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Das Bordesholm-Prinzip: Weniger Lohn, mehr Leistung

Das „Geld“ keine Tore schießt wusste schon Otto Rehhagel zu berichten, als weiland sein bester Torjäger Rudi Völler nach Rom pilgerte, um beim dort beheimateten Associazione Sportiva Roma, kurz AS Rom, seine beeindruckende Karriere fortzusetzen. Damit war gemeint, dass der SV Werder zwar nach dem Transfer ein dickes Bankkonto aber keinen Torjäger mehr hatte und das der Nationalstürmer für die hohe Ablöse nicht unbedingt eine Torgarantie im Gepäck mitbrachte.

Das krasse Gegenteil ist der von Sammy Drechsel erdachte Jugendroman „Elf Freunde müsst Ihr sein“, der von einer Wilmersdorfer Schulmannschaft handelt, die durch bedingungslosen Teamgeist erfolgreich ist. Aber was ist die Ideallösung?

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Wie so oft: Das Mittelmaß. Wie das erfolgrreich praktiziert werden kann, zeigt derzeit Verbandsligist TSV Bordesholm mit seinem Trainergespann Sönke Pries und Alf Baatz. BLOG-TRIFFT-BALL hat den engagierten Coach, der in seiner eigenen Kicker-Laufbahn mit dem TSV Altenholz von der Kreis- bis in die Oberliga aufgestiegen ist und lange Jahre beim damaligen Oberligisten Altona 93 in Hamburg aktiv war, getroffen und mit ihm über dieses Thema und den derzeitigen Erfolg seiner Mannschaft gequatscht.

Sönke Pries, früher war Geld da und weniger der Erfolg. Jetzt ist die Sache umgekehrt. Wie kommt’s?
Das stimmt, allerdings war das vor meiner Zeit. Aber sprechen Sie mal einen Kieler Spieler an ob er zu uns wechseln will. Die erste Frage dreht sich dabei meistens um das liebe Geld und für mich ist das Gespräch dann sofort beendet. Wenn die einigermaßen unfallfrei geradeaus laufen können, rufen sie schon horrende Summen auf.

Fußballlöhne gibt`s in Bordesholm also nicht mehr?
Nicht mehr in dieser Form und das wird es unter meiner Regie auch nicht geben. Natürlich zahlen wir eine Fahrtkostenerstattung, zwei Spieler pendeln aus persönlichen Gründen zwischen Hamburg und Bordesholm, aber das war`s dann. Und diese Erstattung bewegt sich monatlich in einem zweistelligen Rahmen, selbst für die Fußballschuhe gibt es lediglich einen Zuschuss von 50 Euro. Früher konnten sich die Spieler ihre Schuhe selber aussuchen und sind mit 300 Euro Buffern angekommen. Aber besser haben sie damit auch nicht gespielt. Oder nehmen Sie einen Spieler wie Nick Lemke. Der kam in der guten Zeit damals von Holstein Kiel, mittlerweile gibt es keine Kohle mehr und er spielt immer noch hier. Inzwischen schon über 10 Jahre und er ist immer noch ein unverzichtbarer Teil der Mannschaft.

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Wie ist denn dann der momentane Erfolg zu erklären, sie stehen kurz vor der Meisterschaft und dem Aufstieg in die Schleswig-Holstein Liga. Bis zum 14. Spieltag pendelte Ihr TSV immer zwischen Platz 8 und 11, selbst am 22. Spieltag hatten sie noch 8 Punkte Rückstand auf den damaligen Spitzenreiter TSV Klausdorf?
Tja, Elf Freunde müsst Ihr sein trifft es zumindest ansatzweise, aber erstens sind wir mehr als elf Spieler und mein Funktionsteam gehört auch unbedingt dazu und zweitens steckt eine Menge harter Arbeit dahinter. Die Mannschaft ist nach und nach zusammengewachsen, wir haben vor der Saison 12 Neuzugänge aus unterklassigen Ligen dazu bekommen und bis das Team meine Spielphilosophie verstanden und umgesetzt hat dauert es halt seine Zeit. Dazu kommt der erhöhte Trainingsaufwand und ein modernes Spielsystem. Aber es macht mir Spaß mit jungen, lernwilligen Spielern zu arbeiten, sie zu formen und sie Stück für Stück zu verbessern. Das sind einfach die Spielertypen mit denen ich gerne arbeite. Die Jungs entwickeln mit der Zeit Charakter und selbst den einen oder anderen „Pflegefall“ haben wir uns wieder zurecht gebogen.

Müsst Ihr denn aufsteigen, so kurz vor dem Ende der Saison ist der Aufstieg greifbar nah?
Nein, wir müssen nicht aufsteigen, dass war auch nicht unser primäres Ziel. Natürlich schielt man nach dem Platz an der Sonne und ich sage den Spielern nicht, wir wollen um Platz 5 spielen, aber ein weiteres Jahr Verbandsliga haben meine Jungs intern auch schon abgenickt.

Die Schleswig-Holstein Liga ist aber ein anderes Kaliber, der TSV Bordesholm ist schon einmal, nach einem Jahr Zugehörigkeit, wieder abgestiegen.
Das ist richtig und wir sind auch schon im Gespräch mit talentierten Leuten um uns zu verstärken, aber auch das sind wieder Spieler, die diese Spielklasse nicht kennen. Nur so kann man heute bestehen, Fußball ist immer noch ein Breitensport. Und dann sind wir wieder beim Thema Kameradschaft und nicht beim Thema Geld. Was meinen Sie wenn der eine Spieler in der Kabine erzählt, er bekommt 500 Euro im Monat und der andere bekommt nur 300? Dann können Sie Ihre elf Freunde aber getrost in die Tonne treten. Wie gesagt, wir würden den Aufstieg gerne mitnehmen, schon alleine wegen der Feier, aber wenn es nicht klappt haben wir trotzdem eine tolle Saison gespielt.

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Rainer Flick

Rainer Flick, Jahrgang 1961, zieht in seiner knapp bemessenen Freizeit immer noch die Fäden im Mittelfeld der Altliga Truppe des SV Wasbek. Der bekennende Hefeweizen Fan "beackert" jetzt für BTB den Fussballrasen Schleswig-Holsteins und hakt nach dem Motto "Hab` ich`s doch gewusst" kritisch nach.