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Das große Interview mit Torsten Gütschow

„Unser Klinsmann“ hauchte DDR-Kind Benny Semmler bei den redaktionellen Vorbereitungen des Gütschow-Interviews. Der einstige Stürmerstar aus Dresden sprach mit BLOG-TRIFFT-BALL aber nicht über Ketwurst und Trabant, sondern über seine neue Aufgabe in Neustrelitz.

 

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Herr Gütschow, ihre ersten Wochen als TSG Trainer sind Geschichte. Mal ganz unprätentiös gefragt: Wie läuft`s?
Ja, es läuft doch ganz gut. Ich bin zufrieden, die Mannschaft zieht mit, bereitet im Training mit ihrem Einsatz viel Freunde. Das lässt sich alles schon ganz gut ansehen, nach meinen ersten fünf Wochen.

Vor ein paar Wochen schlugen Sie mit einem 1:0 den FC Energie Cottbus. Die machten jetzt mit Osnabrück zum Drittligaauftakt kurzen Prozess. Das klingt doch vielversprechend.
Wissen Sie, ich glaube dass man ein Testspiel nie mit einem Freundschaftsspiel vergleichen kann. Da ist einfach ein ganz anderer Ernst dabei, bei dem der Außenseiter meistens einen psychologischen Vorteil besitzt. Gegen Cottbus haben wir vieles davon umgesetzt, was wir uns in der täglichen Arbeit vorgenommen haben. Allerdings muss man immer beachten, in welchen Kontext so ein Spiel stattfand.

Nicht so vielversprechend war für viele TSG-Fans die Sommerpause. Langjährige Stützen der TSG verließen den Verein, suchten neue Herausforderungen. Trotzdem haben Sie unterschrieben. Warum?
Weil es eine tolle Herausforderung ist. Eine Aufgabe, die vor allem deshalb so lukrativ ist, weil ich etwas mit unserer Mannschaft entstehen lassen kann. Ich kann junge Talente entwickeln und etwas komplett Neues aufbauen. Das reizt mich als Trainer unwahrscheinlich.

Mit Dino Medjedovic ging ein wichtiger Spieler aus dem Vorjahr zu Thomas Brdaric. Haben Sie sich ein paar Informationen von ihm über das letzte Jahr geholt?
Wenn ich Tipps brauche, dann melde ich mich in der Regel bei erfahrenen Kollegen wie Peter Neururer und „Kalli“ Feldkamp. Das soll nicht abwertend gegenüber Herr Brdaric zu verstehen sein, der wirklich sehr große Arbeit hier geleistet hat. Dazu kommt aber, dass viele Spieler den Verein verlassen haben. Herr Brdaric hatte demnach eine ganz andere Mannschaft zur Verfügung, als ich sie nun habe. Deshalb gibt es denke ich kaum Tipps, mit denen mich Herr Brdaric unterstützen könnte.

Kommen wir zurück zur Mannschaft. Lange dominierten ja eher „No-Name“ Neuzugänge die Schlagzeilen. Dann kamen mit Steve Müller und Marcel Schied zwei Kracher. Wie ordnet man da die Teamchemie?
Zunächst einmal bin ich doch sehr froh darüber, dass wir Spieler wie Steve Müller und Marcel Schied verpflichten konnten. Beide sind absolute Führungsspieler, die ihre Aufgaben so interpretieren, wie ich es  mir vorgestellt habe. Sie gehen voran, ziehen die Mitspieler in schwierigen Situationen, wie im Landespokal, mit und lassen sie – das ist vielleicht dass Wichtigste – an ihrem weitreichenden Erfahrungsschatz teilhaben.

Kann es für Sie eigentlich ein Vorteil sein, dass Ihre Mannschaft so einer großen Fluktuation unterlag. Immerhin mindert das doch den Druck, der auf Ihnen lastet.
Das kann man so sehen. Ich bin auch dankbar dafür, dass der Verein offen kommunizierte, mir die nötige Zeit für die Entwicklung der Mannschaft zu geben. Die Truppe muss schließlich erst einmal für den Liga-Alltag stabilisiert werden. Dennoch, und das ist mir besonders wichtig, gehen wir nicht ziellos und ohne Ansprüche in die  Saison. Wir wollen schon im oberen Bereich mitspielen, dass wurde auch so vom Verein vorgegeben und  entspricht definitiv auch meinen Ansprüchen.

Heißt in Zahlen ausgedrückt?
Es sollte schon eine Platzierung in der oberen Tabellenhälfte sein. Platz 5 bis 10 ist die grobe Erwartungshaltung, die der Verein und ich an unsere Mannschaft weitergegeben haben.

Sehen Sie ein Szenario, in dem die TSG Neustrelitz in den Abstiegskampf geraten könnte?
Nein, so eine düstere Perspektive sehe ich zurzeit nicht. Im Fußball ist sicherlich vieles möglich, dass muss ich ja nicht ausführlich erklären. Und ja, es ist davon auszugehen, dass es etwaige Rückschläge geben wird. Aber diese werden wir verkraften und dementsprechend in Erfolge ummünzen. Die Mannschaft, so ist mein Eindruck, ist zu gut, um vor der Saison Bange zu sein.

Erfolge Torsten Gütschow

  • DDR-Meister 1989, 1990
  • DDR-Pokalsieger 1984, 1985, 1990
  • DDR-Oberliga-Torschützenkönig 1989, 1990, 1991
  • NOFV-Fußballer des Jahres 1991
  • Türkischer Fußballmeister 1993

Herr Gütschow, nach dem Sportlichen Klein-Klein noch ein paar kurze Fragen zu Ihrer Person. Zu allererst, um den fließenden Übergang zu ermöglichen: Welchen Fußball lässt der Trainer Gütschow am liebsten spielen?
Am liebsten offensiv und mit 8:0-Siegen. Aber mal ganz ohne Spaß: Ja, der Idealzustand lässt sich schon sehen. Wichtig ist aber erst einmal die Grundarbeit und diese verlangt nun einmal die defensive Kompaktheit. Ich erzähle Ihnen zwar nichts Neues, aber Spiele werden halt in der Defensive gewonnen.

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Ihr Manager, Herr Bornemann, ist bekennender Bayern-Fan. Halten Sie es auch mit den Roten, oder doch ganz nach ihrer Dresdner Vergangegenheit mit dem Schwarzgelb der Borussen?
Natürlich bin ich irgendwo noch immer ein Dynamo, der selbstredend mit den schwarz-gelben Farben bestens vertraut ist. Bei den besagten Spitzenteams ist es anders. Wie auch Herr Bornemann, bin ich, ganz unabhängig von seiner Bayern-Leidenschaft, ebenfalls dem Münchner Lager zuzuordnen. Seit eh und je übrigens.

Und zum Schluss: Lieber ein Mecklenburger Siegerbier oder Siegerwein?
Wenn ich auf einen Sieg anstoße, dann bitte mit einem sächsischen Radeberger.

Als Aktiver verbrachte Torsten Gütschow gut 15 Jahre im Dress von Dynamo Dresden. Um 1992 wechselte er für ein halbes Jahr zu Galatasaray Istanbul, wo er in 15 Spielen zehn Tore erzielte und türkischer Meister wurde.

Hannes Hilbrecht

Hannes Hilbrecht schreibt und schrieb nebenbei für ZEIT ONLINE, NDR.de und den Berliner Tagesspiegel. Füllt ein Marketing-Magazin mit Liebe (GrowSmarter.de) Und er liest eine spannende Case Story genauso gerne wie den neuen Roman von Ralf Rothmann.