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Patschinski, Großkopf, Spielerflucht: Vicky-Manager Sven Piel im Interview

Sven Piel (30) ist seit März 2014 Manager beim SC Victoria. Doch irgendwie läuft’s noch nicht so richtig rund im Business Fussball. Jetzt will er dem Verein seine Handschrift aufstempeln. Wir bilanzierten bei Tomatensuppe den mäßigen Auftakt ins Geschäft, wie weit die Verhandlungen mit Nico Patschinski sind und was das Treffen mit Fussballlehrer Jörn Großkopf auf sich hatte.

Herr Piel, Blankenese abgestiegen, Victoria abgestiegen. Und Sie haben Ihren Anteil daran. Es gibt bessere Managerzeugnisse.
Das sehe ich weniger dramatischer als man sich das vorstellt. Mir ist wichtiger, eine Entwicklung zu sehen. Bei Blankenese ist sie zur Zeit gegenläufig und man hat gemerkt, dass man ohne Entwicklung nicht in die Liga gehört und es einen wahnsinnigen Kraftakt bedarf und man ist, so meine ich im Umfeld gehört zu haben, nicht undankbar wieder in die Landesliga zu gehen. Bei Victoria ist es ebenso fast lebensrettend, sich wieder zu konsolidieren und den Kader umzustrukturieren. Ich kann erst Ergebnisse präsentieren, wenn etwas Zeit verlaufen ist. Und nur weil das Zeugnis jetzt vielleicht schlecht aussieht, muss es nicht immer so weitergehen. Ich traue mir auch zu in Zukunft in der Regionalliga zu arbeiten. Wir werden, und da bin ich nicht übermütig, im oberen Drittel einlaufen, sonst hätten wir uns derbe verrechnet. Und dann schauen wir mal, ob man nach der Saison wieder mehr Konkurrenzfähigkeit für die Regionalliga hat als vergangene Saison.

Doch Ihnen laufen die Spieler weg: Robert Subasic, Michael Sara, Jakob Sachs, Tim Grundmann, Andreas Brück, Maxi Rohrbach, Mo Labiadh und Benny Hoose sind bereits verabschiedet, andere wollen weg. Ist „Vicky“ nicht mehr sexy?
Ich habe klare Vorstellungen vom Kader. Warum man sich von einigen Spielern trennt, kann ja verschiedenste Gründe haben. Die zurückliegende Saison hat einfach gezeigt, dass das Kollektiv so nicht funktoniert hat. Das war offensichtlich, deshalb muss es umgebaut werden. Wir brauchen neue Kräfte auf der Achse, die Führungsqualität haben und junge Spiele mitnehmen. Und offensiv brauchen wir definitiv Material, weil unverkennbar ist, dass es deutlich zu wenig Tore auf der Habenseite waren. Der Kader bekommt nun meine Handschrift.

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Also gehen Sie mit unserer Meinung konform, wenn wir sagen: Die letzten Verpflichtungen waren alles Flops!
Ich will die Arbeit meines Vorgängers nicht beurteilen. Aber wir sind uns alle einig, dass es nicht gefruchtet hat. Ich habe die Vorstellung von mehr Struktur. Wir hatten zu viele Spieler, die vom eigenen Denken her Leistungsträger sein wollten. Aber wir brauchen mehr Tiefe. Ich brauche nicht 22 gleichwertige Spieler, sondern Struktur in Form von Leistungsträgern, Arbeitern und Ergänzungsspielern mit Entwicklungspotenzial. Diese angestrebte Konstellation weicht dann zum Kader der letzten Saison ab.

Victorias Transferphilosophie ist seit Jahren von Sparsamkeit geprägt. Wie wollen Sie da ein Meisterteam bauen?
Der Kader wird auch dieses Jahr mit Regionalliga-Persektive zusammengestellt. Ich will nun nicht in die Oberliga gehen und im Falle eines Wiederaufstiegs wieder komplett umbauen müssen. Wenn man es auf einzelnen Positionen nicht hinbekommt, dann hat die Oberliga nun natürlich den Charme, dass wir ein Jahr Anlaufzeit haben zur Entwicklung. Stand jetzt haben wir nur falsche Neuner verpflichtet und keinen echten Stürmer. Da müssen wir noch flexibel werden. Nur gibt der Hamburger Markt wenig her. Wir brauchen auf jeden Fall einen, der Tore macht. Alteingesessen oder talentiert ist dabei beides willkommen.

Alteingesessen wäre Nico Patschinski. Nach unseren Informationen stehen Sie mit dem Ex-Profi auch wieder in regem Kontakt.
Ihn könnte ich mir perfekt vorstellen. Wir haben uns unterhalten. Er wäre eine gute Alternative für uns. Er kann Tore schießen, nimmt die Truppe mit und verleiht ihr Struktur. Und vor allem könnten wir ihm einen jungen Spieler an die Seite stellen, der lernen kann und sich mit so einem – positiv gesagt – „alten, abgezockten Sack“ sehr gut entwickeln könnte. Ich habe aber auch B-Lösungen. Wir sind nicht auf diesen Transfer angewiesen, ich mache aber keinen Hehl daraus, dass wir gesprochen haben. Nur eine Lösung gab es nicht.

