Top

Ein Mecklenburger auf bayrischer Überholspur

Im Mecklenburger Fußball sieht es traurig aus. Der → FC Hansa steckt voll in der Krise, in Neustrelitz ist man ebenso unglücklich. Alles Scheiße im schönsten Bundesland der Welt? Mitnichten – ausgerechnet in München macht ein Küstenjung richtig von sich reden und dominiert mit dem jüngsten Team der Liga die Regio-Bayern. Eine Eloge von Hannes Hilbrecht auf Torsten Fröhling. Dem Mann aus Bützow, der selbst die Bayern auf Distanz hält.

Foto: TSV 1860 München

Imagefilme für Rostock und Mecklenburg-Vorpommern

 

„Wer?“, wird in Rostock während der Unterhaltungen in Quetschen, Bars, neulich sogar auf einer Kneipentour der „Erstis“ gefragt, wenn man unter Fußballfans aus dem Norden den Namen Torsten Fröhling erwähnt. Der Name ist kaum jemandem mit Koggen-Sympathie bekannt, auch fußaffine Zuzügler aus den anderen Nordländern haben den Namen höchstens vage in Erinnerung. Und auch das ist in der Regel nur bei Hamburgern der Fall.

Dabei liefert Torsten Fröhling eigentlich genug Argumente, um auch in Küstenregionen, vor allem aber in Mecklenburg-Vorpommern, bekannt zu sein. Denn der 48-Jährige ist so etwas wie ein Fußballbotschafter des Bundeslandes, das im Fußball zurzeit vor sich hinvegetiert. Der FC Hansa, einst als Leuchtturm des Ostens tituliert, ist seit Jahren nur noch eine sportlich missratene Persiflage des eigenen Namens, die TSG Neustrelitz, im letzten Jahr immerhin mal wieder einen überregionalen Titel für Meck-Pomm erringend, steht nach fabulöser Brdaric-Ära vor einem Scherbenhaufen – und auf einem Abstiegsplatz.

Tief im Süden aber, wo die Berge zu einer stillen Wand emporsteigen, gibt es einen Mecklenburger, genauer gesagt einen Bützower, der vom Aufwind wattiert von sich reden macht. Mit der zweiten Mannschaft von 1860 München führt der 48-Jährige die Tabelle der Regionalliga-Bayern an. Zwei Punkte vor den Würzburgern von Bernd Hollerbach, bereits sechs Zähler sind es vor dem Erzrivalen vom FC Bayern. Und das ist sogar noch besonderer, wenn man sich die Begleitumstände anschaut. Denn die Münchner Löwen spielen nicht wie üblich mit einer U23, sondern viel mehr mit einer U21, schließlich sind 21 der 26 Spieler noch nicht über die 21er-Grenze hinweggealtert, fast die Hälfte des Kaders, nämlich zwölf Akteure, haben nicht einmal die zwanzig geknackt. Trotzdem überragt die Mannschaft, gewann zehn Begegnungen, holte dreimal ein Remis und verlor lediglich ein Spiel in der Auftaktphase der Saison.

Für Fröhling selbst kommt der positive Lauf sogar etwas überraschend, wie er BLOG-TRIFFT-BALL beim Gespräch verrät: „Wir haben nicht damit gerechnet, da wir ja die halbe A-Jugend aus dem letzten Jahr integriert haben. Eigentlich dachten wir, dass wir mehr Zeit bräuchten.“

So verwundert es wenig, dass Fröhling gut gelaunt ist. Und die gute Laune Fröhlings kommt nicht von ungefähr. Es ist auch nicht die sportliche Bilanz alleine, die dem einstigen Teamkollegen von Andreas Reinke zu einer etwas abgekühlten Variante der bayrischen Frohnatur macht. Es ist die ganz persönliche Historie, die das Lächeln breiter, die Stimme mit mehr Euphorie ausstaffiert. Geschenkt wurde dem Fußballlehrer, der seine Trainerausbildung bereits 2005 absolvierte, wenig in seiner Trainerkarriere. Nachwuchs bei St. Pauli, Nachwuchs beim Hamburger SV, U23 und Kurzzeitinterimstrainer bei Holstein Kiel und nun Regionalliga mit überwiegend jungen Spielern in München. Zwischendurch Cheftrainerposten im obersten Amateurbereich, bei Altona 93 und Eintracht Norderstedt. „Ach, ich würde das gar nicht so negativ sehen“, formuliert Fröhling mit einer großen Portion Optimismus, bevor er seine Erklärung fortsetzt: „Ich konnte überall lernen, überall die besten Methoden in der Arbeit mit jungen Spielern herausfiltern. Das hilft mir nicht nur in München weiter, sondern auch generell.“

