BTB streitet: Ist Vollmann der große Fehlgriff?
Neu im gut sortierten BTB-Sortiment, direkt neben dem Leergutautomaten, die streitwütige Debatte. Ein Duo aus dem Haupttrio diskutiert über DIE Frage des Wochenendes. In diesem Falle: Benny Semmler und Hannes Hilbrecht über Peter Vollmann. Die einfache Frage: Ist Vollmann ein Fehlgriff?
Foto: noveski.com
Prolog
Benny Semmler und Hannes Hilbrecht schauten am Samstag in Rostock Fußball. Zumindest die Hallenser wurden dieser Sportart über neunzig Minuten gerecht. Semmler, als gebürtiger Mecklenburger dem FC Hansa ebenso wohlgesonnen wie der Ur-Rostocker Hilbrecht, traf bereits nach siebzig Minuten ein deutliches Urteil. Hilbrecht hingegen, der einstige Vollmann-Gegner, verlangt mehr Zeit für den kriselnden Cheftrainer. Zwei Meinungen. Mit voller Absicht in grundverschiedener Tonalität präsentiert. Der eine, polemisierend überspitzt, im kreativen Stammtisch-Vokabular. Der andere, in Gedanken verharrend, nach Mut suchend. Am Samstag, in blaue Sitzschüsseln gepresst, wurden wir im Stadion zuhauf Zeuge dieser Frustkanalisationen. Oft wurde direkt nebeneinander unterschiedlich kanalisiert. So, wie wir es jetzt beide tun.
Contra Vollmann | Eine Polemik von Benny Semmler
Wenn schon scheiße Fußball spielen, dann aber auch richtig. So würde ich die inzwischen unverkennbare Handschrift von Peter Vollmann auf neun Worte zusammenfassen. Von einer visionären Taktik ist diese Mannschaft so weit entfernt, wie Rummenigge und Watzke von einem gemeinsamen Golfnachmittag. Echt. Dabei dachte ich erst vor einem halben Jahr, dass der Tiefpunkt meiner Drittligaerfahrungen geschafft wäre. März diesen Jahres, die Rückrunden-Brocken aus Darmstadt in der DKB-Arena, Bergmann auf der Bank. 0:1, kacke! Was ich damals sah war hilfloses Gemurkse aus dem untersten Profifußballregal. Mit jedoch einem gravierenden Unterschied zum letzten Hansakick: Trotz Strukturlosigkeit gab’s damals Torchancen, von denen es zwei sogar in die ARD-Sportschau schafften.
Doch wer wissen will, wie Fußball ohne Plan in Perfektion geht, der guckt Hansa mit Vollmann. In beinahe allen Ballkontakten steckt der Hilfeschrei „WENANSPIELEN?“. Auf jede Balleroberung, und die damit verbundene Hoffnung auf eine sehenswerte Offensivaktion, folgt der weite und unpräzise Schlag. Um die 40 Bälle flogen mit vollmannscher Disziplin aus der Viererkette, begleitet mit der Hoffnung, dass ein Offensivspieler die Kugel vorne gegen drei Gegner verarbeitet um dann aus 30 Metern abzudrücken. Kurzum: Das hat mit durchdachtem Drittligafußball nichts zu tun. Vielleicht aber mit einer Taktik, die Vollmann aus den Anfängen seiner Trainerjahre mit ins Jahr 2014 gebracht hat.
Aber ich will nicht nur draufpöhlen, sondern auch einige Zaungast-Beobachtungen vom Rostocker Wochenende loswerden. Denn ich hab‘ ja lange nicht mehr zwei Außenverteidiger gesehen, die derart das Offensivspiel verweigerten. Bis weit über die 80. Minute hinweg, verbrachten die Akteure Gröger und Pelzer ihren Arbeitstag in der eigenen Hälfte – obwohl sich regelmäßig lange Räume zum Überqueren der Mittellinie anboten. Speziell Pelzer, der bis auf zwei Aktionen eine versuchte Körperverletzung nach der anderen fabrizierte, klebte ängstlich in seiner Position, sodass es keiner Expertise bedarft hätte um zu erkennen, dass dieser Spieler sicherlich mit seinen Waden aus Eisen einen Gegner das Bein zermatschen kann – aber Außenverteidiger kann der nicht. Warum also Vollmann auf dieser laufintensiven Position ein Hackebeil auf zwei Beinen platziert – erkläre es mir bitte einer! Sollte jedoch die taktische Ausrichtung eben jene Verweigerung gewesen sein, haben beide ihren Auftrag als tiefe Außenverteidiger grandios gemeistert. Aber schließen wir dieses Zwischenthema jetzt erstmal ab und filetieren weiter.
