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Hansas Saisonauftakt: Ein warmer Regen

Was ein Fußballspiel! In einer dramatischen Offensivschlacht feierte der FC Hansa einen gelungenen Start in die Saison und schlug wackere Preußen mit 4:3. Dass aus dem zwischenzeitlichen 4:1 noch ein 4:3 wurde, bewertet BTB-Autor Hannes Hilbrecht in seiner Analyse nicht als Makel, sondern gewinnt dem Umstand etwas Positives ab.

Foto: hammoniaview.de

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Ja, das Donnergrummeln und der melodisch prasselnde Regen am Sonntag Nachmittag über Rostock wirkte befreiend. Die Abkühlung nach sengenden, schweißdurchnässten Tagen in schwülen Luftschweben wurde an der Küste mit Kusshand entgegengenommen. Auch, weil die Luft nur in einiger Ferne vibrierte und sich das Gewitter über der Stadt vor allem aufs Regnen beschränkte.

Sengende, gar belastend drückende Monate hatte auch der FC Hansa zu überstehen. Ganz unabhängig von der Wetterlage im schönen Rostock. Finanzielle Sorgen, der sportliche Abflug von und mit Andreas Bergmann, das schüttelfröstige Zittern, als mal wieder das Wort „Klassenerhalt“ den Weg in die Zeitungen fand. Ein schweres halbes Jahr,  prall gefüllt wie ein reichhaltiges Potpourri, lag hinter dem FC Hansa, als es am Sonntag zu Preußen Münster ging.

Und ja, auch viele hundert Kilometer von Rostock entfernt zog ein wüstes Gewitter auf. Ein Gewitter, das den Hanseaten die besagte positive Abkühlung verschaffte. Die Flügelzange Bickel-Blacha stürmte über die Außen, entfesselte Windböen wie zuletzt beim 4:2-Erfolg gegenüber Jahn Regensburg vor gut zehn Monaten.

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Leidenschaft gepaart mit Spielwitz und Kreativität, die sich auch dank des emsigen Savrans in einer schnellen 2:0-Führung äußerte, hatte man bei Spielen des FC Hansa Rostock auf der Seite der „Guten“ schon lange vermisst. Als dann auch noch der überragende Bickel, ein fast gleichaltriger Klon zu Tobias Jänicke, den Ball wie ein Blitzeinschlag zum 4:1 ins Netz der Preußen drosch, war sie endlich wieder da. Die Leichtigkeit des Hansafan-Seins, die Freude an Mannschaft und Spiel. Arvid und Helmar, das rotzig sympathische Duo an den Mikrofonen des Hansa-Fanradios, johlten im Jubeltrank wie kleine Kinder bei der ersten Geburtstagssause. Das war authentisch, das war echt. Ja, das bereitete Freude.

Nicht weit entfernt von der jubelnden Rostocker Korrespondenz, das Gegenprogramm: „Ein Spiel, für das man einen Flachmann braucht.“, grunzte der Fanreporter der Münsteraner ins Mikro. Klagende Worte, die mit bittersüßem Witz ein kleines bisschen wohliger klangen, als sie eigentlich gemeint waren. Die erste Halbzeit, so viel stand um 15:48 fest, war eine aus Münsteraner Sicht katastrophale Episode gewesen. „Entwurzelte Bäume sind ein Scheißdreck dagegen.“, hätte der Fanreporter wohl off-record gewettert, wenn er sich in seiner Wortwahl am Duktus meiner Wetterparabel orientiert hätte.

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Der Fußball, und das ist das Wunderschöne an ihm, lebt aber nicht nur in eine Richtung. Stimmungen können sich drehen, manchmal in Sekunden, manchmal nach vielen Minuten. Als der beste Münsteraner, der wendige Sportsfreund Piossek, einen Freistoß ins Rostocker schlenzte, war es der Richtungswechsel der Wetterfront. Statt warmen Regen, der sich bisher in Kübeln sanft über den Häuptern der Rostocker ergossen hatte, gab es nun Hagel, Sturm und Donnergetöse aus dunklen Wolken. Die Münsteraner verkürzten auf 3:4, sangen auf einmal aus von der Angst befreiten Kehlen.  Die Stimmung im Stadion, zuvor mit Ausnahme der Rostocker Sektion fast schon narkotische Ausmaße annehmend, hatte sich komplett gedreht.

Auf einmal beklemmte wieder die Angst, regierten wieder die Sorgen. Manch Hansa-Fan wird sich mit geschwollener Brust an das Wunder von Karlsruhe erinnert haben, als eine vermeintlich unterlegene Mannschaft ein 0:3 und 1:4 in den Schlussakkorden des Spiels noch ausglich. Der Fußball ist dann für die einen die gemeinste, für die anderen aber die schönste Nebensache der Welt.

Ein 4:4, so viel scheint rückblickend klar, wäre ein Blitzeinschlag mit der Folge eines möglichen Flächenbrands gewesen. Ein Brand, der in Anbetracht der jungen Saisonphase schnell gelöscht worden wäre. Aber jeder, der einmal mit dem Feuer spielte, wird wissen, wie schnell eine Narbe aus dem Leichtsinn geboren werden kann.

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Leichtsinnig waren die Rostocker in der zweiten Halbzeit. Sicherlich nicht überbordend und übermäßig eine Notsituation provozierend, aber dennoch spürbar. Beispielsweise als Christian Bickel Stürmer Savran zu schön bedienen wollte und die Chance zum 5:1 verstreichen ließ. Als man sich als Mannschaft dazu entschied, den Gegner anlaufen zu lassen. Als man passiv wurde.
Es blieb, und auch das spricht für eine  gewisse neue Klasse, beim lauten Donnerhall nach dem 3:4.

Und ja, das war vielleicht sogar  das bestmögliche Resultat. Die Mannschaft wurde geerdet ohne Schaden genommen zu haben. Ein 4:3, vor allem auswärts bei einem starken Gegner, ist noch immer ein fantastischer Sieg. Aber kein Erfolg, der zum Höhenwahn animiert. Ein Sieg, der Schwächen milde offenbarte und somit weit mehr nützlich ist als ein rauschender Kantersieg. Der Pendenzen zur Weiterentwicklung aufzeigte. Peter Vollmann brachte es auf der anschließen Pressekonferenz auf den Punkt: “Wir müssen froh sein, dass wir das Spiel mit einem Sieg über die Runden gebracht haben.“ Lobte und mahne zugleich: „Drei Gegentore aus Standardsituationen dürfen uns nicht passieren. Trotzdem ist der Sieg hier in Münster natürlich eine tolle Sache für uns.”

Ja, der Saisonauftakt war in der Tat ein gelungener. Und auch wenn der Wetterbericht der kommenden Woche manch Regenschauer für die Warnowstadt prognostiziert- zumindest über dem Hansaviertel wird nach langer Zeit mal wieder durchgängig die metaphorische Sonne scheinen.

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Hannes Hilbrecht

Hannes Hilbrecht schreibt und schrieb nebenbei für ZEIT ONLINE, NDR.de und den Berliner Tagesspiegel. Füllt ein Marketing-Magazin mit Liebe (GrowSmarter.de) Und er liest eine spannende Case Story genauso gerne wie den neuen Roman von Ralf Rothmann.