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Radioreporter Jan Didjurgeit im Interview

Seine Stimme kennt fast jeder Hansa-Fan, der ohne Bezahlfernsehen und gewisse Livestreams aufwachsen musste. NDR-Reporter Jan „Ditsche“ Didjurgeit begleitet den FC Hansa Rostock seit Jahren und hat im Gespräch mit BLOG-TRIFFT-BALL die ein oder andere Anekdote parat.

Herr Didjurgeit, wie viel Hansa-Fan steckt in Ihnen?
Als Hansa-Fan würde ich mich nicht bezeichnen. Ein Fan definiert sich für mich darin, immer der Mannschaft die Treue zu halten und sich immer hinter sie zu stellen. Egal in welcher Situation. Das kollidiert doch sehr mit meinem Berufs-Ethos. Dennoch würde ich mich als großen Sympathisanten beschreiben. Es wäre ja auch schlimm, wenn ich in 22 Jahren keine emotionale Bindung zum Verein aufgebaut hätte. Mein Herz hängt schon sehr am FC Hansa.

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Wann und wie wurde Ihnen klar, dass Sie für den Beruf Radioreporter die richtige Stimme haben?
So besonders finde ich meine Stimme gar nicht. Da gibt es doch einige Kollegen mit deutlich markanteren Organen. Ich kenne allerdings auch gute Journalisten, denen aufgrund stimmlicher Defizite eine Karriere beim Radio leider versagt geblieben ist.


Hansa – KSC 4:4 Radio-Kommentar – MyVideo

Sie sind ja seit Jahren sehr dicht dran. Welchen Spieler vermissen Sie bei Hansa?
Perry Bräutigam. Er war in allen Bereichen ein absoluter Vollprofi. Auf dem Platz hat er immer seine Leistung abgerufen, war ein Musterbeispiel in Sachen Umgang mit den Fans und darüber hinaus ein Akteur, der immer zuvorkommend mit den Medien gearbeitet hat. Zu 100% ein Vollprofi.

Muss man ja fragen: Was war Ihr schönster Hansa-Moment?
Bochum 1999. Wer damals dabei war, der kann diese Frage auch nicht anders beantworten. Es war einfach so unglaublich spannend, nachdem 1:2 haben viele Hansa-Sympathisanten auf der Tribüne resigniert. Dabei sind mir besonders die Mitglieder des Hansa-Vorstands aufgefallen, die schräg vor mir saßen und sichtlich geknickt aussahen. Wer hatte denn damals wirklich noch Hoffnung? Dann drehen die Jungs dieses Spiel und wir sind alle so dermaßen ausgerastet. Ich weiß noch, als ich mit Kai Rehberg von der Ostsee-Zeitung im Auto auf dem Weg  zurück nach Rostock war und wir uns immer wieder anschauten und dabei mit dem Kopf schüttelten. So etwas wird es wohl nie wieder geben.

Wenn wir von schönen Erfahrungen sprechen: welches Erlebnis würden sie am liebsten ganz schnell wieder vergessen?
Der erste Abstieg in die 3. Liga. Während der Partie habe ich meinen Job gemacht und habe die sich anbahnende Katastrophe noch gar nicht so realisiert. Direkt nach dem Schlusspfiff haben wir noch diese 40-sekündige Zusammenfassung aufgenommen und dann war ich vollkommen neben der Spur. Ich bin wirklich in ein kleines Loch gefallen und musste mich erst einmal sammeln. Es war gespenstisch.

Hängt Ihr Gehalt eigentlich von der Ligazugehörigkeit des FC Hansa ab?
Zum Glück nicht. Ich bekomme mein festes Gehalt, welches sich auch im Aufstiegsfall nicht erhöhen würde.

Welche Sportart kommentieren Sie neben dem Fußball am liebsten?
Rudern. Ich finde diese Sportart einfach sehr genial, was vor allem auch an der Dramaturgie liegt. Ich kommentiere den Rudersport mittlerweile für den gesamten ARD-Hörfunk und habe deshalb auch schon olympische Erfahrungen gesammelt. Das erreicht zu haben, macht mich sehr stolz, da dieser Weg viele Jahre in Anspruch nahm und alles andere als leicht war.