Denn ein weiteres modernes und durchaus verbreitetes Mittel dem Gegner früh den Ball abzuklauen, ist pure Dynamik auf den Ballbesitz. Dabei dürfen vor allem die offensiv eingeteilten Spieler die gegnerischen Verteidiger unter Druck setzen. Kurzum: Im vorderen Drittel mit Plan auf die anderen Trikots preschen und die Kirsche erobern. Doch Savran, Blacha und Ziemer wollen irgendwie nicht ins gemeinsame Pressing. Stattdessen staunen sie gerne im Spaziermodus über den Spielaufbau des Gegners und verpassen die wichtige Attacke. @Trainer: Das kann man trainieren.
Und den Kollegen Schünemann und Krauße gelingen fast nur dann Beifallsaktionen, wenn sie einen gegnerischen Pass 25 Meter vor dem eigenen Tor vorausahnen. Aber eingestellt auf Chefarbeit wirken diese beiden nicht. Dabei wäre auch das Chefsache, Herr Vollmann!
Es ist augenscheinlich. Die Hansa-Marschroute sieht keine frühen und klugen Balleroberungen vor. Es mangelt einfach an kollektiver Grundaggressivität (dass Pelzer jeden Zweikampf mit einer Grätsche lösen muss, ist dabei noch ein anderes Thema!), die Mannschaft kann und will kein Vollgas und fühlt sich viel wohler, wenn’s auf dem Platz im Butterkeks-Modus abgeht.
Die 90 Minuten, die ich am Samstag beobachten durfte, waren ganz, ganz schlimm und Zufallsfußball vom Allerfeinsten, geprägt von ausgeprägter Ideenlosigkeit. Und da kann man dem Hahnel wegen des Gegentreffers noch so sehr an die Gurgel gehen, mein Gefühl ist, dass Vollmann seine Spieler ohne individuell geschnitzte Aufgabenverteilungen aufs Feld schickt. Dabei schaffte er es nach dem Schlusspfiff höchstselbst diese Annahme zu bestätigen. Ratlos wie ein Azubi in der ersten Arbeitswoche offenbarte er zwischenzeilig die eigenen Defizite. „Wir können uns individuell nicht nach vorn durchsetzen.“ Aus diesen Worten war ziemlich leicht abzuhören, worauf Vollmann baut: Auf das spontane Können des Einzelnen. Oder noch anders: Wenn mir schon als Trainer nichts einfällt, dann soll wenigstens einer mal das Ding aus 30 Metern in die Giebel hauen. Nein liebe Verantwortlichen des FC Hansa, mit diesem Trainer habt ihr keinen Taktikfuchs mit Konzept geholt, sondern lediglich einen, der mit Zeitungen harmoniert und den Präsidenten mit Fußball-Phrasen Fußball-Wissen vorgaukeln kann.
PS: Und wer als Trainer eines mehr als brauchbaren Drittligakaders ein 0:1 gegen Halle mit der Hoffnung auf die Rückkehr von verletzten Spielern bilanziert, dem gehören ohnehin die Arbeitspapiere in die Hand gedrückt. So!
Diskutiert mit uns!
Pro Vollmann | Hannes Hilbrecht mit einem ehrlich zweifelnden Plädoyer für Peter Vollmann
Am Samstag schüttelte ich mich kurz. Nicht, weil ich verdutzt war, dass schon 73 Minuten gespielt waren. Gefühlt war ich nämlich noch in der 60. Minute. Nein, ich frottierte meine Haare auch nicht, weil der FC Hansa wieder kläglich spielte. Vielmehr hatte ich einen Gedanken, für den ich mich kurz nach dem finalen Ablauf des kognitiven Prozesses schämte. Sehr schämte. Ich dachte nämlich, dass ich doch froh sein könnte, dass es jetzt alles so läuft. Dass ein weiterer Gegentreffer doch passend wäre. Kompatibel zu meinen Überlegungen im Vorfeld der Saison.
Ich war gegen Peter Vollmann. Von Anfang an. Ich schrieb einem bekannten Vereinsoffiziellen sogar eine Kurznachricht, die unter anderem den Satz „Ich habe Angst um Hansa, wenn Vollmann kommt“ inkludierte.
