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Florian Bruns: „Die Jungs sind sehr von sich überzeugt“

Florian Bruns war sieben Jahre beim FC St. Pauli, ehe es im letzten Sommer zur U23 nach Bremen ging. Im Interview verrät der 35-Jährige, warum er sich auch für Regionalliga-Fußball begeistern kann, wie er die jungen Kollegen von heute wahrnimmt und welches Problem er beim FC St. Pauli sieht.

Foto: noveski.com

Flo, Tag für Tag schleppen Sie sich selbst im dunklen Fußballalter von 35 Jahren auf den Trainingsplatz. Warum tun Sie sich die Strapazen weiterhin an?
Die Aufgabe bei Werder Bremen ist einfach eine richtig runde Sache und nochmal enorm lehrreich. Natürlich zwickt es auch bei mir morgens mal. Und an manchen Tagen knartscht der ganze Körper. Aber diese intensive Arbeit mit den jungen, talentierten Spielern, denen ab und zu in den Hintersten zu treten, die Jungs aber gleichzeitig auch für höhere Aufgabe vorzubereiten, das ist maximale Freude.

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Dabei wirken Sie gar nicht wie ein Fußball-Besessener. Sie könnten doch längst auch die Beine gemütlich irgendwo auf den Schreibtisch stellen und mit Ex-Kollegen komische YouTube-Videos schauen.
Wie ich schon gesagt habe, Fußball ist meine absolute Leidenschaft. Das merke ich immer wieder. Selbst wenn die Knochen mal wehtun, man Spiele verliert, sich in den kleinen negativen – aber alltäglichen – Situationen wiederfindet, brenne ich für dieses Spiel. Dabei hat mich dieses Profigeschäft nie getrieben. Der Reiz lag immer darin, mich mit anderen zu messen und Spiele zu gewinnen. Auch der Teamgedanke, der gerade über Jahre hinweg bei St. Pauli sehr ausgeprägt war, hält mich auf dem Rasen. Darum habe ich mit 33 noch gesagt: Das will ich noch ein paar Jahre genießen. Auch wenn es in Hamburg nicht weitergeht.

Wie ist Ihr Verhältnis zu den jungen Werder-Kollegen. Teilweise sind Sie einigen ja 17 Jahre voraus.
Es ist in der Tat anders als beim FC St. Pauli. Da waren ja viele um die 30. Aber das ist die Herausforderung, die schon bei der täglichen Kabinenmusik beginnt. Rockmusik gibt’s für die Jungs von heute ja nicht mehr.

Was unterscheidet denn einen 18-Jährigen von Werder Bremen anno 2014 vom 18-Jährigen Florian Bruns?

Die Jungs von heute sind alle sehr von sich überzeugt. Das war früher definitiv anders. Als ich mit 18 nach Freiburg gegangen bin, da waren Richard Golz und Andreas Zeyer echte Größen, an denen hat man sich orientierte. Und da war es dann auch so, dass man lieber weniger sagen und auffallen wollte, als zu viel. Wir waren zurückhaltender, haben mehr beobachtet und uns viel später getraut Ansprüche zu stellen. Heutzutage will auch ein 18-Jähriger schon einen Platz im Profiteam.

Und das hat den großen Vorteil, dass Talente früher gefördert und gefunden werden. Es bleibt ja keiner mehr auf der Strecke. Oder?

Absolut. Ich finde die Entwicklung auch richtig. Robin Dutt mag ja kernige U23-Spieler, die, wenn sie schon im Profiteam mittrainieren, auffallen und mit großer Intensität zu Werke gehen. Es bringt nichts, wenn einer eine Woche oben dabei ist und dort nicht in Erscheinung tritt. Die sollen Ellenbogen zeigen. Das wird erwartet. Und das ist ein gravierender Unterschied zu früher.

Es mehren sich aber auch Stimmen mit der Meinung, dass Talente gelegentlich zu schnell in den Profibereich gedrückt werden. Stimmen Sie dem auch zu?

Es gibt zumindest den ein oder anderen 18-Jährigen, der zu schnell einen 5-Jahresvertrag bekommen hat. Ich find’s auch nicht immer richtig, dass ein 30-Jähriger aussortiert und durch zwei 18-Jährige ersetzt wird. Das übereifrige Aussortieren geht mir oft zu rasant. Speziell in schwierigen Phasen sind die Talente ungeeignet, weil sie eben noch Talente sind. Aber die sollen dann schon in einem großen Klub eine verantwortungsvolle Rolle übernehmen, das können die gar nicht. Wir sehen das doch gerade beim FC. St. Pauli.

Dort muss man ja selbstkritisch feststellen, dass wieder ein Trainer mit dem offenbar zu jungen Team baden ging. Was meinen Sie, hat man zu schnell die Alten vom Hof geschickt?

Das ist natürlich aus der Ferne schwer zu beurteilen. Aber das ging schon sehr schnell, das stimmt. Fünf, sechs gestandene Spieler sind gegangen und fünf, sechs Junge wurden dafür geholt. Vielleicht hätte man sich beim FC St. Pauli etwas mehr Zeit lassen sollen. Klar, in Phasen, wenn’s läuft, werden junge Spieler von der Euphorie getragen, können frei aufspielen und wachsen in das Toplevel rein. Aber in einer Drucksituation, vor 25.000 heimischen Fans, denen du was bieten willst und die Medien die ganze Woche draufhauen, da hast du als junger Spieler plötzlich nicht mehr die Leichtigkeit im Spiel. Plötzlich sind Pässe ganz schwer, die vorher ganz einfach waren.

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Ist Thomas Meggle der richtige Mann für den FC St. Pauli?
Ich finde ihn sensationell. Er bringt die nötige Akribie mit und haut sich seit drei Jahren voll in den Job. Ich traue ihm zu, dass er die Truppe wieder in die Spur bringt. Wenngleich so eine negative Situation nicht immer direkt mit dem Trainer verknüpft sein muss. Das muss man auch mal sagen. Der Trainer ist zwar immer der Erste, der den Kopf hinhalten muss, aber gerecht ist das nicht immer.

Die U23 des Hamburger SV ist am kommenden Wochenende ihr Gegner. Zu ihrem Nachteil ist Rodolfo Cardoso dort nicht mehr Trainer.

Sechs Spiele, sechs Siege, das muss man erstmal machen. Keine Frage, die Serie des HSV ist beeindruckend. Das wird ein richtig harter Brocken für uns. Aber ich finde es immer noch verdammt schön, dass ich mich auf so ein Spiel freuen darf.

Also ist das Karriereende weiterhin nicht terminiert?
Doch. Fast. Zu 99 Prozent werde ich im Sommer aufhören. Nur ganz eventuell hänge ich noch ein Jahr dran. Dafür steht zu 100 Prozent fest, dass ich den Verein garantiert nicht mehr wechseln werde.

Benny Semmler

Papa, Blogger, Mitgründer FRISCHER FILM, Seniorenspieler USC Paloma, Mitglied UnterstützerClub des FC St. Pauli, Towers-Fan und Gotnexxt.de-Follower.