Sie werden um Patschinski kämpfen?
Die Verhandlungen mit dem Niendorfer TSV sind nicht so gelaufen, dass sich da etwas ergeben konnte. Wenn es noch klappen sollte, wäre es eine coole Geschichte, aber die Chancen stehen eher schlecht. Es gibt Dinge, die nicht einsehbar sind. Und es scheint, als fänden wir keinen gemeinsamen Nenner.

 

Wir wissen ebenfalls, dass Sie sich mit Trainer Jörn Großkopf getroffen haben. Zweifelt man am derzeitigen Trainer Lutz Göttling?
Das war alleine der Thematik geschuldet, dass Spieler beim VFL93 frei werden und manche für uns interessant gewesen wären. Jörn war einst mein Trainer und somit tauschen wir uns auch aus über Spieler. Lutz Göttling hat Vertrag und wird nächstes Jahr definitiv unser Trainer sein. Wir suchen lediglich einen Co-Trainer für ihn. Und auch einen solchen könnte man am Borgweg finden.

Altona und Dassendorf haben hochkarätig verpflichtet. Inwieweit könnte das Ihre Aufstiegspläne gefährden?
Es führt doch dazu, dass alle die Liga ernst nehmen. Wir arbeiten akribisch am Kader, sodass er nicht nur gegen untere Teams besteht, sondern auch in der Spitzengruppe beständig ist. Sport macht doch auch keinen Spaß, wenn man so durchmarschiert. Man will sich messen lassen. Und auch ich will sehen, ob meine Arbeit richtig war. Ich will lieber in einer Oberliga bestehen, wo alle sagen: „Die Liga war stark.“

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Ihr Ziel ist der Wiederaufstieg?
Wir können ihn anpeilen, sowohl von der Lizenzierung als auch vom Kader. Kurzfristig gesehen steht aber im Vordergrund die Mannschaft nach zwei Jahren Abstiegskampf wieder auf Kurs zu bringen. Tabellarisch will ich da gar kein Ziel ausgeben. Selbst wenn wir nicht ganz oben stehen, kann das eine hilfreiche Saison werden.

Zumal auch Platz Neun zum Aufstieg reichen wird, weil kein Verein, außer der SC Victoria, den Sprung in die Regionalliga wagen wird.
Stand jetzt wäre das der Fall, ja. Mit meinem Wissensstand wird wohl auch nächstes Jahr keine Mannschaft melden. Aber wer weiß schon, wie die handelnden Personen denken, wenn ihre Mannschaft losmarschiert. Wir wissen, dass es eine starke Oberliga wird, in der man nicht so durchrutscht. Also einstellungstechnisch sollten wir da keine Probleme kriegen.

Sie wurden erst im März ins Amt gehoben und zum Ronald-Lotz-Nachfolger gemacht. Wie verliefen eigentlich die ersten Monate?
Menschlich fühle ich mich überragend aufgehoben und habe das Gefühl schon ewig da zu sein. Ich bewege mich wie zu Hause. Ich komme mit allen gut aus und genieße eine tolle Zusammenarbeit mit Ronald Lotz. Allerdings hätte ich gehofft etwas mehr bewirken zu können. Ich hätte gerne mehr Impulse gegeben, dass man vielleicht sportlich nochmal die Kurve bekommt. Das ist deutlich gescheitert. Es hat zwar nun keinen negativen Trend genommen, aber ist eben so la la zu Ende gelaufen. Wir haben uns Mühe gegeben, aber es hat nicht geklappt. Ich hätte mir gewünscht, dass der Wechsel von Ronald Lotz zu mir so ein bisschen den Effekt eines Trainerwechsels hat und die Mannschaft wachrüttelt und Aufbruchsstimmung initiiert. Kurzfristig hat das geklappt, aber letztlich ist es ja eklatant ausgegangen. Wenn wir im Oktober hier sitzen und über den Saisonstart reden sowie und die Präsentation des Teams auf dem Platz, wird man sehen ob es besser ist als zuletzt.

Harry Jurkschat

Seit Gründung mit auf dem brennenden BTB-Rasen. Im Gegensatz zu Semmler ist Jurkschat smart. Eine Mischung aus Mehmet Scholl und Günter Netzer. Der ewig 31-Jährige Insiderexperte harmoniert sich von Meppen bis Kiel, ist der Ausbügler und Staubsauger in der 2. Reihe. Dazu kommt aufgrund internationaler Fussball-Erfahrung (6 Länderspiele für Deutschland) Know-How im Wesentlichen. Manko: Bisweilen zu symphatisch und häufig mit den Sekretärinnen beschäftigt.