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Was ein Sportwissenschaftler Peter Vollmann rät

Marc Hachmann, studierter Sportwissenschaftler, war mehrere Jahre im Team von den Profiboxern Jürgen Brähmer und Ruslan Chagaev für die Leistungsdiagnostik zuständig. Im Universum-Boxstall begleitete er viele Top-Athleten in sportwissenschaftlichen Fragen. ► Mit den jüngsten Fitness-Feststellungen von Hansas Trainer Peter Vollmann konfrontiert reagiert der Experte fassungslos.

Herr Hachmann, bescheinigen wir Peter Vollmann einfach einmal die Wahrheit und sagen: Die Mannschaft wäre konditionell mies trainiert gewesen. Kann es dann nicht der Fall sein, das Ihm bislang die Hände gebunden waren?
Wir müssen uns ja klar machen: Profis in der Dritten Liga sind Leistungssportler, die seit langem an die Belastungen angepasst sind. Die auch im letzten Jahr trainiert haben. Die sollte man in der Sommerpause im Normallfall, Verletzungen einmal ausgeklammert, fit bekommen. Ein eher lauffauler Jogger kann sich in zwölf Wochen so trainieren, dass ein Marathon durchgestanden wird. Für die Boxer haben wir damals in etwa 10-12 Wochen gebraucht, um sie ans Maximum zu bringen, wobei sowohl der Fußballer als auch der Boxer, im Gegensatz zum Marathonläufer, eine Intervallsportart betreiben.

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Halten wir gleich mal fest: Eine Sommervorbereitung genügt, um einen Fußballprofi fit zu kriegen?
Im Grunde ja. Ohne im Besitz der genauen Werte der Spieler zu sein, kann man Allgemein sagen, dass ein Spieler je nach Trainingszustand manchmal vier, in der Regel aber sechs bis acht Wochen benötigt, um sein Top-Niveau zu erlangen. Eine Sommervorbereitung, die der Trainer Peter Vollmann ja selbst gestalten durfte, sollte dabei theoretisch völlig ausreichend sein. Zumal davon auszugehen ist, dass ein Fußballer in der 3. Liga solide Basiswerte besitzt.

Peter Vollmann sagte nun, er könne momentan nichts am Zustand der Mannschaft ändern. Ist das eine Aussage, die Sie mit mehr Fitness-Knowhow als wir, verstehen?
Treffend ist sie in soweit, dass es jetzt in der Tat im laufenden Spielbetrieb schwerer ist als im Sommer, den konditionellen Zustand der Spieler zu verbessern. Allerdings ist das nach wie vor machbar, übrigens auch so umsetzbar, dass es sich nicht negativ auf die Ergebnisse auswirkt. Das Problem: Man muss wissen, wie es geht.

Wie geht das denn?
Zum Beispiel mit hochintensiven Trainingseinheiten. Das heißt: hohe Intensitäten bei kurzer Belastungsdauer. Im Spitzenfußball sind mitunter zwei Spiele pro Woche über einen längeren Zeitraum, die sogenannten „Englischen-Wochen“, möglich. So ergibt sich eine andere Wochenperiodisierung als bei einem Spiel pro Woche. In einer „normalen“ Spielwoche“ kann zum Beispiel mittwochs oder donnerstags ein intensiver Trainingsreiz gesetzt werden. Die Effekte auf die Ausdauerleistungsfähigkeit sind dabei äußerst effektiv und es entstehen keine Nachteile im Hinblick auf den Spielbetrieb. Dieses Training kann durch die geringe zeitliche Beanspruchung auch während der Saison erfolgreich eingesetzt werden.

Reden wir jetzt über Intervalle. Ehemalige Spieler, die unter dem gescholtenen Andreas Bergmann spielten, berichten von einem Intervalltraining. Ohne jede Waldläufe. Verdient diese Trainingspraxis Kritik?
Kritik? Ganz im Gegenteil. Diese zugegeben noch etwas unklaren Beschreibungen des Trainings klingen stark nach einem schlüssigen Konzept. Wir müssen die Sportart analysieren. Fußball ist eine Intervallsportart, gekennzeichnet durch ein intermittierendes Bewegungsspektrum. Das bedeutet: Spieler müssen maximal sprinten, Richtungen wechseln und haben Phasen submaximaler Belastungen. Das trainiert man am besten periodisch in Intervallen. Waldläufe im Fußball sind sportwissenschaftlich maximal als Regenerationsläufe geeignet und stehen höchstens noch im Lehrbuch für Fußballtrainer aus dem Jahr „1984“. Zumal periodisierte Trainingsmodelle mit systematischem Wechsel von Umfang und Intensität höhere Trainingseffekte gezeigt haben als lineare Trainingsmodelle, wie sie um Beispiel Waldläufe darstellen.

