Top

„Die Kinder brauchen Hansa als Ansporn“

Beim Rostocker FC läuft es. Anders als der große Nachbar vom FC Hansa ist der Kultklub vom Damerower Weg nämlich voll im eigenen Soll. Dabei gibt es auch beim FC Sorgen. Hoffnung macht dabei die Mannschaft, die es verdient hat, noch mehr Zuschauer anzulocken. BLOG-TRIFFT-BALL sprach mit dem neuerdings Bartmann-Präsidenten des RFCs.

Nils Greese, Präsident des Rostocker FCs, sieht ein wenig komisch aus. Wobei „ein wenig“ noch etwas untertrieben ist. Der 44-Jährige trägt nämlich einen Vollbart. Ist dadurch kaum wiederzuerkennen.

Imagefilme für Rostock und Mecklenburg-Vorpommern

Das mit dem Vollbart ist dabei im Sport nicht allzu ungewöhnlich. In Nordamerika, wo am liebsten Eishockey, Basketball, Football und Baseball gespielt wird, ist es üblich, dass sich Spieler ab den Playoffs solange nicht rasieren, bis sie aus der Endrunde ausgeschieden sind. Die Konsequenz: die Spieler der besten Mannschaften tragen zumindest im Eishockey am Ende der Finalrunde einen dichten Flaum am Hals.

Greese spielt jedoch weder Eishockey, noch ist er der Präsident eines Klubs aus diesem Metier. Stattdessen ist er die organisatorische Hand im Hintergrund des Rostocker Fußballclubs. Und der Vollbart zeugt auch nicht vom sportlichen Husarenritt, den seine Kicker zurzeit auf den Verbandsliga-Boden zwischen Boizenburg und Ueckermünde absolvieren. Der RFC ist nämlich Vierter, spielt eine famose Saison.

Der Grund für den Bart ist ein ganz anderer, wie Greese erzählt: „Ich hatte immer mal vor, mir einen Vollbart anzueignen. Jetzt lasse ich ihn wachsen, und irgendwann, wenn ich mit ihm zufrieden bin, schneide ich ihn einfach ab, und alles ist gut.“ Worte, bei denen der Rostocker fast lachen muss.

Als BLOG-TRIFFT-BALL den Verantwortlichen am letzten Mittwoch in der Schankstube des Vereins bei einem Rostocker Pils vom Fass trifft, ist Greese also in guter Stimmung. „Es ist einfach toll, was die Jungs spielen. Am Wochenende war es ein Highlight. Eines der besten Spiele, das wohl jemals am Damerower Weg ausgetragen wurde“, so der Tischlermeister, der unweit von Rostock seinen eigenen Betrieb unterhält.

Gemeint war mit dieser Eloge die Partie gegen Pampow, einen Team aus dem erweiterten Speckgürtel von Schwerin, viel näher an Schleswig-Holstein oder Niedersachsen grenzend, als an Rostock. Ein Gegner wie ein Kontrast in seinen Strukturen, in seiner Fassade schicker und mondäner als die Rostocker. Vermeintlich auch personell besser aufgestellt.

All das spielte über neunzig Minuten keine Rolle, zwei Teams, 22 Sportler und zwei an der Seitenlinie keifende Trainer lieferten sich einen wahren Kampf. Bei bestem Wetter, vor passabler Kulisse. 270 Zuschauer waren gekommen, hatten sich das Spiel angesehen, schnappten auch irgendwann bemüht nach Luft.

„Ich hätte nicht gedacht, dass wir das Spiel gewinnen. Auch nicht in der 85. Minute, als wir mit 1:0 führten. Es ließ einen nie locker, bis zum 2:0 kurz vor Schluss musste mit allem gerechnet werden“, berichtet der 43-Jährige, so hastig in seinen Sätzen, wie der Liveticker auf der Facebook-Seite, der sich im Minutentakt überschlug.

