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Cardosos- Nachfolger „Joe“ Zinnbauer im BTB-Interview

Dem HSV steht in den kommenden Monaten eine schweißtreibende Großrenovierung bevor. Weit oben auf dem internen Flipchart steht schon jetzt: Inkompentenz beseitigen, Knowhow verpflichten. Für den wichtigen Unterbau der Profis, dem U23-Team, hat das überfällige Vorhaben bereits Folgen: Rodolfo Cardoso, im Grunde dauernd erfolglos, muss seinen Stuhl im Sommer räumen. Dafür kommt Josef, oder „Joe“, Zinnbauer. BLOG-TRIFFT-BALL sprach mit dem 43-Jährigen und künftigem HSV-Trainer.


Herr Zinnbauer, vorab: Als was möchten Sie lieber bezeichnet werden: Als erfolgreicher Geschäftsmann, als ehemaliger Bundesliga-Spieler oder als aufstrebender Fußballtrainer?
Ganz klar als Fußballtrainer. Ich besitze zwar noch mein Unternehmen, doch habe ich mich seit längerem aus dem operativen Geschäft zurückgezogen. Zudem mag ich mich nicht zu sehr als „ehemaligen Bundesligaspieler“ anbiedern, da ich selber nicht allzu erfolgreich aktiv war. Da muss man einfach realistisch bleiben und zugeben, dass andere diese Bezeichnung mehr verdient haben. Da ist mir die Nennung als „aufstrebender Trainer“ lieber.

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Sie haben Bundesliga gespielt – ist das nicht für jeden Kicker ein riesen Erfolg?
Nicht das sie sich mich falsch verstehen. Ich habe bis auf meine schwere Knieverletzung, einem Knorpelschaden, unglaublich viel Positives in meiner Laufbahn als Fußballer erlebt. Diese gewonnenen Kontakte, das Reinschnuppern in den Berufsfußball und all die anderen Erfahrungen möchte ich nicht missen.

Wie kommt es denn, dass Sie Ihre Karriere fernab des Geschäftlichen so stark auf die Trainerlaufbahn konzentrieren?
Ich glaube jeder Mensch hat eine Vision vom Leben. Der Fußball war für mich immer einer der essentiellsten Bestandteile, ich lebe diesen Sport einfach. Ich habe mich ziemlich früh auf diese Laufbahn fokussiert und konnte bereits kleinere Erfolge verbuchen. Jeder weiß: Wenn der Erfolg einmal da ist, dann möchte man ihn am liebsten erweitern. Natürlich will ich auch meine gewonnenen Erfahrungen anderen zur Verfügung stellen. Ich möchte jungen Spielern beim Sprung in den Profifußball unterstützen, Ihnen bei ihrer Entwicklung zur Seite stehen. Diese Arbeit macht mir unwahrscheinlich viel Spaß. Demnach war ja die Fußballlehrerlizenz nur die konsequente Folge.

Apropos: Sie saßen ja kürzlich im Fußball-Lehrer-Lehrgang mehrere Wochen mit Rodolfo Cardoso im selben Raum. Gab es zwischendurch mal ein Gespräch?
Ich habe mit Rodolfo, den ich ja seit Jahren kenne und schätze, das Thema offen kommuniziert und wir haben uns darüber ausgesprochen. Unser Verhältnis ist intakt und genauso gut wie früher.

Sie arbeiten auch bei Ihrem Noch-Klub, dem Karlsruher SC, mit vielen jungen Spielern zusammen die vom Millionengeschäft Profifußball träumen. Geben Sie Ihren Jungs auch Finanztipps?
Nein. Zum Einen, weil ich selber in dem Geschäft mit Geldanlagen nicht mehr so involviert bin, wie ich es früher einmal gewesen bin. Zum andere finde ich, dass so etwas nicht innerhalb des eigenen Teams geschehen sollte. Bei externen Spielern, die ich vielleicht von früher kenne und die mich ansprechen würden, könnte ich kleinere Tipps bestimmt noch geben.

Und wenn einer Ihrer Spiele den ersten Profivertrag mit einem Porsche krönen will?
Dann würde ich schon sagen: „Junge, mach das nicht“. Das liegt nicht am Auto selbst, sondern einfach daran, dass junge Spieler nicht abheben sollten, sondern erstmal die Grundlagen zu legen haben. Aber ich denke, mittlerweile machen die Eltern und die Berater überwiegend einen guten Job, indem sie den Jungs auch in solchen Fragen beratend zur Seite stehen.

