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Zeit für ein „Blind Date“ am Damerower Weg

Im Schatten des FC Hansa Rostock schreibt einer der ältesten Vereine der Hansestadt fleißig positive Schlagzeilen. Der Rostocker FC, gegründet im Jahr 1895, positioniert sich klar und deutlich gegen Rechtsextremisten und schaffte es als Verbandligist in das „11-Freunde“ Magazin. Zwei populäre Trikotsponsoren ebnen zudem endgültig den Weg zum Kultverein. BLOG-TRIFFT-BALL nahm sich der Geschichte an und sprach mit zwei Machern des RFCs.

 

Imagefilme für Rostock und Mecklenburg-Vorpommern
Fotos: Sebastian Heger/ zur Verfügung gestellt vom RFC

Im Herbst bekommt Rostock immer ein besonderes Gesicht. Das liegt zwar auch an den stürmischen Winden und dem nasskalten Wetter, aber vor allem an den unzähligen Studenten, die jährlich aufs Neue den Weg in die schöne Küstenstadt finden. So strömen Jahr für Jahr auch viele junge Fußballfans in die Stadt, die mit dem runden Leder in Rostock nicht allzu vertraut sind. So werden nicht selten Gespräche über die ortsansässige Fußballkultur von Ressentiments begleitet. Kolportierte Sätze wie: „Der FC Hansa ist ein Verein mit Nazifans“, oder „Der Fußball in Rostock und Mecklenburg-Vorpommern wird eh von vielen Rechten begleitet“ fielen in nicht wenigen Unterredungen, frei nach dem Motto: „Remember Lichtenhagen“.

Dass die Fußballwelt in Rostock deutlich anders aussieht, dürfte den Meisten nun aber bekannt sein. Das liegt auch daran, dass Vereine wie der FC Hansa Rostock, der mit zahlreichen Jugendprojekten eine Vorreiterrolle einnimmt, ihre Präventivrolle nicht vernachlässigen. Darüber hinaus sticht vor allem ein relativ kleiner Klub, fast noch im Schatten der DKB-Arena gelegen, besonders heraus. Die Rede ist vom Rostocker FC, der seine Zelte am Damerower Weg aufgeschlagen hat.

Bereits vor zwei Jahren schrieb der Fußballklub politische Schlagzeilen: Kurz vor der der Landtagswahl  2011, startete der 118-jährige Verein in einer Halbzeitpause gemeinsam mit dem Projekt „Storch-Hainar“ eine Aktion gegen die rechtsextreme NPD. Der RFC-Vereinsvorsitzende Nils Greese erinnert sich: „Wir haben damals klipp und klar unsere Fans davon abgeraten, ihr Kreuz bei der NPD zu machen.“

Was bei den Zuschauern und anderen Vereinen positive Resonanzen hervorrief, stieß beim mecklenburgischen Fußball-Landesverband auf negative Reaktionen. Dieser wertete die Aktion anhand des Spielberichtes des Schiedsrichters als politische Wahlwerbung und verhängte gegen Greese und seinem Klub eine Geldstrafe. Das  „11-Freunde“ Magazin dankte hingegen dem RFC mit einem Interview, das in der Onlineausgabe publiziert wurde.

Der 43-Jährige, der seit gut einem Jahr die höchste Position im Verein bekleidet, ließ sich davon allerdings nicht unterkriegen und weist dabei auf die strenge Satzung seines Vereins hin: „Wenn Personen mit rechtsextremer Kleidung unser Gelände betreten, dann haben sie genau zwei Möglichkeiten: Entweder ausziehen, oder sie werden gebeten, den Platz zu verlassen. Wir besitzen das Hausrecht und das vertreten wir auch so.“

Doch nicht nur die Medien, auch die Rostocker Musikprominenz honorierte das offene Bekenntnis des Fußballvereins gegen Fremdenhass. Die Bands „Dritte Wahl“, seit Jahren eine der bekanntesten Punk-Kapellen des Landes, und die fast noch jugendliche  Gruppe „FeineSahneFischfilet“, beide dem linksgerichteten und antifaschistischen Spektrum zugehörig, unterstützen den Verein auf ihre Art und Weise.

Beide Bands stiegen als Trikot-Sponsoren beim Verein ein, die jeweiligen Band-Logos zieren die Brust der A- („FeineSahneFischfilet“) und B-Jugend („Dritte Wahl“) und nahmen sich so ein Beispiel an ihr ehemaliges musikalisches Vorbild. Die Toten Hosen retteten nämlich um die Jahrtausendwende ihren Heimatverein aus Düsseldorf, in dem sie sich als Trikotsponsor der Profis an der finanziellen Konsolidierung  der Fortuna beteiligten.

Für den Vereinsvorsitzenden ist das Sponsoring jedoch nicht nur ein finanzieller Dienst, vielmehr sieht er im Engagement der Musiker die Bestätigung für die offene Ausrichtung des RFC: „Mit der Unterstützung drücken die beiden Bands die Wertschätzung für unsere sehr klare Positionierung gegen Nazis aus. Das macht uns stolz.“ Zudem sorgt der ungewöhnliche Sponsoren-Deal für gut gefüllte Kassen. Bis zu fünf Trikots setzt der Verein pro Woche ab, Bestellungen kommen mittlerweile schon aus dem deutschsprachigen Ausland.

Dabei geht die Arbeit der Rostocker weit über die klassische Distanzierung zum Rechtsextremismus hinaus. Kinder aus dem Asylwohnheim, welches sich in unmittelbarer Nähe zu den Vereinsanlagen befindet, kommen einmal die Woche zum Fußballspielen. Die komplette Ausrüstung wird gestellt, einen Beitrag müssen die Kinder selbstverständlich nicht entrichten. Ein Herzensprojekt des RFC: „Die Kinder verdienen doch die Chance, wenigstens einmal in der Woche die Tristesse hinter sich zu lassen“, so Greese.

RFCFSF

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Die klare politische Verzahnung stört den leidenschaftlichen Musik-Fan, der im November auf einer Fachtagung in Berlin sprechen wird, überhaupt nicht, ganz im Gegenteil: „Wir als Fußballverein haben eine gesellschaftliche Verantwortung. Der dürfen wir uns nicht entziehen.“

Ähnlich sieht es auch das langjährige Vereinsmitglied Oliver Schubert, der besondere Bekanntheit durch seine Arbeit als Radioreporter für Antenne MV und dem NDR erlangte und nun ein gelungenes Resümee findet: „Ein Fußballverein besitzt auch soziale Aufgaben. Deshalb ist es wichtig, sich gegen den Radikalismus von beiden Seiten zu positionieren.“

So besitzt der Rostocker FC durchaus den Groove, um sich zu einem echten Szene-Verein zu entwickeln. Eine Szene, förmlichst prädestiniert für junge Menschen, die noch nicht den Glauben daran verloren haben, die Welt ins Positive verändern zu können. Die Ideale vertreten, die im höherklassigen Fußballgeschäft längst der Geschichte angehören. Die Meisten von den eingangs erwähnten neuen Gesichtern kennen den RFC noch nicht. Deshalb wird es aller höchste Zeit für ein „Blind Date“ am Damerower Weg.

Hannes Hilbrecht

Hannes Hilbrecht schreibt und schrieb nebenbei für ZEIT ONLINE, NDR.de und den Berliner Tagesspiegel. Füllt ein Marketing-Magazin mit Liebe (GrowSmarter.de) Und er liest eine spannende Case Story genauso gerne wie den neuen Roman von Ralf Rothmann.