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Holstein-Präsident Roland Reime im BTB-Interview

Roland Reime ist seit 2007 Präsident bei Holstein Kiel. Im Interview sprechen wir über seine Aufgaben im Verein, Niederlagen und das Ziel, das Stadion voll zu bekommen.

 

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Herr Reime, mal gleich ein wenig Geschichte. Ist das mit den Kieler-Störchen eine alte Marketingnummer oder gab es die wirklich schon früher?

Ja, die gab es schon früher. Das hat sich damals recht früh entwickelt. Ich persönlich, der seit über zwanzig Jahren das Geschäft genauestens verfolgt, kenne die KSV Holstein schon immer als Störche. Normalerweise ist das ja andersrum, also dass solche Namen für Marketingzwecke erfunden werden. Wir konnten uns diesen Weg sparen und direkt loslegen. Und ich finde, das gelingt Wolfgang Schwenke ganz gut.

Das Aufgabengebiet vom Herrn Schwenke kennen wir bereits. Wie sieht eigentlich Ihres aus? Viele Aktenschränke sehen wir ja nicht in diesem Büro.

Als ich vor sieben Jahre hier angefangen habe, war das noch anders. Da habe ich mit meinen Mitstreitern die operativen Geschäfte übernommen, den Verein sechs Stunden am Tag betreut. Für ein Ehrenamt war das natürlich ein immenses Pensum. Deshalb haben wir mit den beiden Hauptgeldgebern und Sponsoren im Hintergrund ausgemacht, eine hauptamtliche Geschäftsführung einzusetzen. Seitdem habe ich mich ein von der direkten Einflussnahme etwas entfernt, versuche eher als Ratgeber meinen Anteil zum Erfolg beizutragen.

Sie sind damals vom THW Kiel zur KSV Holstein gegangen. Das ist ja nicht der kleinste Schritt.

Es wurde ja damals gemutmaßt, dass es eine Entscheidung für den Fußball und gegen den Handball gewesen wäre. Dem ist nicht so gewesen, da ich diese Wahl auch gar nicht treffen könnte, da mir beide Sportarten sehr wichtig sind. Es war also eine Entscheidung für die Aufgabe und dem Fußballverein, keineswegs aber eine gegen den THW.

Ist Ihnen denn der Schritt in die zweite Reihe, also beim Fußball versteht sich, ebenso schwergefallen?

Es ist doch so: wenn man Verantwortliche bestimmt, die die Kontrolle über das Geschehen besitzen sollen, dann muss man da auch konsequent sein und den handelnden Personen das Geschick überlassen. Bei Grundsatzdiskussionen bringe ich mich ein, formuliere meinen Standpunkt immer recht deutlich. Aber die Ausgangssituation besteht darin, dass wir unseren Vertrauten das Feld überlassen. Und steht man wirklich hinter dieser Strategie, fällt es auch nicht schwer, sich verstärkt im Hintergrund aufzuhalten.

Sie sind auch in Ihrem Beruf als Versicherungsvorstand eine Person von Verantwortung gewesen. Sie sind es doch gewohnt, aktiv mitzuentscheiden. Geht das mit dem Heraushalten wirklich so leicht?

Mir ist wichtig, dass die Kontakte geblieben sind. Ich habe einen guten Draht zu den Spielern und zur gesamten Mannschaft. Damit meine ich nicht nur die Jungs auf dem Platz, sondern ebenso Trainerteam und die Angestellten auf der Geschäftsstelle. Ich fühle mich im Vereinsgeschehen involviert. Und das ist mir wichtig.

Also reichlich Freizeit.

Das würde ich nicht sagen. Ich habe viel um die Ohren, führe noch Aufsichtsratsmandate aus und bin Kurator eines großen Museums in Schleswig-Holstein. Und für die freiwilligen Feuerwehren im Norden bin ich auch noch im Hintergrund aktiv. Daher bin ich mit der Regelung, was die KSV betrifft, sehr zufrieden.

Nun fällt in Kiel allgemein auf, dass die Fluktuation in den wichtigen Personalien sehr gering ist. Die Trainer bekommen Zeit, der Sportdirektor ging nach fast fünf Jahren freiwillig. Ist diese ruhige Arbeitsweise eine Konsequenz aus dem damaligen Übereilen, als man unbedingt in die zweite Liga wollte?

Das kann man so sagen. Wenn man seine Ziele nicht erreicht, dann muss man, auch in Anbetracht des großen emotionalen wie finanziellen Engagements wichtiger Personen im Hintergrund, die notwendigen Konsequenzen ziehen. Sich zusammensetzen und Optionen besprechen. Und die Entscheidung war damals, wie bereits erwähnt, das Geschäft Hauptämtern zu übertragen. Das hat uns sicherlich gut getan.

Im Internet ist zu lesen, dass sie damals das Ziel 2. Bundesliga zum Jahr 2012 ausgegeben haben.

Ja, das ist richtig. Es war unser Ziel, zum einhundertsten Jubiläum der deutschen Meisterschaft wieder zweitklassig zu spielen.

