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HSV: Marcos im Interview: „Zinnbauer drückt mehr“

Beim FC Hansa Rostock drohte der Weg des 21-jährigen Ronny Marcos beinahe ins Karrierenichts zu laufen. Aber Marcos ist Ehrgeizling, suchte seine Chance in der 4. Liga beim Hamburger SV und taucht mittlerweile immer häufiger auf dem Trainingsplatz der Rothosen-Profis auf. Auch weil Joe Zinnbauer auf Typen wie Marcos baut. Das Interview.

Foto: hammoniaview.de

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Hallo Ronny. Die Profis schlagen Dortmund, Deine U23 gewinnt gegen St. Pauli. Kann ein Wochenende besser laufen?
Das war ein perfektes Hamburger Fußball-Wochenende, so viel ist klar. Wir haben uns den Sieg gegen St. Pauli hart erkämpft und dass unsere Erste so nachziehen konnte, hat den Samstag einfach abgerundet.

Konntest Du den ersten Zinnbauer-Sieg mit „Deiner“ U23 überhaupt verfolgen?
Ja, wir hatten nach dem Spiel zum Glück noch genügend Zeit uns eine Lokalität zu suchen. Es ist ja üblich, dass wir als gesamte Mannschaft die Bundesligapartien vom HSV anschauen. Meistens treffen wir uns in Restaurants, gelegentlich aber auch in Wohnungen von Mitspielern. Durch unseren Ex-Trainer, der nun auf der Profi-Bank sitzt, ist es natürlich noch einmal spannender geworden.

Wie lange können wir eigentlich noch von „Deiner U23“ sprechen? Du machst ja ordentlich Dampf nach oben.
Es ist für mich eine tolle Sache, ab und an bei den Jungs da oben zu trainieren. Das weiß ich sehr schätzen und für mich zu nutzen. Allerdings ist es mein Job, in der Regionalliga Nord meine Leistung zu bringen. Darauf konzentriere ich mich. Joe Zinnbauer hat es einmal treffend formuliert: An einem richtig guten Spieler kommt kein Trainer vorbei. Es ist meine Aufgabe als Spieler diese Zielstellung zu erfüllen.

Das klingt ja sehr vielversprechend. Welcher Anteil an Deiner Entwicklung gebührt Joe Zinnbauer?
Einen sehr großen. Was schon damit anfing, dass er mich auf meiner Lieblingsposition eingesetzt hat. Jeder, der mich kennt, weiß, dass ich ein Verteidiger bin und dort meine Qualitäten am besten abrufen kann. Das hat der Trainer erkannt, um mich dann mit seiner akribischen Arbeitsweise noch besser zu machen.

Er wirkt ja sehr agil und kommt mit viel Power daher. Das ähnelt ja Deiner Erscheinung als Kraftpaket. Passte es deshalb zwischen euch so blendend?
Das kann ich gar nicht so genau beurteilen, da wir uns dafür noch nicht lange genug kennen. Allerdings möchte ich es auch nicht ausschließen. Es kann ja schon sein, dass einen die Gemeinsamkeit sympathisch miteinander macht.

Die Frage mag Dich jetzt überraschen. Wie viel drückst Du eigentlich?
Die überrascht mich tatsächlich. Ich denke, die neunzig Kilo schaffe ich recht locker.

Naja, ein paar Leser wollten das damals vom Joe Zinnbauer wissen. Und wir brauchen ja mal einen vernünftigen Richtwert.
Ich glaube aber, der Trainer hat noch ein wenig mehr auf dem Kasten, was das Bankdrücken angeht.

Hand aufs Herz: Als euch mitgeteilt wurde, dass es für den Trainer drei Etagen höher geht, wie habt ihr das aufgenommen? Denkt man sich: Oh Gott, nein. Wieso? Oder ist es doch eher ein: Uui, jetzt habe ich ja Chancen auf den ganz großen Sprung.
Ich habe das mit zwei Augen gesehen. Das eine war wirklich traurig, weil uns ja immer bewusst war, dass wir ihm bereits nach ein paar Wochen so vieles zu verdanken hatten. Das andere hat aber gelacht – weil wir diesem Menschen einfach die Chance gegönnt haben. Viele Mitspieler haben mir in Gesprächen bestätigt, dass sie genauso dachten.

Den Anteil von „Joe“ haben wir ja bereits erwähnt. Jetzt aber eine ganz krude Idee. Gebührt der neuen Frisee nicht auch eine Teilschuld? Aus den Rastalocken sind ja kurze Haare geworden.
Nein, ich glaube nicht, dass es eine Rolle spielt. Mir sind jedenfalls keine großen Unterschiede aufgefallen.

Wie kam es dann zum Haar-Wechsel?
Ich war ja in den letzten Monaten meiner Zeit in Rostock nicht wirklich glücklich, sondern viel mehr enttäuscht. So wollte ich einfach einen kompletten Wechsel vollziehen. Neue Stadt, neuer Verein, neue Haare.

Du bist in Rostock nicht zum Einsatz gekommen. Hast Du dafür eine Erklärung?
Ja. Sogar eine ganze einfache: Der Trainer wusste nichts mit mir nichts anzufangen.

