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Die Norderstedter Spaßmacher

Eintracht Norderstadt macht momentan einfach Spaß! Seit nunmehr neun Spielen ist der Aufsteiger in der Regionalliga Nord ungeschlagen, am Wochenende wurde gegen Eichede der Klassenerhalt vorzeitig festgezurrt. BLOG-TRIFFT-BALL unterhielt sich mit dem neuen Schlüsselspieler der Norderstedter. Deran Toksöz.

Foto: Olaf Damm

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Wenn ein Trainer nach Abpfiff unzufrieden durch die Pressekonferenz schnauft, dabei doch gerade mit einem deutlichen 4:1 als Sieger vom Platz gegangen ist, dann zeigt das deutlich: Fußball in Norderstedt ist in diesen Tagen selbst dann erfolgreich, wenn Thomas Seeliger mit dem Auftritt seines Teams mal nicht zu einhundert Prozent einverstanden war.

Der Regionalligist, der im letzten Sommer hochumjubelt als Vierter aus der Oberliga-Hamburg aufstieg, liefert derzeit auch viele Argumente für einen Besuch im auch am Sonntag ordentlich besuchten Edmund-Plambeck-Stadion (Zuschauertabelle Regionalliga Nord). Die Eintracht agiert zurzeit höchst erfolgreich, zuletzt gab es fünf Remis und vier Siege – und spielt noch dazu einen erfrischenden wie herrlich agressiven Fußball.

Die Folge: Der Klassenerhalt ist den Garstedtern schon nach 29 Spieltagen rechnerisch nicht mehr zu nehmen.

Besonderen Anteil an den Erfolgen der vergangenen Wochen hat Deran Toksöz. Der Deran, der erst im Winter aus Kiel mit einem finanziellen Weitsprung losgeeist wurde, avancierte in seinen wenigen Monaten bei der Eintracht bereits zum unverzichtbaren Schlüsselspieler. Als weicher Zehner ist Toksöz Taktgeber, Vorbereiter, Vollstrecker und der Garant der spielerischen Leichtigkeit in der Norderstedter 4-1-4-1-Formation.

Von Eigenlob will der 25-Jährige aber nun gar nichts wissen: „Wir freuen uns natürlich über den Klassenerhalt. Das ist aber nicht der Verdienst einiger Spieler, sondern ist zwingend auf die gesamte Mannschaft zu projizieren.“, lässt der bodenständige Hamburger im Gespräch mit BLOG-TRIFFT-BALL verlauten.

Auf Instagram: Blogger Semmler und Deran Toksöz

Tatsächlich weist der unbestritten breit aufgestellte Kader eine Menge Potential auf. Einen Torwart wie Johannes Höcker dürften nur wenige Viertligisten in Norddeutschland im Kader haben. Mit Mike Eglseder (3 Tore) und Marin Mandic (1 Tor) steht ein schnelles und spielstarkes Innenverteidigerduo für ordentliche Stabilität. Der Beweis: Nur ein einziges Mal in dieser Saison kassierte Norderstedt vier Gegentore: Beim 6:4-Auswärtssieg in Eichede. Für einen Aufsteiger – imposant!

Als einzige Sechs mausert sich der lange wegen seiner schwerfälligen Motorik kritisierte Philipp Koch zu einem Mann, der vierte Liga kann. Der 23-Jährige staubsaugt fleißig, ballverteilt dauernd und macht in einer auffällig uneitlen Art und Weise den Zuarbeiter für die Kreativen. Als Kapitän! btb meint: Hätten wir ihm gar nicht zugetraut. Er macht das aber richtig gut!