In einem Artikel, erschienen am 15. Juni, kritisierte ich Vollmann in nicht minderer Manier zwischen den Zeilen. Nur so weit versteckt, dass es zumindest den Anschein einer doch eigentlich positiven Ummantelung erweckte. Ein Artikel, der mir in einem Sportgeschäft, wo man mich kennt und einzuordnen weiß, die Interpretation „Da hast du Vollmann ja ganz schön einen mitgegeben“ entgegenschlagen ließ.
Tatsächlich hatte ich das. Nicht menschlich, doch ziemlich unverfroren sportlich.
Heißt: Ich war gegen Peter Vollmann als neuen Trainer. Ich habe es auch stets so kommuniziert. Ich könnte mich doch jetzt freuen, wenn es jetzt richtig Haue gegen Chemnitz und Bielefeld geben würde. Könnte mich an meiner Prognose ergötzen, rumschreiben: „Ich habe es doch gesagt.“ Ich könnte wie mein Gegenredner sagen: „Nein, wer so auftritt, wer so unstrukturiert spielt, fast führungslos über den Rasen schlürft, der muss schlecht trainiert sein. Da gibt es keine Hoffnung. Macht was, bevor man so richtig in der Apathie des Tabellenkellers begraben ist“.
All das wäre aber Schwachsinn. Primitiver Schwachsinn.
In dieser Frage geht es nämlich nicht um Partikular-Interessen. Nicht darum, wer nun vorher das richtigere Gespür besaß. Hier geht es, bei allem Pathos der zwischen den Zeilen mitschwingt, um den FC Hansa. Und für den wäre es am besten, wenn vorerst jegliche Trainerdiskussion ad acta gelegt werden würde.
Ich tue es persönlich, weil ich noch immer glaube, dass Vollmann es packen kann. Wegen der Qualität, die in der Mannschaft schlummert. Wegen des Rückhalts, den Vollmann genießt. Den nicht allzu viele Trainer in den letzten Jahren kannten. Dazu ist Peter Vollmann ein Trainer, der in der Mannschaft sehr gut ankommt, wie einige Spieler erzählen.
Dabei greife ich in meinem Plädoyer für Peter Vollmann die Wahrscheinlichkeiten auf. Momentan, unter Berücksichtigung vieler Faktoren und Fragen, besonders der Fragestellung, wer aus dem Weinhändler-Kunsthallenleiter-Stadl den neuen Trainer suchen sollte, bin ich der Meinung, dass die Erfolgsaussichten mit Peter Vollmann noch am größten sind. Weit vielversprechender als Kandidat X und Y.
Er kennt die Mannschaft, er weiß, wo es hakt. Vielleicht ist es ein taktischer Input, wie damals Bergmanns Weidlich-Rochade in die Abwehr, der vieles ändert. Die Liga ist so eng, dass selbst ein abgefälschter Pelzer-Schuss in der Nachspielzeit bei Chemnitz die Wendung bringen könnte. Vielleicht ist es ein unverdienter Heimerfolg gegen Bielefeld, der alles auf „Null“ stellt. Und auch hier, ich nehme Bezug auf meinem Vorredner, widerspreche ich. Pelzer ist kein galanter Verteidiger, sicherlich ein Charakter, der es nicht in mein Poesiealbum der sympathischen Hansa-Kicker schaffen wird. Er ist aber zurzeit, was mit Sicherheit einiges offenbart, noch einer der Besten.
Aber zurück zur eigentlichen Frage. Noch ist es viel zu früh, den Hut des Trainers zu fordern. Die Mannschaft ist zu gut, um abzusteigen. Andere Mannschaften, wenn es auch nur vier sind, sehe ich in jedem möglichen Szenario hinter der Hansa-Elf. Und wenn man nicht aufsteigen kann, ist es relativ egal, ob man Fünfter oder Fünfzehnter wird.
Vielleicht ändern sich meine Gedanken schon nächste Woche. Vielleicht, gewinnen auf einmal die, die nicht gewinnen sollten. Vielleicht wird alles noch viel schlechter. Vielleicht wechselt dann auch irgendwann das Wahrscheinlichkeitsverhältnis.
Genau das ist es, was mir jedoch auch Mut bereitet. Das mit Absicht inflationär gebrauchte Wort „vielleicht.“ Denn das Unwissen, darüber, was uns als nächstes erwartet, welches Gesicht gezeigt wird, ist für mich das Positivste an der ganzen Situation. Alles kann passieren. Und viel schlechter kann es ja nicht mehr werden.