In Anbetracht des Missmanagements der letzten Jahre beim Hamburger SV könnte vielleicht auch der künftige Arbeitgeber ein paar innovative Spartipps gebrauchen. Eine Maßnahme könnte ja sogar sein: Schafft die U23 ab. Wie es andere Bundesligisten offenbar planen. Wie ist Ihre Meinung dazu?
Naja, da ich U23-Trainer bin, kann ich diese Frage vorab eigentlich nur mit: „Nein, schafft sie nicht ab“ beantworten. Aber auch unabhängig von meiner Person bin ich dagegen. Da gibt es ebenfalls zwei Gründe, die sehr für diese Mannschaftsform sprechen. Viele Vereine denken, sie könnten die U23 entbehren, indem sie junge Spieler ausleihen. Problematisch sind da zwei Sachen: Erstens, einmal ausgeliehen, ist der Spieler erstmal weg und kann nicht bei Bedarf so einfach zurückrekrutiert werden. Es sei sich nur mal vorgestellt, der HSV hätte Hakan Calhanoglu vor Saisonstart ausgeliehen. Dazu kommt noch, dass das Ausleihen auch nicht mehr so leicht ist. Das Umfeld für den Spieler muss ja schließlich passen. Der zweite wichtige Grund ist: Ob jung oder alt – Spieler, die in der Startelf eher wenige Einsätze bekommen, können sich über die zweite Mannschaft in einem regulären Wettbewerbsverhältnis Spielpraxis und Selbstvertrauen holen. Wie zuletzt Lasse Sobiech in Oldenburg.

Wie sieht es da gerade mit den Arrivierten aus. Haben die überhaupt Bock auf die 2. Abteilung?
Ich selber habe folgende Erfahrungen gemacht. Wenn Spieler gesagt bekommen, sie müssen in die Zweite, dann wirkt sich das negativ auf die Motivation aus. Kommen die Spieler aber von sich selbst und fragen an, ob sie spielen dürfen, dann sind sie hochmotiviert und geben alles. Beim KSC haben wir das so praktiziert und hatten keinerlei Probleme. Andere Kollegen, die ebenfalls eine U23 trainieren, berichten jedoch von negativen Beispielen. Übrigens: Wenn einer keine Lust hat in der Zweiten zu spielen, dann ist es mir lieber, wenn das offen kommuniziert wird, als dass er den Mund nicht aufmacht und dann über den Rasen stolpert. Damit würde nämlich die Entwicklung der jungen Spieler, die auf diese Mannschaft angewiesen sind, behindern. Das kann nun niemand gebrauchen.

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Werden Sie versuchen das beim HSV genauso zu praktizieren?
Das kann ich Ihnen nicht sagen. Zu all dem, was den HSV betrifft, kann und will ich mich inhaltlich nicht äußern, bevor ich nicht in Hamburg bin und dort angefangen habe. Da bitte ich im Verständnis.

Wenn man sich beim VfB Oldenburg, den Sie ja fünf Jahre lang trainierten, genau umhört, wird häufig von einem „lockeren Typen“ gesprochen. Ihr Entdecker Jörg Rosenbohm sagt gar „die beste Verpflichtung des HSV“. Wie würden Sie sich beschreiben?
Ich beschreibe mich ungern selbst. Diese Aufgabe dürfen gerne andere übernehmen. Ich bin ein Mensch mit Ecken und Kanten, der mit sehr vielen Spielern ein gutes Verhältnis nach der gemeinsamen Arbeit gewahrt hat. Sicherlich gibt es da auch Ausnahmen. In Oldenburg hat mit Sicherheit auch der gemeinsame Erfolg eine Rolle zur meiner positiven Bewertung gespielt, das sollte nicht außer Acht gelassen werden.

Und worauf freut sich der Privatmensch Josef Zinnbauer in Hamburg am meisten?
Am meisten auf die dortige Arbeit und die sehr guten Bedingungen. Natürlich hat die Stadt Hamburg einen unglaublichen Reiz. Als ich in Oldenburg tätig war, habe ich sie schon erkundet und weiß um die Faszination dieser Stadt.

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Hannes Hilbrecht

Hannes Hilbrecht schreibt und schrieb nebenbei für ZEIT ONLINE, NDR.de und den Berliner Tagesspiegel. Füllt ein Marketing-Magazin mit Liebe (GrowSmarter.de) Und er liest eine spannende Case Story genauso gerne wie den neuen Roman von Ralf Rothmann.