VfR Neumünster: „Ein Außenseiter ohne Angst“
Freitag Abend startet die Regionalliga Nord in Norderstedt. Wir sprachen vorab mit Uwe Erkenbrecher. Und der lobt seinen Kollegen Seeliger wie sonst wohl nur wenige.
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Die Sonne stand grell über den Himmel von Norderstedt, als ein aufmerksamer Kiebitz das erste Mal seine Notizen ordnete. Das Gesicht mallorquinisch gebräunt, das Hemd leicht aufgekrempelt und die Augen aufgrund der einfallenden Sonnenstrahlen zu schmalen Schlitzen gekniffen, stand Neumünsters-Hoffnungsträger Uwe Erkenbrecher am Spielfeldrand und registrierte ernsten Blickes die Spielkultur seines Regionalliga-Auftaktgegners.
Dieser hatte mit den Oberligisten SV Rugenbergen nur partiell Probleme. Erkenbrecher sah eine Mannschaft, die trotz langer Vorbereitung spritzig in den Zweikämpfen war. Die auch gedanklich dem Gegner ein Stück voraus eilte und immer wieder über die offene Brachstelle im gegnerischen Deckungsverbund attackierte. Das 5:0 war demnach viel mehr eine Randnotiz, die lediglich schemenhaft die Souveränität der Norderstedter Eintracht suggerierte. Das machte bereits in der Halbzeit Eindruck, wie Erkenbrecher zum damaligen Zeitpunkt bestätigte: „Die spielen schon sehr diszipliniert.“, adelte „Erke“ mehr, als es der eigentlich Wortlaut vermuten ließ.
Eine Woche später klingen die Worte Erkenbrechers schon deutlich optimistischer. Was nicht unbedingt an einem „möglichen“ Schwächeeinbruch des ersten Saisongegners liegt, sondern viel mehr an der Tatsache, dass der Auftakt des VfR Neumünsters unabhängig vom Regionalliga-Start schon einmal erfolgreich verlief. Der Sieg im Landespokal bei Flensburg 08, der erst in der Schlussphase feste Konturen annahm, scheint Last von den Schultern genommen zu haben. „So ein Sieg, der ja letztlich nur vom Ergebnis knapp war, gibt auf jeden Fall Rückenwind.“ knarzt der 59-Jährige im trockenem, aber durchaus freundlichen Norddeutsch ins Telefon.
In der Tat war die Leistung gegen den ambitionierten Fünftligisten aus Flensburg aus Neumünsteraner Sicht erheiternd. Die Mannschaft spielte trotz akuten Personalmangels (nur 14 Mann im Kader) überlegen, trotzte der sengenden Hitze und agierte über weite Strecken in dominierender Manier. Der erste Torerfolg sprang allerdings erst in der 80. Minute heraus, Abou-Khali hatte per Kopf verwandelt. Die restlichen beiden Tore, freundschaftlich in der Nachspielzeit geteilt, waren da nur noch entscheidende und verkürzende Ergebniskosmetik. Nicht mehr als ein Pflichtsieg, der aufgrund seiner Begleitumstände ein bisschen in seiner Wertigkeit anstieg.
Ein Sieg, der aber wenig an der Rollenverteilung für das morgige Auftaktduell im schmucken Norderstedter Stadion ändert: „Wir sind klarer Außenseiter, da darf sich niemand Illusionen machen. Aber ein Außenseiter, der keine Angst haben wird.“, bekennt Erkenbrecher offen.
Der Mut, der in Erkenbrechers Worten nichtsdestotrotz mitschwingt, trägt vor allem zwei Namen. Siim Tenno und Reio Laabus heißen die beiden Estland-Importe, deren Spielberechtigung im Laufe der Woche endlich einging. Beide sollen das zentrale Gerüst der Rasensportler bilden, den Gegner in diesem wichtigen Feld Matt stellen. Im besten Fall, versteht sich.
Erst in dieser Woche landeten mit Kevin Pino Tellez (RW Essen) und Nils Winter (VfL Wolfsburg) zwei ebenfalls vielversprechende Personalien im lila-weißen Lager.
Ob gleich alle Neuen ihr Pflichtspieldebüt in der Startelf feiern werden, lässt Erkenbrecher nicht durchblicken. „Ich werde meine Karten doch nicht vor dem Spiel offenlegen.“, bekräftigt der emsige Fußballlehrer forsch. Das Blatt jedenfalls, in Flensburg noch mit spärlichen Spieloptionen gesäumt, hat sich unabhängig vom Gegner verbessert. Das erste Mal kann in Neumünster schließlich ausgewählt werden, wer in den Kader kommt und wer zuhause bleiben muss.
Einen Luxus, den der morgige Gastgeber nur allzu kennt. Die Norderstedter, im letzten Jahr eine überragende Rückrunde spielend, haben sich im Vergleich zum Vorjahr nochmals verstärkt, gelten in einigen Expertenkreisen sogar als Team mit erhöhtem Überraschungspotenzial. Ein Umstand, den Erkenbrecher vor allem am Eintracht-Trainer Thomas Seliger festmacht. „Norderstedt hat einen Trainer, der konsequent seine Idee vom Fußball verwirklicht. Ich glaube, man spricht in solchen Fällen mittlerweile vom Konzepttrainer.“
Mindestens ein Punkt soll aber trotzdem her, wie Erkenbrecher anspielend auf seinen Trainerkollegen die Zielstellung vorgibt: „Wir wollen etwas mitnehmen, ohne dass es Thomas merkt. Ich denke, dass unsere Jungs das Zeug dafür haben.“