Es war ein perfekter Tag aus RFC-Sicht. Viele seien dagewesen, die man vorher am Damerower Weg noch nie gesehen hatte. Von „neuen Gesichtern“ spricht der Präsident. Vielleicht waren es auch einige Hansa-Fans, die am Samstag trotz engagierter FCH-Leistung irgendwie wieder verprellt wurden, denen es am Sonntag noch nach einem Erfolgserlebnis, nach einem positiven Fußballkapitel dürstete. Die sich in der sechsten Liga das holten, was sie ein paar hundert Meter entfernt im großen Kasten nur noch selten bekommen: das Gefühl gewonnen zu haben.

Der Niedergang des FC Hansa, der längst im Abstiegskampf der dritten Liga versunken ist, die Chance für den kleinen Nachbarn? „Nein“, sagt Greese bestimmt. Er wäre eine Katastrophe, wie er fortführt: „Es wäre ganz schlimm, sogar furchtbar, wenn es beim FC Hansa noch weiter bergab geht. Nicht nur für die Region, auch für uns vom Rostocker FC.“

Was er damit meint: für viele Kinder ist der FC Hansa immer noch Antrieb mit dem Fußball in der Hansestadt zu beginnen, den Traum zu generieren, irgendwann einmal Fußballprofi zu werden. Sich als Jugendlicher dem RFC anzuschließen, um irgendwann auf der Kogge anzuheuern. Greese gewährt Beispiele: „Jedes Jahr gehen zwei bis drei, manchmal auch vier Jugendspieler von uns zum Hansa-Nachwuchs. Der FC Hansa ist für viele Kinder der Ansporn, schon als Kind alles zu geben. Ohne ihm würde es wohl deutlich schwerer werden.“

Imagefilme für Rostock und Mecklenburg-Vorpommern

Dabei ist die negative Entwicklung des FC Hansa nicht die einzige Sorgenfalte. Ausgerechnet der Erfolgshunger der Kistenmacher-Elf besitzt auch eine kleine Schattenseite. Wohl konturiert auf den Kontoauszügen des RFCs. Auslöser: die Siegprämien, die es bei den Rostockern zu verdienen gibt. 40 Euro für einen Startelf-Einsatz, 30 für einen Einwechselspieler, 15 für neunzig lange Minuten auf der Reservebank. Bei sieben Siegen kam bisher einiges zusammen – vor allem im Vergleich zum letzten Jahr, wo in der Hinrunde eher Schmalkost als Haute Cuisine am Damerower Weg gereicht wurde. Greese zeigt sich aber gnädig, begleitet seine Sätze mit einem süffisantem Grinsen: „Die haben es sich verdient. Vom ersten bis zum letzten Mann. Übrigens nicht nur für die Ergebnisse, sondern auch für die Hingabe. Beim Training zuzuschauen, zu sehen wie die Jungs mit dem Trainer arbeiten – das ist schon ein Erlebnis.“

Hingabe. Dass ist das, was sich der 43-Jährige nun auch vom Rostocker Publikum wünscht. 100 Zuschauer mehr und die Prämiensorgen wären sprichwörtlich Geschichte. Zum Beispiel am nächsten Wochenende, wenn der Tabellenführer aus Torgelow in Rostock gastiert. Der Vierte den Ersten zum Spitzenspiel empfängt.

Am letzten Freitag verlor der RFC übrigens. In Schwerin, in letzter Minute. Ein guter Tag fürs Konto, ein mieser für Greese, wie er sagt: „Schade. Ich hätte lieber gewonnen.“ Zumindest eines war positiv: der 1:2-Gegentreffer in der Nachspielzeit hatte auch eine gute Auswirkung. Der Bart war wieder ein deutliches Stückchen gewachsen.

Hannes Hilbrecht

Hannes Hilbrecht schreibt und schrieb nebenbei für ZEIT ONLINE, NDR.de und den Berliner Tagesspiegel. Füllt ein Marketing-Magazin mit Liebe (GrowSmarter.de) Und er liest eine spannende Case Story genauso gerne wie den neuen Roman von Ralf Rothmann.