Jetzt haben wir 2014. Fühlte es sich damals wie eine Niederlage an, es nicht geschafft zu haben?

Auf jeden Fall. Es war unser Ziel, und das haben wir eben nicht erreichen können. Der Aufstieg in die zweite Liga bleibt jedoch weiter unsere perspektivische Erwartung. Nicht unmittelbar, da wir uns zuallererst in der Liga etablieren wollen, aber die Zielstellung steht für die Zukunft. Es ist ganz nebenbei auch mein persönlicher Herzenswunsch.

Im Fußball will man doch schnellstens hoch.

Ja, innerlich möchte man das ja auch. Nur geht man behutsamer mit dem Ziel um, fordert es nicht mit vollem Risiko heraus. Anstatt dieses zutun und dabei Erwartungen schüren, ist es doch ratsamer, zu überdenken, wo wir welche Fehler begangen haben. Wo Schritte versäumt wurden. Um zur Ausgangsfrage zurückzukommen: ich würde es schon gerne noch erleben, dass unsere Zielstellung erfolgreich abgeschlossen wird.

Gibt es DEN Fehler, wo sich alle einig sind, dass es der entscheidende Schritt in die falsche Richtung war?

Nein, das glaube ich nicht. Den einen Patzer gibt es leider nicht. Und das ist ein Problem. Warum schießt eine Mannschaft keine Tore? Wieso entwickeln sich Spieler nicht weiter, die eigentlich das Potenzial besitzen? Warum spielt sie lange gut, dann aber wieder extrem schlecht? Ich glaube einfach, dass es eine Kopfsache ist. Kicken können sie alle.

Was damals auffiel. Sie haben Ihren Trainer Peter Vollmann auf Rang Eins platziert entlassen. War das eine Konsequenz auf Ihre Frage bezüglich der Entwicklung?

Wir haben damals die Entscheidung getroffen, jemanden zu holen, der im Besitz weitreichender Erfahrungen ist. Im höherklassigen Bereich und im Nachwuchsbereich gearbeitet hat. Da bot es sich an, Falko Götz zu engagieren. Was Peter Vollmann betrifft, liegen Sie mit Ihrer Vermutung sicherlich nicht falsch.

Wenn wir über den FC Hansa Rostock sprechen. Verlockt Sie der Titel „die Nummer 1 von der Ostsee?“ (-> zum Hintergrundartikel)

Der klingt natürlich gut. Und natürlich ist es eine Zielstellung, die mit der anderen gewissermaßen einhergeht. Ich glaube auch, dass wir sportlich nicht allzu weit davon entfernt sind und auch finanziell sieht es bei uns etwas komfortabler aus. Vergessen darf man aber nicht, dass der FC Hansa lange Jahre eine ganz große Nummer im deutschen Fußball war. In Sachen Anhang und Tradition uns noch einiges voraushat.

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So bescheiden?

Es geht im Fußball schnell. Sehr schnell. Solche Aussagen sollte man nur treffen, wenn der Fall, den Sie beschreiben, auch wirklich eingetroffen ist. Sofern man noch nicht ganz vorbei gezogen ist und der Abstand noch als gering bewertet werden muss, sollte man sich nicht zu weit aus dem Fenster lehnen. Außerdem schauen wir lieber auf uns, als auf die Entwicklung anderer.

Warum muss die KSV Holstein dann an Hansa vorbei?

Es geht nicht darum, irgendeinen Verein zu überholen. Sondern darum, in Kiel bald höherklassigen Fußball anzubieten. Damit wir das Stadion vollbekommen. Das Potenzial in der Stadt ist da, im gesamten Bundesland lechzen die Fans nach höherklassigen Fußball. Viele gehen noch zum HSV und zu St. Pauli. Wenn wir in der zweiten Liga spielen, dann bin ich mir sicher, dass viele von ihnen unsere Spiele besuchen. Bis dorthin ist es aber noch ein weiter Weg. //

Meinung des Autors: Ich war überrascht. Sehr überrascht sogar. Im Vorfeld des Interviews hatte ich mir Roland Reime ganz anders vorgestellt. Hochnäsig, arrogant – so, wie man sich eine ehemalige Vorstandsgröße aus der Wirtschaft halt vorstellt. Das Gespräch war aber alles andere als kühl. Es war einsichtig und offen, keine Spur von Überheblichkeit. Gerne hätte man sich mit Reime bei nem guten Whisky hingesetzt und sich paar Tipps für die Unternehmungsgründung geholt. Dieser Wandel innerhalb von 45 Minuten hat mich fasziniert.

Hannes Hilbrecht

Hannes Hilbrecht schreibt und schrieb nebenbei für ZEIT ONLINE, NDR.de und den Berliner Tagesspiegel. Füllt ein Marketing-Magazin mit Liebe (GrowSmarter.de) Und er liest eine spannende Case Story genauso gerne wie den neuen Roman von Ralf Rothmann.