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Holstein Kiel: Fannähe mal anders

Fast wäre sie BLOG-TRIFFT-BALL entgangen, diese Geschichte von Karsten Neitzel und einem ganz besonderen Fußballtalk mit einer Gruppe von Fans in einem Kieler Lokal.

Eine Woche ist bereits vergangen, dennoch hinterließ die interessante Geschichte rund um Karsten Neitzel und seinem ganz speziellen Fantreffen bislang noch keine medialen Spuren. Eine Geschichte, die ihre Szenerie in einer Kneipe in Kiel-Projensdorf fand, nur ein paar Minuten von den Trainingsanlagen der KSV Holstein entfernt. In den Hauptrollen: Karsten Neitzel  und eine kleine Gruppe von Fans, mit denen sich der gebürtige Dresdner auf ein Bier verständigte. Ganz unprätentiös und ohne innere Schranken, wie es in Kieler Fan-Kreisen gerüchtete. Ein ganz besonderer Diskussionsabend über Fußball und Holstein Kiel.

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Hauptprotagonist Karsten Neitzel möchte, als BLOG-TRIFFT-BALL ihn auf die Geschichte anspricht, zunächst einmal gar nichts dazu sagen. Windet sich ein wenig im Smalltalk, meint, dass dieser Abend eigentlich „nirgendwo stehen müsse“, es sei ja „nicht so außergewöhnlich gewesen“ und hätte ihm ja auch „persönlich Freude bereitet.“

Nach kurzem Zögern, nach einigen Gesprächsminuten über die bisherige Trainingswoche, fängt er dann aber doch an zu erzählen. „Ja, es ist richtig. Ich habe mich letzten Mittwoch mit einer Gruppe von Kiel-Fans getroffen, die neugierig waren. Die wissen wollten, wie so eine Trainingswoche aussieht. Wie wir uns vorbereiten. Sie fragten nach dem ganz direkt: Ob ich mal Zeit hätte. Ich sagte zu.“

Neitzel hält sein Versprechen. Bleibt nach dem Trainings-Tag nicht allzu lange in seiner Wohnung, sondern macht sich rasch auf den Weg in Richtung Kneipe. Sieben, oder acht Fans, auch zwei weibliche sind darunter, warteten dort bereits auf ihn. Es sollte ein langer Abend werden. Fast vier Stunden dauerte am Ende die Gesprächsrunde, in der Neitzel beispielsweise die Konzeption des Trainingsplans erläuterte. Mit einigen Unterlagen und dem Dienstlaptop im Gepäck.

Vorab über das Vorhaben informiert wurde nur Kiel-Chef Wolfang Schwenke, der den eher ungewöhnlichen Termin seines Trainers ohne Wiederrede durchwinkte, und den Einsatz, eine Woche später, mit lobenden Worten bedenkt: „Ich fand es sehr gut, dass er das so gemacht hat. Gerade, weil wir stets darum bemüht sind, die Fans auf unserem Weg mitzunehmen. Sie in Diskussion einzubeziehen. Dass der Trainer dafür seine Freizeit zur Verfügung stellt, sagt doch einiges über sein Engagement aus.“

Dabei ist es mit der Freizeit von Karsten Neitzel so seine Sache, wie er selbst erklärt. Denn der 46-Jährige beschreibt sich als Persönlichkeit mit eher wenigen Hobbys, jemand, der vielleicht einmal am Wasser spazieren geht oder sich einen Film anschaut. Ein Nachtschwärmer, der sich seine Zeit in Kieler Restaurants vertreibt, sei er aber gewiss nicht.

Vielleicht ist das auch ein Grund dafür, warum sich der Kiel-Trainer, mit neun Punkten aus acht Spielen mehr dürftig als zufriedenstellend in die Spielzeit gestartet, fast schon begeistert zu der ungewöhnlichen Stammtischbesetzung äußert: „Es war für mich keine Arbeit, sondern eher Freizeit. Vielleicht aber auch beides, man konnte schließlich einiges mitnehmen. Weniger in sportlichen Belangen, vielmehr im Gefühl für die Fans.“

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Dabei passt der ungewöhnlich erscheinende Talk zwischen Fans und Fußballlehrer sogar bestens in den Kieler Fan-Kurs, den der Verein bereits seit einiger Zeit eingeschlagen hat.  Alle sechs Wochen treffen sich Fanvertreter mit den Kieler Verantwortlichen, diskutieren und erläutern Themen rund um die KSV Holstein, wie Geschäftsführer Schwenke berichtet: „Wir halten uns sicher nicht gegenseitig die Hände und singen im Kreis. Wir debattieren manchmal sehr energisch, aber immer so, wie es sich für ein vernünftiges Miteinander gehört.“

Ein Miteinander, dass Neitzel bereits im Sommer-Interview mit BLOG-TRIFFT-BALL hervorhob. Besonders im Fokus: Die Unterstützung der Fans  im Verlauf des vergangenen Abstiegskampfes. Mehrmals schauten diese bei Trainingseinheiten vorbei, unterstützten die Mannschaft dabei lautstark.„Ich habe hier schon ein paar schöne Sachen mit den Fans erlebt. Dass muss sich auch nicht nur in Unterstützung äußern, sondern kann auch in Kritik enthalten sein. Wenn sie von Auge zu Auge und im gegenseitigen Respekt geäußert wird.“

Eine Möglichkeit zur Meinungsäußerung, die sich in Kiel demnächst öfter bieten könnte. Neitzel, so erfuhr BTB aus dem Kieler-Umfeld, unterbreitete bereits Sponsoren das Angebot, für weitere Diskussionsabende im Rahmen der üblichen Veranstaltungen zur Verfügung zu stehen. Der Trainer darauf: „Ich denke, dass der Rahmen eigentlich egal ist. Es muss ja nicht immer bei einem Bier in der Kneipe stattfinden. Neben dem Trainingsplatz bietet es sich genauso an. Sicher ist nur: Jeder kann mit uns reden, Fragen stellen, wenn er verstehen möchte, warum wir das und das so machen. Wir sind da ja ganz offen, verrichten kein Hexenwerk und müssen uns demnach vor niemanden verstecken.“

Hannes Hilbrecht

Hannes Hilbrecht schreibt und schrieb nebenbei für ZEIT ONLINE, NDR.de und den Berliner Tagesspiegel. Füllt ein Marketing-Magazin mit Liebe (GrowSmarter.de) Und er liest eine spannende Case Story genauso gerne wie den neuen Roman von Ralf Rothmann.