Sie spielen gerne Tennis. Ihr Paradeschlag ist …?
Ganz klar die Vorhand. Mit meiner Rückhand ist leider nicht viel anzufangen.

Wer ist Ihr Lieblingsspieler?
Roger Federer. Er hatte fast alle Rekorde gebrochen und war lange Jahr der dominierende Spieler auf der Tour. Was mir aber besonders gefällt: Trotz seines Ehrgeiz und seines Standings ist er so auf dem Boden geblieben. Das erreichen nur ganz Wenige.

Sie haben vor geraumer Zeit einen „Guinness-World-Record“ aufgestellt. Wenn ich mich richtig informiert habe, 92 Stunden und zehn Minuten Tipp-Kick am Stück. Wie kommt man eigentlich auf diese Idee?
Diese Idee entsprang noch meiner Schulzeit. Ein Jugendfreund hatte diese Idee seit Jahren und fing immer wieder davon an zu reden. Direkt nach dem Abitur haben wir es dann gewagt und auch erfolgreich abgeschlossen. Es war aber schon eine Tortur, aber wenn man 75 Stunden geschafft hat, dann gibt man nicht einfach auf. Heute würde ich es aber nicht mehr machen.

Es gab ja in der letzten Zeit eine große Diskussion über die deutschen Fernsehkommentatoren. Besonders die Branchen-Könige Reif und Rethy bekommen traditionell ordentlich Kritik. Wen hören Sie eigentlich am liebsten?
Von den Fernsehkollegen höre ich den Wolff Fuss sehr gerne. Bei ihm passt einfach die Kombination. Ansonsten habe ich meine Vorbilder eher beim Rundfunk. Ein Kurt Emmerich diente als Vorbildfunktion, aber auch Manni Breuckmann und Günther Koch höre ich sehr gerne, beziehungsweise habe ich sehr gerne gehört. Dass ich mit Rolf-Rainer Gecks mit einem wirklich fantastischen Reporter zusammenarbeiten darf, macht mich glücklich.

Wird auch mal ausversehen vor dem heimischen TV-Gerät laut mitkommentiert?
Nein, eher nicht. Ich kann es auch überhaupt nicht leiden, wenn irgendwelche Personen zu viel reden beim gemeinsamen Fußballgucken. Deshalb meide ich bei Welt- und Europameisterschaften größere Gemeinschaften und schaue die Spiele jeweils im erlesenen Viermann-Kreis.

Fließen dabei ab und an Tränen?
Leider ja. Was die deutsche Nationalmannschaft angeht, würde ich mich sogar als echten Fan definieren. Wenn es da eine Niederlage gibt, ist mit mir die nächsten Tage nichts anzufangen.

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Fast ganz zum Schluss, damit es jedem Leser ja auch in Erinnerung bleibt: Was war Ihr größter Live-Fauxpas?
Ich habe vor ein paar Jahren beim DFB-Pokalspiel zwischen Torgelow und dem HSV ein Tor übersehen. Es war, glaube ich, das letzte oder vorletzte Tor der Hamburger. So etwas war mir zuvor noch nie passiert. Von meinen Nebenleuten wurde dies natürlich mit großer Schadenfreude bedacht.

Zum Ende: In welchem Stadion sehen Sie sich und den FC Hansa in fünf Jahren beim Ligaauftakt?
Ich hoffe doch sehr bei Union Berlin. Die sind nämlich in fünf Jahren weiterhin da, wo sie jetzt sind.

Achja, bei 100 Likes gibt`s Antenne-MV-Mann Sven Krise!

Hannes Hilbrecht

Hannes Hilbrecht schreibt und schrieb nebenbei für ZEIT ONLINE, NDR.de und den Berliner Tagesspiegel. Füllt ein Marketing-Magazin mit Liebe (GrowSmarter.de) Und er liest eine spannende Case Story genauso gerne wie den neuen Roman von Ralf Rothmann.