Etwas trüber und pessimistischer wird Fröhling nach Erzählungen von Bergwanderungen, dem „Kraxeln“, wie es in Bayern gewohnt fremdwortartig gesagt wird, wenn er über den Norden, über seine Heimat spricht. Zum einen ist es die Familie in Hamburg, Bützow und Rostock die fehlt, obwohl er sich an der Isar, inmitten der Biergarten- und Weißbierfolklore bestens eingelebt hat. Alle zwei, manchmal drei Wochen, ackert Fröhling nicht nur an der Seitenlinie, sondern knattert spät abends über die Autobahnen. „Zwei Nächte auf der Autobahn sind es mir wert, ein paar Stunden zu Hause zu sein“, berichtet Fröhling, nicht ohne etwas versteckter Melancholie zu wanken.

Das andere aber, stimmlich nur etwas wohliger verpackt, ist die Sorge um seinen Heimatverein. Obwohl er zu DDR-Zeiten nach Magdeburg und nicht nach Rostock delegiert wurde, ist der FC Hansa noch immer ein Verein mit einem großen Stück vom  Fußballherzen geblieben: „Es macht mich traurig, wenn ich am Wochenende schaue, wie die Jungs gespielt haben. Das hat die Stadt, der Verein, das ganze Bundesland nicht verdient. Ich drücke die Daumen, hoffe das Beste,“ so Fröhling, mit den Fingern etwas auf der Tischplatte tippelnd, die Nase rümpfend.

Wie der Zufall es manchmal so will, wäre Fröhling vor 16 Monaten sogar fast in Rostock gelandet. Als Co-Trainer von Andreas Bergmann. Uwe Vesters Idee soll es gewesen sein, die auf wenig Gegenliebe bei den Verantwortlichen stieß. Bergmann und Fröhling, so hört man im Hamburger Fußball, mögen sich nicht. Als Bergmann Nachwuchschef bei St. Pauli wurde, verabschiedete sich Fröhling, bis dato in der Jugend erfolgreich arbeitend, wenig später. „Wir hauen uns jetzt nicht auf die Gusche, wenn wir uns sehen“, scherzt Fröhling wieder aufgelockert.

Imagefilme für Rostock und Mecklenburg-Vorpommern

Der Weg nach oben ist aber trotz der Prise Humor weiterhin die große Maßgabe für Fröhling. „Besser geht immer, anpacken geht immer“, kampfansagt er nun. Vielleicht mit den Löwen, deren Pläne aufzusteigen bereits im Sommer 2013, damals erst in der Relegation gegen Elversberg scheiternd, offenkundig wurden. Eine Liga, die auch Fröhling anpeilt – auch wenn er auch die Schattenseite für seine Jung-Löwen betrachtet: „Wir müssen ja sehen, was das Beste für die jungen Spieler in ihrer Entwicklung ist. Ob es nicht schädlich ist, wenn man öfter verliert und danach zehn Stunden im Bus nachdenken muss.“

Auf jeden Fall hat Fröhling bei seinen Fußballreisen im deutschen Süden den Norden stets im Blick. „Ich habe bei den Löwen alles was ich will, super Menschen und richtig feine Kicker. Aber es gibt immer so Vereine, wo man sich früher vorgestellt hat, einmal für sie zu arbeiten.“ Wann Fröhling in den Norden zurückkehrt ist jedoch noch nicht absehbar – zu gut läuft es im Himmelblau der Sechziger – für beide Seiten.

lienen_teaser

Hannes Hilbrecht

Hannes Hilbrecht schreibt und schrieb nebenbei für ZEIT ONLINE, NDR.de und den Berliner Tagesspiegel. Füllt ein Marketing-Magazin mit Liebe (GrowSmarter.de) Und er liest eine spannende Case Story genauso gerne wie den neuen Roman von Ralf Rothmann.