Wann wurde Dir das klar?
Bereits in der Sommerpause gab es die ersten Anzeichen. Ich bekam deutlich weniger Einsätze als alle anderen Spieler, wurde, wenn überhaupt, sogar im Sturmzentrum aufgestellt. Als ich dann gegen Dortmund II das einzige Mal im Kader stand, weil alle anderen Linksverteidigeroption ausgefallen waren, spielte aber ein rechtsfüßiger Mittelfeldmann als Startelf-Debütant hinten links und ich saß nur auf der Bank. Da wurde mir klar, dass ich im Winter weg muss.

Du klingst gekränkt.
Ich habe ja immer alles gegeben in den Trainingseinheiten. So kam es mir irgendwann vor, als ob der Trainer gar nicht wusste, wer ich bin. Allerdings möchte ich dazu sagen, dass man Herrn Bergmann im menschlichen Umgang keinen Vorwurf machen konnte. Da war alles sehr okay. Was jedoch nichts an meiner Lage veränderte.

Hast Du den Verein nach der bitteren Erfahrung überhaupt noch im Kopf oder ist der FC Hansa für Dich bittere Geschichte?
Selbstverständlich habe ich den Klub nicht vergessen. Ich hatte ja auch viele tolle Momente und halte zu vielen Mitspielern wie David Blacha noch heute Kontakt. Es geht  demnach auch nicht sorglos an mir vorbei, wenn ich sehe, wie es in Rostock zurzeit aussieht.

Gab es in dieser harten Phase, die Du eben ansprachst, eigentlich den einen Moment wo Du sagtest: ich schmeiße alles hin?
Den gab es nie, da ich immer davon überzeugt war, mich zurückkämpfen zu können. Natürlich ging es aber auch an mir nicht spurlos vorbei, so tief gefallen zu sein. Ich hatte im Vorjahr 17 Spiele absolviert, bekam einen Profivertrag und war der große Durchstarter. Dann auf einmal nichts mehr zu sein, wog schwer auf den Schultern. Aber nie in dem Maße, als dass ich vor hatte aufzugeben.

Wie ist es denn nach dieser Phase so, wenn Du ein Jahr später auf einmal mit Rene Adler und Co. auf dem Trainingsplatz stehst? Schlottern da nicht die Knie?
Es ist spannend. Unwahrscheinlich lehrreich wie interessant. Man kann von jedem Mitspieler lernen, es ist noch viel mehr Körper und Tempo in den Einheiten drin. Sicherlich ist man zu Beginn aufgeregt, anderseits legt sich das auch schnell wieder.

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in dem wir kein einziges Mal den #HSV erwähnten

Gibt es denn mehr den Marcell als den Herrn Jansen?
Also siezen müssen wir die Jungs da oben nicht. Was nicht heißen soll, dass unser Respekt gegenüber den großen Jungs nicht ausgeprägt wäre. Aber es war einfach so, dass wir Neulinge super aufgenommen wurden, als wir die ersten Einheiten mitgemacht haben. Ich hatte das nicht unbedingt erwartet, dass sie so auf uns zugehen. Tatsächlich aber waren sie ab dem ersten Moment hilfsbereit und haben sich reichlich Zeit für die fragenden Neuankömmlinge genommen. Das fand ich stark.

Wie planst Du denn Deine nächsten Schritte? Stammspieler bis zur Winterpause oder Step by Step?
Ich denke Schritt für Schritt. Ich habe in Rostock erlebt, wie schnell das gehen kann in diesem Geschäft. Wie groß die Fallhöhe ist, wie schnell sich ein Zustand verändert. Deshalb will ich kontinuierlich besser werden und mich hocharbeiten. An mehr denke ich gar nicht und es wäre doch vermessen sich auf einmal als Stammspieler in der Bundesliga zu sehen, nur weil man ab und an dort mittrainiert. Was nicht heißt, dass ich die Chance nicht ergreifen würde, wenn sie sich ergeben sollte.

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Die vorletzte Frage ist wie im mündlichen Abi die schwerste Aufgabe. Was konntest Du eigentlich von Rod Cardoso lernen?
Ich konnte einiges von ihm mitnehmen. Vor allem meine offensive Positionierung auf dem offensiven, linken Flügel kommt mir nun sehr zu Gute. Herr Cardoso hat mir beigebracht, wie ein Offensivspieler zu denken. Das hilft nun ungemein, wenn ich versuche, mich in die Lage meines Vordermanns hineinzuversetzen.

Ronny, zum Abschluss. Wir wollen den Rostockern ja noch ein wenig Honig ins Gesicht pusten. Wo ist Rostocker geiler als Hamburg?
Schwierig. Beide haben ihre wunderschönen Seiten, wobei Hamburg natürlich so viel größer ist. Aber ich glaube, dass sich beide nicht wirklich was nehmen. Jedenfalls fühle mich in Hamburg genauso wohl, wie ich es immer in Rostock getan habe.

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Hannes Hilbrecht

Hannes Hilbrecht schreibt und schrieb nebenbei für ZEIT ONLINE, NDR.de und den Berliner Tagesspiegel. Füllt ein Marketing-Magazin mit Liebe (GrowSmarter.de) Und er liest eine spannende Case Story genauso gerne wie den neuen Roman von Ralf Rothmann.