Top

Großaspach. Ebenbürtig. Puuh.

Der FC Hansa hat ein mehr schlechtes als rechtes 4:4 von Regensburg in den Knochen. BLOG-TRIFFT-BALL-Reporter Hannes Hilbrecht schnaubte heute zur Hansa-Pressekonferenz und war überrascht. Er hatte sich ein schlechteres Stimmungsbild ausgemalt.

Foto: noveski.com

Imagefilme für Rostock und Mecklenburg-Vorpommern

Wer ist nun besser, Andrea Berg oder Helene Fischer? Zugegeben, diese Frage wirkt ziemlich suspekt im Rahmen eines Fußballartikels. Auch wenn Schlager-Bardin Helene Fischer demnächst tatsächlich eine Rolle im Ostseestadion spielen wird – als großer Sommer-Showact im kommenden Jahr.

Tatsächlich aber wurde über diese Frage philosophiert, Peter Vollmann bekannte im Rahmen der Pressekonferenz, dass das Autoradio nicht zwangsläufig abgeschaltet wird, wenn Andrea Berg den Weg in die Playlist findet.

Das darüber nach der unüblichen Medienrunde an einem Montag gesprochen wurde, hatte allerdings seinen Grund. Und zwar besitzt dieser eine Assoziation zum Gegner. Schließlich gastiert am morgigen Dienstag Sonnenhof-Macher Uli Ferber, der Ehemann von Dorffest-Beschallungsqueen Andrea Berg, mit seinen Drittliga-Aufsteigern in Rostock.

Was diese lockere und flachse Unterredung besonders machte, ist der Kontext, in dem diese stattfand. Der FC Hansa, so viel weiß man nach dem kuriosen, teils spektakulären, vor allem aber auch höchst unnötigen 4:4-Remis von Regensburg, ist als Fehlstarter in die Saison eingestiegen. Oder, um es dramatisch überspitzter auszudrücken, so schlecht wie noch nie in eine Drittliga-Spielzeit gestartet.

Im Jahr 2010, dem Debütjahr im drittklassigen Fußball, waren es nach fünf Spieltagen zwölf Punkte, zwei Jahre später immerhin sieben und im letzten Jahr ganze zehn Zähler. Fünf Punkte, zusammensetzend aus einer famosen Halbzeit zum Saisonauftakt und zwei Last-Minute Remis, stellten da schon eine Ernüchterung dar.

Von Wehleidigkeit, wie der FC Hansa Rostock sie aus den letzten Jahren nur allzu kennt, ist im medialen Umfeld und beim Cheftrainer – zumindest öffentlich – noch nichts zu spüren. Auch zu registrieren an den kleinen Dingen des Fußballalltags. Wie eine Unterredung über Andrea Berg und Helene Fischer.

Peter Vollmann zeigte sich entspannt und in gewohnt anwortstarker Manier. Dabei jedoch reichlich Respekt vor dem Gegner schürte: „Es wird, wie in jeder Partie in Liga 3, eine 50:50 Begegnung“, so Vollmann, der am Vormittag eine mehr regenerative als fordernde Trainingseinheit absolviert hatte. Machte Mut, in dem er weiteres Verbesserungspotenzial von Tor-Held Ziemer anmerkte: „Er kommt bei uns immer besser in Fahrt, wir können ihn immer weiter auf die Spiele loslassen.“

Im Ohr blieb aber vor allem das mit dem Fifty-Fifty. Worte des Respekts, die vernünftig und wahr klingen, jedoch auch etwas anderes  ausdrücken. Großaspach ist ebenbürtig. Großaspach. Ebenbürtig. Puuh.

Das hört sich zunächst jedoch schlimmer an, als es in Wahrheit ist. Der momentan Zwölftplatzierte ist nämlich ein Klub mit nettem Stadion und profitauglichen Strukturen. Ein Verein mit einem ordentlichen Sponsoring-Pool im Rücken, halt einer der vielen südwestlichen Klubs, die mit aller Kraft in den Profifußball drängen.

Dennoch ist es irgendwo die SG Sonnenhof-Großaspach. Ein Klub, der sich zwar stetig entwickelte, aber dem konsequent nach oben schielenden Rostocker Fußballfan verborgen blieb.

Großaspach. Ein 50/50 Spiel. Schwer begreiflich, aber die triste Rostocker Realität. Zumindest in der derzeitigen Verfassung. Dabei ist der Gegner vielleicht sogar der Unangenehmste, den der FC Hansa im derzeitigen Drehbuch-Verlauf blühen konnte. Denn Großaspach schreit vermeintlich nach einem Rostocker Sieg. Zumindest in den Einschätzungen der Fans, die dem Verein wohl auch Morgen, trotz Ferienende und Dienstagabend, in einer verhältnismäßig großen Anzahl unterstützen werden. 9000 Zuschauer werden schließlich erwartet. Eine gute Zahl, die, vor allem in Anbetracht der zuletzt drögen Heimbilanz, sogar die Aussagen über die neue Mission #10.000 ein wenig entsüßt. Schließlich hatten die Ostseestädter bisher stets für die Mission #15000plus Gäste geworben, nun aber eine deutliche Korrektur nach unten über seine sozialen Kanäle verlauten lassen.

Die Fans erwarten trotzdem nichts mehr als den Heim-Sieg, vor allem nach acht Monaten im eigenen Stadion, die lediglich von knappen Niederlagen und bitteren Remis gesäumt waren. Der erst der fünfte Erfolg im gesamten Hansa-Jahr 2014 wäre. Ein Erfolg, der für Vollmann und den Verein besonders wichtig ist.

Zwar sitzt der Hansa-Trainer sicher im Sattel und genießt bei vielen Anhängern das Vertrauen, ist dazu der absolute Wunsch-Trainer des Vereinschefs und weiß auch eine erstaunlich ruhige „BILD“, die Vorgänger wie Wolfgang Wolf und Andreas Bergmann immer wieder zusätzlich unter Druck setzte, im nicht kleinen Kreise der von ihm Überzeugten.

Dennoch ist das morgige Spiel gefährlich. Es geht nämlich nicht gegen Bielefeld oder Osnabrück, sondern gegen einen Verein, der trotz hervorragender Arbeit nicht das Standing besitzt, um einen Misserfolg zu entschuldigen.

Imagefilme für Rostock und Mecklenburg-Vorpommern

Eine Niederlage, unter wahrscheinlichen Umständen auch ein Remis, wäre zu wenig und ließe die Gefahr weiter steigen, die zweite enttäuschende Englische Woche zu absolvieren. Dieses Mal jedoch nicht gegen renommierte Klubs wie Wiesbaden oder Erfurt, sondern gegen ein Ensemble an Abstiegskandidaten.

Die Diskrepanzen in der  möglichen Bewertung des Spiels sind so groß wie noch nie in dieser Saison. Ein Sieg, egal in welcher Form, trägt die Euphorie der beendeten Negativ-Serie mit sich. Ein Remis, gar eine Niederlage, würden vermutlich erstmalig wieder Begriffe wie Krise und „kritische“ Phase ins Vokabular der Pressekonferenzen spülen.

Zu hören waren diese heute noch nicht. Andrea Berg sei Dank.

Hannes Hilbrecht

Hannes Hilbrecht schreibt und schrieb nebenbei für ZEIT ONLINE, NDR.de und den Berliner Tagesspiegel. Füllt ein Marketing-Magazin mit Liebe (GrowSmarter.de) Und er liest eine spannende Case Story genauso gerne wie den neuen Roman von Ralf Rothmann.