70er Jahre zur Rettung des Vereins. Gemeinsam nahmen die Schlagerikonen Gitte, Heino, Cindy und Bert, Tina York, Costa Cordalis, Roberto Blanco, Gigliola Cinquetti, Peter Rubin, Freddy Breck und Henry Valentino eine Retter-LP „Stars singen für BU“ für Barmbek-Uhlenhorst auf. Insgesamt 10.000 verkaufte Werke sollten den Verein vor der Insolvenz bewahren.

Und das Schlagerwunder wurde wahr.

Gemeinsam mit privaten Spenden und dem Erlös konnte der Verein sein Überleben sichern. Doch die ganz große Fußballbühne sah man in Barmbek-Uhlenhorst nie wieder. Für das Abenteuer 2. Bundesliga zahlte der Verein einen hohen Preis. Stellvertretend für den Niedergang des Vereins waren 287 Zuschauer, die das letzte Heimspiel in der 2. Bundesliga besuchten.

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In den Folgejahren versank der Verein im Niemandsland des Hamburger Amateurfußballs.

Und es ging steil bergab. Statt 2. Bundesliga in den 70er Jahren hieß es in den 1980er Jahren zeitweise Bezirksligafußball.

In diesen Wochen bereitet Trainer Frank Pieper sein Team auf eine Saison in der Oberliga Hamburg vor. Immerhin.

Matthias Friede

Schon in jungen Jahren musste Matthias Friede erkennen, dass ihn der Fußballgott nicht mit ausreichend Talent gesegnet hat. Trotz seines überharten Einsatzes spielte sich seine Fußballkarriere auf Kreisebene ab. Statt in der glamourösen Welt des Fußballs für Skandale zu sorgen, drückte er im Studium der Geschichts- und Politikwissenschaft die harte, hölzerne Bank auf der Universitätstribüne. Trotz oder gerade wegen dieser Ungerechtigkeit des Fußballgottes beschäftigt er sich leidenschaftlich theoretisch mit dem runden Leder.