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Das erste Lehrjahr bei Hecking

Im letzten Jahr Meister in der Regionalliga Nord, dann der große Verlierer in der Relegation. Für die U23 des VfL Wolfsburg lief es nicht WIE gewünscht. Dieser Trend setzt sich vermeintlich in der laufenden Spielzeit fort. Die Mannschaft von Thomas Brdaric ist „nur“ Dritter. Dennoch gab es am Wochenende einen doppelten Erfolg zu feiern. Wir hörten uns bei Thomas Brdaric um.

Foto: hammoniaview.de

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„Perfekt?“, fragt Thomas Brdaric etwas überrascht. Er überlegt kurz, wird dann spitzzüngiger: „Perfekt wäre es gewesen, wenn auch Bremen verloren hätte.“ Thomas Brdaric  lacht, er hat zum Wochenstart gute Laune, klingt entspannt.

Warum das Wochenende aus Sicht der Jungwölfe immerhin „fast“ perfekt war, lässt sich am positiven Eindruck Brdraric‘ erahnen, wie auch konkretisiert bei Betrachtung des vergangenen Spieltags. Rückrundenbeginn, 18. Saisonspiel. Und endlich, so seufzte bestimmt der ein oder andere Bremer und Wolfsburger am Sonntagnachmittag, hatten die Überflieger aus Hamburg ihre erste Bruchlandung hingelegt.

Der HSV II, bis zum Sonntag noch ungeschlagen, bekam unter der Abwesenheit wichtiger Spieler, die erneut in großer Anzahl Bundesliga-Atmosphäre schnupperten, in Norderstedt eine 1:4-Abreibung verpasst. Erwies sich aus Sicht der Konkurrenz endlich, nach zuletzt zusehends engeren Spielen, als schlagbar.

Schlagbar war der VfL Wolfsburg am Wochenende nicht. Die junge Truppe siegte gegen formstarke St. Paulianer mit 3:0, feierte dabei ihren zehnten Saisonsieg. Reduzierte den Abstand auf die noch immer souverän führenden Hamburger von 15 auf 12 Punkte.

Also wieder auf dem Weg ins Titelrennen? „Wir schauen auf uns, haben viel Arbeit vor uns. Meine Aufgabe ist es nicht, andere zu bewerten, sondern meine Jungs auf das Profigeschäft vorzubereiten. Und dabei wollen wir natürlich erfolgreich sein“, erklärt Brdaric umfassend.

12 Punkte Abstand sind eine Menge Holz. Sie resultieren aus fünf Hinrunden-Niederlagen. Eine Quote, die für Brdaric und seinen Arbeitgeber vermeintlich unvorbereitet kam. Beide Seiten – Brdaric war damals noch in Neustrelitz aktiv – hatten in der vergangenen Saison nur sechs Spiele verloren. Die Wiederholung dieser Fabelleistung erscheint momentan schwer vorstellbar, vor allem weil gegen die Spitzenteams wenig läuft. Gegen die direkte Konkurrenz aus Hamburg, Bremen und Meppen gab es allesamt deutliche Niederlagen.

Brdaric hingegen gibt sich vom Saisonverlauf wenig überrascht. Dass es keine leichte Aufgabe werden würde, so sagt der einstige Nationalspieler, „sei jedem klar gewesen“, und wäre vor allem mit dem „personellen Aderlass im Sommer“ begründbar. Wieder etwas aufbauen, sei die Devise zum Start in den neuen Job gewesen, vollendet der langjährige Bundesliga-Akteur.

Sieben Abgänge standen damals exemplarisch für den personellen Umbruch, den sogenannten Aderlass, wie es zuvor ausgedrückt wurde. Stützen wie  Top-Torjäger Kevin Scheidhauer und Justin Eilers, die im vergangenen Jahr im Zusammenschluss 37 Tore erzielten, sind mit viel Fortüne in der dritten Liga angekommen, mit Willi Evseev und Ferhat Yazgan spielt die wichtige Mittelfeldzentrale mittlerweile 2. Bundesliga oder erste türkischen Spielklasse. Weitere Stammkräfte wie Tankulic, Poggenberg oder Granatowski findet man ebenso wenig im Aufgebaut. „Es ist eine Herausforderung. Die aber auch Spaß macht“, stellt der zur Profizeiten streitbare Torjäger klar.

