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Eine Wiederholung wäre gegen den Sportsgeist

Die Sachlage ist verzwickt: Wird das Pokal-Halbfinale zwischen dem SC Condor und Altona 93 wiederholt, oder belässt es der HFV beim Finaleinzug der Raubvögel? BLOG-TRIFFT-BALL analysiert mehr moralistisch als juristisch den Fall, kommt aber dennoch zu einem klaren Urteil.

Foto: Olaf Damm

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Die Stimmung ist aufgewühlt im Hamburger Fußball. Nicht nur, weil dem HSV ein Abstieg droht, sondern auch im Amateurfußball naht großes Ungemach, schließlich müssen heute Abend die Verbandsoffiziellen über das höchst umstritten verlaufene Oddset-Pokalhalbfinale zwischen dem SC Condor und Altona 93 befinden.

Der Protestler aus Altona, der faktisch mit Recht die Elfmeterpanne des Unparteiischen Murat Yilmaz moniert, geht mit großer Hoffnung ins abendliche Verhandlungsrennen, wie Manager Andreas Jütting bei BLOG-TRIFFT-BALL klar betonte: „Die Hoffnung auf ein positives Urteil ist bei uns absolut vorhanden.“

Auch die hiesigen Medien scheinen eine Wiederauflage der Partie zu begrüßen, schließlich würde im Falle der Fälle neben reichlich Berichtsstoff, auch ein hochbrisantes Spiel zweier Oberligisten warten, die sich bereits im Hinspiel um jeden Grashalm duellierten.

Den zweifellos legitimen Ambitionen von Traditionsverein und Medien, steht jedoch der Geist des Fußballs gegenüber. Dieser spricht zumindest nach Interpretation von BLOG-TRIFFT-BALL gegen eine Wiederholung der Partie.

Denn trotz des Beklagens von der Altonaer Seite ist festzuhalten, dass aufgrund der fehlerhaften Schiedsrichterentscheidung kein Vorteil zu Gunsten Condors entstanden ist. Beide Teams starteten schließlich unter den gleichen Bedingungen und die sprachen sogar von der Konstellation eher gegen Condor. Auftaktschütze Theis, der das Elfmeterschießen mit einem Fehlschuss für die Mannschaft aus Farmsen eröffnet hatte, musste nämlich auch im Elfmeterschießen als erstes ran – er verschoss erneut.

Ein Schütze, den Condor wohl liebend gerne ausgewechselt hätte. Altonas Körner, der im direkten Anschluss verschießen sollte, hatte im ersten Elfmeterdurchgang noch in souveräner Manier getroffen. Beim wichtigen erster Elfmeter hatte also Condor den Nachteil, den einzigen Fehlschützen aus dem ersten Durchgang aufstellen zu müssen, während Altona einen selbstbewussteren Schützen in Richtung Elfmeterpunkt schicken durfte.

Bei einer exakten Beobachtung der Schlussminute ist uns übrigens auch aufgefallen, dass Altonas Trainer Oliver Dittberner, wurde in der 119. Minute des Feldes verwiesen, anschließend weiterhin sowohl die Einwechslung von Jurek Rohrberg (120. Minute) als auch die Vorbereitung auf das Elfmeterschießen normal durchgeführt hat. Frage: Durfte er zu diesem Zeitpunkt überhaupt noch derart aktiv am Geschehen mitwirken?

Unterm Strich, und damit zurück zum eigentlichen Anliegen, bleibt unserer Meinung nach festzuhalten: In der reinen Bewertung des Elfmeterschießens lässt sich feststellen, dass beide Teams unter nahezu identischen Bedingungen antraten, ein minimaler Nachteil entstand – wenn überhaupt – auf Seiten des designierten Finalteilnehmers.

Ein wichtiger Punkt der Verhandlung wird zudem der Aspekt der Tatsachenentscheidung. Auf eben jene wird sich schließlich berufen, wenn dem Unparteiischen bei der Bewertung des Spielgeschehens ein schwerer Fehler unterlaufen ist. Zum Beispiel, das eigentliche 2:2 der Engländer bei der Weltmeisterschaft 2010, dass aus unerklärlichen Gründen nicht gegeben wurde. Eine Chance auf einem erfolgreichen Protest hatten die „Three Lions“  damals gewiss nicht.

Oder folgendes Beispiel: Angenommen Altona 93 wäre in der 120. Spielminute ein eindeutiges Tor zu Unrecht aberkannt worden, die Chancen auf einen erfolgreichen Protest wären nicht existent. Selbst bei einem fälschlichen Elfmeter in der 2. Spielminute, der zusätzlich mit einer Roten Karte geahndet worden wäre, gebe es keine Chance das spätere Ergebnis anzufechten.

Natürlich gibt es den Unterschied, dass hier keine Tatsachenentscheidung vorlag, sondern ein grober Patzer in der Durchführung des Regelwerks. Doch im welchen Maße wäre eine Spielwiederholung basierend auf diesen Schiedsrichterfehler vertretbar, wenn weit schwerwiegendere Ungerechtigkeiten nicht anfechtbar sind. Zumal hier noch nicht einmal eine Ungerechtigkeit gegen den klagenden AFC zu registrieren ist, da der Gegner im mindestens gleichen Maßstab ebenso betroffen war.

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Diese Argumentation soll jedoch nicht alle künftigen Fehler, die bei der Durchführung des Regelwerks entstehen, bagatellisieren. Sollte ein Schiedsrichter spontan die „Golden Goal Regel“ in der dritten Minute der Verlängerung einführen, wäre eine Dimension erreicht, die man nicht nonchalant tolerieren könnte, da ja die siegende Mannschaft entscheidend protegiert wird. In so einem Fall könnte man beispielsweise die Verlängerung trotz ungleicher Bedingungen (mögliche Verletzte, Witterung) nachspielen lassen, um den Faktor der Ungerechtigkeit zu minimieren.

Ein wiederholtes Elfmeterschießen darf für den Fall Condor-Altona jedoch keine Optionen darstellen, da es ja de facto keine auszugleichende Ungerechtigkeit gibt.

Ein Fall aus dem Vogtland, datierend aus dem Februar 2013, macht jedoch Altona Hoffnung. Bei einem nahezu identischen Vorfall entschied das Gericht damals auf eine Spielwiederholung. Ein Auszug aus der Urteilsbegründung: Da bei beiden Vereinen, bei Spielern und Verantwortlichen Zweifel bestanden, machte trotzdem keiner laut. Schiedsrichter die Verantwortlichen darauf aufmerksam. Das Sportgericht ist der Ansicht, dass sich beide Vereine bei einer eventuellen Niederlage, den Weg des Protestes offenhalten wollten. Der Regelverstoß beeinflusste das Elfmeterschießen maßgeblich. Endstand war 8:7. Das Spiel muss erneut zur Austragung kommen. Alle Tatsachen sind unstreitig.

Hannes Hilbrecht

Hannes Hilbrecht schreibt und schrieb nebenbei für ZEIT ONLINE, NDR.de und den Berliner Tagesspiegel. Füllt ein Marketing-Magazin mit Liebe (GrowSmarter.de) Und er liest eine spannende Case Story genauso gerne wie den neuen Roman von Ralf Rothmann.