Und dann hätten wir noch diese vierköpfige Offensivreihe – Eintrachts Prunkstück nämlich: Linus Meyer, Marius Browarczyk, Deran Toksöz und Björn Nadler. Wenn man sieht, wie dieser Vierer mit genialen Passstafetten durch die Abwehrreihen gleitet, den Gegner aber auch genauso aggressiv und früh anläuft, Lust am Spielen hat und die Bühne Regionalliga als Normalität empfindet, dann ist es keine allzu große Überraschung, dass Anfang April die Planungen fürs nächste Jahr an der Ochsenzoller Straße erneut auf NFV-Papier notiert werden. Ein kleines Haar in der Erfolgssuppe bleibt aber: Im Sturm fehlt ein echter Regionalliga-Knipser. Wenngleich ein Jan Lüneburg mit neun Toren sicherlich im (eigenen) Soll unterwegs ist, so wird es die hintere Reihe, bestehend aus Routinier Jürgen Tunjic (3 Tore, wechselt im Sommer zurück zu Germania Schnelsen) und Jan-Marc Schneider (4 Tore), bei einer höheren Zielvorgabe schwer haben.

Aber: Das ist derzeit das Klagen auf hohem Niveau.

Zurück zum Erfolg. Denn einer wie Toksöz bleibt auch dann bescheiden, wenn es richtig läuft. „Es werden von Außen ja bereits erste Ziele für die kommende Saison herangetragen. Aber wir müssen realistisch bleiben und unseren Weg im kommenden Jahr fortsetzen. Vielleicht spielen wir dann ja von Beginn an um die Plätze 5 bis 7.“

Das Thema Dritte Liga, was für einen so ambitionierten Viertligisten wie Norderstedt sicherlich irgendwann Präsenz erlangen könnte, will Eintrachts wichtigster Fuß noch in weite Ferne rücken: „Wir feiern den Klassenerhalt in der Regionalliga und das ausgesprochen früh. Ich glaube nicht, das man jetzt schon über die 3. Liga nachdenken sollte.“

Ebene jene Dritte Liga kennt der ehemalige Holstein-Kicker noch zu gut aus seiner Zeit bei den Kieler Störchen. Und dort hat er viel gelernt – und von diesem Wissen lässt er nun auch seine neuen Kollegen profitieren. „Das frühe Draufgehen, Balljagen, extrem aggressiv sein, das haben wir in Kiel Tag für Tag geimpft bekommen. Ist doch klar, dass ich diese Erfahrungen dann auch hier einbringe.“

Keeper Höcker, ausgebildet beim FC Bayern München und mit 29 durchaus vereinserfahren, ist mittlerweile auch schwer angetan von der neuen Qualität. „Man sieht in jedem Training, das eine ganz andere Klasse in der Truppe steckt, als das noch vor einem Jahr der Fall war.“

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Trotz verschiedenster Glücksgefühle schielt – mit Ausnahme von Mike Eglseder –   kaum einer auf einen anderen Verein. Es scheint, als hätten sich gerade alle richtig lieb …

Auch Toksöz, der in Norderstedt noch bis Juni 2016  mit einem Vertrag ausgestattet ist, plant seine Zukunft im Hamburger Norden. Denn: „Ich habe mit dem Wechsel in eine untere Spielklasse vieles richtig gemacht. Hier fühle ich mich wohl und helfe der Mannschaft. Das ist doch das Wichtigste.“

Wohl fühlt sich bestimmt auch Thomas Seeliger, der bereits einen Monat vor Saisonende die Saisonzielstellung seines Arbeitgebers erfüllte. Mit BLOG-TRIFFT-BALL mag der Coach jedoch nicht sprechen, lässt der 47-Jährige im bornierten Unterton mitteilen. Was sehr schade ist, denn über die Norderstedter Eintracht spricht man doch derzeit nur allzu gerne.

FOTO: Toksöz‘ Hammertor vom Norderstedter Parkplatz

Hannes Hilbrecht

Hannes Hilbrecht schreibt und schrieb nebenbei für ZEIT ONLINE, NDR.de und den Berliner Tagesspiegel. Füllt ein Marketing-Magazin mit Liebe (GrowSmarter.de) Und er liest eine spannende Case Story genauso gerne wie den neuen Roman von Ralf Rothmann.