Aus den weiteren Ausfällen zieht der 39-Jähre das maximal Optimistische. So bemüht sich Brdaric darum, selbst die Verletzung seines Neustrelitzer Mitbringsel Dino Medjedovic ins Positive zu verkehren: „Aus diesen Dingen lernt man doch nur. Man muss nicht immer alles schlechtreden, sondern lernen und lernen.“

Das ist das Mantra, welches Brdaric immer wieder anführt. Lernen. Der „Tagesspiegel“ lobte und amüsierte sich  zuweilen ein bisschen in einer Reportage über die Art des U23-Trainers. In Neustrelitz, wo man nach dem Hickhack um seinen Verbleib ein wenig böse auf den eigentlichen Held war, wurde seine Akribie lange Zeit vermisst. Ausdauerndes, detailversessenes Arbeiten hatte die TSG Neustrelitz gegen zahlungskräftigere Kontrahenten gewappnet. Neustrelitz-Trainer Andreas Petersen, die Nummer zwei in der Post-Brdaric-Ära, adelte im BTB-Interview die TSG aus dem Vorjahr „als am besten sortierte wie organisierte Mannschaft“ der Liga. In Trainerkreisen ein Ritterschlag symbolischer Natur.

Es sind Aussagen und nachwehende Lobhudeleien, die Brdaric registrieren dürfte. Denn der Ritterschlag zum Bundesliga-Trainer blieb in dieser Spielzeit aus und scheint zurzeit nicht mehr als eine ferne Perspektive zu sein. Das überrascht wenig, entspricht lediglich den Erwartungen vom Saisonbeginn.

Doch erwies sich die Regionalliga-Nord in dieser Saison bisher als besonders großes Sprungbrett für die Trainer aus der zweiten Garde. Josef Zinnbauer zum HSV,  Viktor Skripnik zu Werder. Beide erfolgreich, beide sicher im Sattel. Wohl auch auf Dauer im Amt. Thomas Meggle, der dritte im Bunde, strauchelt. Aber auch er durfte per Kaltstart aus der vierten in die zweite Liga wechseln. Der VfL Wolfsburg liegt im Soll. Etwaige Trainerdiskussionen sind nicht absehbar. Brdaric stellt klar: „Für mich war die Aufgabe in Wolfsburg auch so verlockend, sodass ich gerne diesen Weg gegangen bin.“

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Schabloniert man seine aktuelle Station in Niedersachsen mit seiner Meistermannschaft aus dem Südosten Mecklenburg-Vorpommerns, dann wird deutlich, was der Ex-Profi mit „verlockend“ meint. Anders als im provinziellen Neustrelitz entsprechen die Bedingungen aller höchster Güteklassen, die talentierten Spieler, die man will, lassen sich deutlich leichter an die Bundesligaadresse locken. Und dann wäre noch Dieter Hecking.

Unter seinem Chef in Wolfsburg spielte er bereits in Hannover, und das erfolgreich. Zehn Spiele, fünf Tore. Für Brdaric eine hohe Quote. Kein „Wunder, dass die Zusammenarbeit harmoniert und der Fußballlehrer seiner Lieblingsbeschäftigung nachgehen darf: „Wir tauschen uns aus und ich merke dabei, wie wichtig ihm die Zweite ist. Und Lernen kann man von ihm hervorragend, wie damals schon als Spieler.“

→ Lesetipp: Brdaric zu schräg für die Bundesliga?

Hannes Hilbrecht

Hannes Hilbrecht schreibt und schrieb nebenbei für ZEIT ONLINE, NDR.de und den Berliner Tagesspiegel. Füllt ein Marketing-Magazin mit Liebe (GrowSmarter.de) Und er liest eine spannende Case Story genauso gerne wie den neuen Roman von Ralf Rothmann.