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Kiels Rückkehrer Krause: Marlon, der wilde Storch

13 Monate ohne Drittligaeinsatz. Stattdessen Kreuzband-und Muskelfaserriss. Schwere Monate waren es für Mittelfeld-Storch Marlon Krause. Doch der 24-Jährige kämpft sich zurück – und ganz Fußballkiel jubelt. Doch wie geht es weiter? Droht ein Luxusproblem? BLOG-TRIFFT-BALL hörte sich auch im Chef-Nest um und ließ natürlich auch Krause reichlich zu Wort kommen.

Foto: calcio-culinaria.de

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„Marlon, die Nummer 10, Mittelfeld. Für die Mannschaft ist er das Herz, die Seele und die Intuition. Als Marlon sich in Band 10 das Kreuzband reißt, scheint für ihn seine Fußballkarriere beendet“, so steht es in einer Rollenbeschreibung einer literarischen Figur, die vor ein paar Jahren im Rahmen einer Buchreihe wahre Hype-Zustände auf den Sport- und Fußballplätzen der jüngeren Semester entfesselte. Die mit markigen Kino-Titeln wie „so lange du wild bist“ oder der schwülstigen Hollywood-Namensadaption „Hinter dem Horizont“ bereits fünfmal die großen Leinwände enterten. Gemeint sind die Kinderbücher von Joachim Masannek, dem Schaffer der „Wilden Kerle“.

„Die Wilden Kerle?“, fragt Holstein Kicker Marlon Krause, 24, als BLOG-TRIFFT-BALLL sich am Mittwochabend erkundigt, wie es um seine Kinderbuchkenntnis der letzten zwölf Jahre bestellt ist. Ob er über Marlon, dem Zehner der Kerle, Bescheid weiß. „Nein, das sagt mir gar nichts. Überhaupt nichts“, lacht der Kieler nun aber beherzt, nochmals über die Rollenbeschreibung seines literarischen Pendants schmunzelt, um dann gleich einmal zum Dementi anzusetzen: „So ganz trifft es ja nicht auf mich zu. Ich bin Teil dieser Mannschaft, vielleicht auch ein Spieler, der Verantwortung übernehmen möchte. Aber das mit dem Herz ist doch viel zu weit hergeholt“, so der Mittelfeldmann der Storchen-Formation.

So weit hergeholt, wie Krause meint, ist die Geschichte aber doch nicht. Ein Blick in die Statistiken seines Spielerprofils spricht für sich. Besonders, wenn er sich auf die Drittliga-Daten fokussiert. 13 Mal lief der ehemalige Hamburger Krause drittklassig auf, siegte sieben Mal, holte vier Unentschieden. Verlor demzufolge erst zwei Begegnungen. Mit Krause, so lässt es sich leicht berechnen, holten die Jungs von der Förde nach dem Aufstieg aus der Regionalliga-Nord bisher 1,92 Punkte. Ohne ihn aber, wenn man denn so add- und dividieren möchte, sind es gerade einmal 1,23 Zähler pro Partie.

Just von BTB vorgerechnet, zieht der besagte Mittelfeldmann aber schon wieder die Zügel der Bremse kräftig an: „Das wäre doch vermessen, sowas zu behaupten: Ohne mich, dann ging’s bergab. Das ist einfach nicht richtig. Wir gewinnen und verlieren als Mannschaft, bringen alle unseren Teil ein.“ Und auch Coach Karsten Neitzel, nach zuletzt elf Punkten aus fünf Spielen wieder fest im Soll, bestätigt die Krause-Aussagen: „Es ist fantastisch, dass wir ihn wieder hier haben. Das schafft uns neue Optionen. Aber unsere derzeitige Entwicklung ist nicht der Verdienst einzelner Spieler, sondern ein Resultat unserer harten Arbeit als Mannschaft.“

Ohnehin, so sagt Neitzel, sei doch schon die Schlagzeile „Er ist zurück“ eine Meldung, die für sich stehen sollte. Ganz ohne die branchenüblichen Spekulationen im Hintergrund.