Können Sie diese Kritik vereinfachen?
Ganz einfach erklärt: Kein Fußballspieler muss sechzig Minuten am Stück das gleiche Tempo laufen. Jedenfalls ist mir keine Spielsituation im Fußball bekannt, in der der Spieler es muss. Beim Laufen im Wald macht man aber genau das. Es wird eine lineare Belastung durchgeführt, die darauf abzielt, eine gewisse Zeit im konstanten Tempo zu joggen. Das bringt weder die in Intervallen geschulte Dynamik, noch einen positiven Einfluss auf das Spielgeschehen. Modern denkende Sportwissenschaftler und Trainer sollten dieses Konzept der Waldläufe sehr kritisch hinterfragen.

Bringt der Ausdauerlauf dafür aber nicht konditionelle Vorteile?
Nein, jedenfalls keine messbaren. Es scheint sogar so, dass bei gut ausdauertrainierten Sportlern durch eine Steigerung des Trainingsumfangs kein weiterer leistungssteigender Effekt zu erwarten ist. In einem richtigen intensiven Intervalltraining, wo immer wieder Reize gesetzt werden, kann dagegen die Ausdauer geschult werden. Waldläufe, als alleinige Trainingsmethode zur Schulung der Ausdauer im Profisport, sprechen nicht unbedingt für große Kompetenzen in diesem Bereich. Zudem bietet ein intensives Intervalltraining wesentlich variablere Gestaltungsmöglichkeiten im Training.

Wie sieht es mit dem Training am Ball aus. Oft wird ja auch gemausert, es würde zu viel mit Ball gearbeitet.
Jüngste und bereits belegte Studien aus Norwegen sagen klipp und klar: es macht keinen Unterschied, ob mit oder ohne Ball Intervalle absolviert werden. Das heißt: Mit den richtigen Übungen ist periodisches Training mit dem Ball am Fuß sogar sehr ratsam, da es sich noch näher am Fußballspiel orientiert.

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Nun werden die schlechten Laktat-Werte in Rostock beanstandet. Diese werden unter anderem mit fehlenden Waldläufen im Vorjahr begründet. Als Beispiel für die schlechten Werte nannte Peter Vollmann die Zahl „3,5“. Das wäre angeblich furchtbar.
Erst einmal sagt der Wert 3,5 mmol/l Laktat nichts aus. Ich gehe davon aus, dass der Trainer 3,5 mmol/l Laktat an der IANS (IndividuellenAnerobenSchwelle) meinte. Nur die Frage ist bei welcher Geschwindigkeit? Der Wert an sich ist nämlich nichtssagend. Zudem sollte die Laktatdiagnostik nach neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen kritisch gesehen werden. Die berechneten Werte beruhen lediglich auf unterschiedlichen mathematischen Berechnungsmodellen verschiedener Autoren. Im Profisport werden immer noch Laktatwerte zur Beurteilung der Ausdauerleistungsfähigkeit genommen, weil es natürlich am Fußballplatz praktikabler ist, im Ohrläppchen einen Tropfen Blut zu generieren, als mit einer Atemmaske zu laufen. Es ist aber deutlich effektiver und genauer, wenn spiroergometrische Daten (Messung Atemgase) erhoben werden.

Peter Vollmann sagt auch, er bräuchte ein Jahr, um den Laktatwert von 3,5 auf 3,7 zu heben. Wie lautet Ihre Expertise dazu?
Die Aussage ergibt überhaupt keinen Sinn. Bei der Laktatdiagnostik werden in einem Stufentest bei vorgegebenen Laufgeschwindigkeiten Laktatwerte ermittelt, die dann in einem Kurvendiagramm dargestellt werden können, um so durch Schwellenmodelle einen „Ausdauerwert“ zu bestimmen. Vereinfacht gesagt: Ziel ist es dabei nicht, den Laktatwert an der Schwelle zu heben, sondern im Idealfall bei einer höheren Laufgeschwindigkeit zu senken. Sollte der Sportler beim Retest bei gleicher Laufgeschwindigkeit an der Schwelle einen höheren Laktatwert aufweisen, so hätte sich seine Ausdauerleistungsfähigkeit verschlechtert. Ich hoffe nicht, dass dies das Ziel des Trainers ist. Für mich lässt diese Aussage auf ausgeprägtes Unwissen schließen.

Zum Abschluss eine kurze Frage: Um die Trainingseinheiten richtig einschätzen zu können, braucht es da die Kenntnis von der Materie oder reichen Erfahrungen aus?
Erfahrungen helfen natürlich. Dennoch wäre es aber sinnvoll und notwendig, dass mit der Sportwissenschaft vertraute Entscheidungsträger die Trainingseinheiten bewerten und begleiten.

Hannes Hilbrecht

Hannes Hilbrecht schreibt und schrieb nebenbei für ZEIT ONLINE, NDR.de und den Berliner Tagesspiegel. Füllt ein Marketing-Magazin mit Liebe (GrowSmarter.de) Und er liest eine spannende Case Story genauso gerne wie den neuen Roman von Ralf Rothmann.