Dabei ist es in der Tat eine Schlagzeile, die nicht von Selbstverständlichkeit zeugt. 13 Monate fiel Krause aus, verletzte sich damals in Wiesbaden schwer am Knie. Riss sich das vordere Kreuzband, als das Spiel in der 88. Minute eigentlich schon in Richtung Ermüdungsbecken schlenderte. Aus sechs Monaten ohne Ligaspiel wurden dreizehn Monate, wegen der langen Weltmeisterschaftsunterbrechung und dem Rückschlag in der Sommervorbereitung. Muskelfaserriss. Noch einmal sechs Wochen Pause, hieß es damals.

„Meine Freundin, meine Eltern aber auch die KSV Holstein, ob Teamkollegen, Trainer oder Funktionäre, alle haben mir geholfen. Mich aufgebaut. Und auch dafür gesorgt, dass ich immer an mich geglaubt habe“, formuliert Krause erstaunlich optimistisch zurückblickend.

Es war nämlich eine Leidenszeit, die durchaus etwas Positives mit sich führte, wie der 24-Jährige erzählt. Denn während des Marathons im Therapeuten-Abklappern, hat sich aus einer einst rein sportlichen Beziehung innerhalb des Trainingsbetriebs eine Freundschaft entwickelt. Mit Fitnesstrainer Timm Sörensen, der Krause fast ein Jahr lang intensiv betreute und ihm half, zurück in die Spur zu finden. „Es ist schon komisch, wenn man über so lange Zeit jeden Tag mit einer Person zusammengearbeitet hat und es dann auf einmal aufhört. Man sich dann wieder im Mannschaftstraining begegnet, manchmal nur 30 Minuten miteinander arbeitet“, erläutert der gebürtige Halstenbeker seine Antwort auf die Frage, was er denn aus den letzten dreizehn Monaten vermissen würde.

Zurückdenken möchte der Sechser allerdings nicht, es gilt der Blick nach vorne. Spiele sollen gewonnen werden, am besten ähnlich überzeugend wie zuletzt gegen Halle. Und es steht ein wahrer Konkurrenzkampf an. Denn auf der Position des Sechsers tummeln sich drei Schwergewichte und ein Jungspund mit dem Talent zur nächsten Gewichtklasse. Krause, Vendelbo, Kegel und Wirlmann – trotz des Abgangs von Tim Danneberg ließt sich die Schaltzentrale der KSV Holstein eng umkämpft.

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Karsten Neitzel erwartet jedenfalls einen knappen Wettbewerb um die Einsatzzeiten. Wie der Fußballlehrer verriet, wird es keinen taktischen Paradigmenwechsel in der Formation geben, nur um mehr Platz für seine Akrobaten im defensiveren Mittelfeld zu finden: „Wir sind sehr stabil in unserem System, treten gefestigt auf und setzen immer mehr von dem um, was wir uns vor den Spielen vornehmen. Es gibt also überhaupt keinerlei Grundlage auch nur irgendetwas an dem momentanen System zu rütteln.“ Heißt also übersetzt: Es gibt ein Luxusproblem. Ein Umstand, den Neitzel jedoch für etwaige Rotationen nutzen möchte: „Wir werden uns sicherlich auch an den Gegnern orientieren, in welcher Konstellation wir letztendlich aufstellen. Fakt ist: Alle haben das Zeug für genügend Einsatzzeiten.“

Vielleicht ist das auch ein Grund, warum sich Rückkehrer Krause etwas ganz besonderes vorgenommen hat. Er möchte nämlich torgefährlicher werden, am eigenen Abschluss arbeiten. Denn mit seiner Ausbeute ist er noch längst nicht zufrieden: „Eigentlich ist es mir egal, wer die Dinger macht. Hauptsache wir punkten. Aber offensiver kann ich schon werden, das ist richtig. Daran arbeite ich auch“, verspricht die Nummer 13 nun zum Ende des Gespräches.

Vielleicht wird dann aus ihm doch noch ein bisschen mehr der Marlon aus den Büchern. Dann wäre er wirklich eine Art Zehner. Zehner der wilden Störche.

Hannes Hilbrecht

Hannes Hilbrecht schreibt und schrieb nebenbei für ZEIT ONLINE, NDR.de und den Berliner Tagesspiegel. Füllt ein Marketing-Magazin mit Liebe (GrowSmarter.de) Und er liest eine spannende Case Story genauso gerne wie den neuen Roman von Ralf Rothmann.