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„Man kann ganz gutes Geld verdienen“

Hendrik Helmkes Karriereanfänge lesen sich noch relativ normal: HSV, Concordia Hamburg, SC Vier- und Marschlande, VfL Maschen, VfB Lübeck, Lüneburger SK. Vor drei Jahren verlässt er die Komfortzone Norddeutschland und wagt gleich mehrere Trips ins Ausland. Der Junge aus dem niedersächsischen Winsen an der Luhe macht Halt in Finnland, Malaysia und Norwegen, und hat nun einige Geschichten zu erzählen.

Das Interview

Hallo Hendrik, du hast die letzte Saison in der finnischen Liga verbracht. Wie müssen wir uns den Fußball in Skandinavien denn vorstellen? Geht es dort auch mal mit dem Schneemobil zum Training?

Die Fragen stellen mir viele Freunde und Bekannte. Und natürlich sind die Winter in Finnland und Norwegen ganz andere als hier in Hamburg. Es wird schon knackig kalt und ungemütlich, dafür sind die Sommer aber nicht zu verschmähen. Da kann es schon mächtig heiß draußen werden.

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Die Wintervorbereitung findet aber im Januar statt. Ich habe gehört, es ist nicht allzu ungewöhnlich, wenn bis April meterhoch Schnee liegt.

Die Finnen sind aber ganz anders darauf vorbereitet. Die Probleme mit gefrorenen Plätzen, die du in Deutschland häufiger hast, findet man dort nicht. Trainiert wird in richtigen Fußballhallen, wo hervorragender Kunstrasen ausliegt. Auch Laufbahnen gibt es in diesen großen Arenen. Du trainierst warm und auf ordentlichem Bodenbelag – es ist dort eigentlich viel angenehmer als in Deutschland zur kalten Jahreszeit.

Wenn man über Profi-Fußball im Ausland spricht, dann ist nicht selten zu hören, dass nicht überall so pünktlich überwiesen wird wie bei uns in Deutschland. Wie haben sich die skandinavischen Klubs geschlagen?

Sehr überzeugend. In Finnland wie auch in Norwegen war es so, dass das Gehalt meistens 2 bis 3 Tage vorher auf dem Konto eingegangen ist. Nur einmal gab es eine zweitätige Verspätung, was ja an sich nicht schlimm ist. Die Reaktion der Vereine war nur erstaunlich – sie haben sich richtig entschuldigt und erklärt, es läge an den Feiertagen und dem darauffolgenden Wochenende. Man hat gemerkt, dass es ihnen leid tat. Und ich sage nochmal – es ging damals nur um eine zweitägige Verspätung.

Wie empfindest du eigentlich die Reiserei in Finnland? Man sitzt ja manchmal doch ein paar Stunden im Bus.

Da ich zuletzt sehr zentral in Finnland gespielt habe, blieben die großen Fahrten aus. Aber auch die ab und an vorkommenden Siebenstundentrips konnte ich genießen. Es ist einfach unglaublich schön, diese einzigartige Landschaft mit dem Bus zu passieren, und nebenbei mit den Kumpels im Bus Karten zu spielen. Nein, auf die Reisen habe ich mich meistens sogar gefreut.

Es gab dann aber auch eine richtig große Reise. Nach Malaysia.

Ja, das war eine überragende Zeit. Die zunächst sehr unglücklich begann. Ich habe direkt nach der Vertragsunterschrift eine Trainingseinheit mit den angeschlagenen Spielern absolviert, und ich war, obwohl ich eigentlich dachte, ich seit fit, nach zwei Runden stehend K.O. Ich konnte gar nichts mehr, trotz der geringen Belastung. Die Leute dachten, ich würde ihnen einen üblen Streich spielen.

Die Hitze.

Das war die klare Ursache. Ich meine, ich hatte mich gut vorbereitet. Aber ich kam aus Skandinavien, hielt mich dann im Januar kurz in Deutschland auf und war dadurch noch an ganz andere Temperaturen gewöhnt. Dass habe ich im Training gemerkt, meine Schuhe waren durch den Schweiß und die Luftfeuchtigkeit so nass, dass ich sie mühelos auswringen konnte. Alles hat getropft, von den Socken bis zum Shirt. Es war insgesamt eine große Umstellungssache.

Wie muss man sichden  Fußball auf Malaysia denn vorstellen? Ich kenne nur die Formel 1 und den Preis von Kuala Lumpur.

Die Fußballbegeisterung ist der helle Wahnsinn. Du wirst als Spieler überall erkannt, es kam nicht selten vor, dass ich in einer Einkaufsmall angesprochen wurde. Allgemein ist die Fußballpräsenz schier überwältigend, es gibt viele TV-Sender, auf denen den ganzen Tag nur Fußball gezeigt wird. Überall wird der Fußball analysiert, du wirst förmlich mit dem Sport bombardiert. Dass ist noch einmal eine ganz andere Schippe als bei uns in Deutschland, wo du nur Sky und den Doppelpass zur Auswahl hast.

Gab es den einen Kulturschock?

So drastisch würde ich es gar nicht ausdrücken. Natürlich muss man wissen, dass es ein sehr muslimisches Land ist und es nicht verkehrt sein kann, aus Respekt auf ein paar Dinge zu achten. Was ungewöhnlich, aber auch nicht wirklich schlimm war, ist die Art geweckt zu werden. Wenn um vier Uhr morgens zum Gebet aufgerufen wurde und die Lautstärker den Appell durch die ganze Stadt beschallten, dann bist du die ersten Male schon überrascht aus den Federn hochgeschrocken.

Was war dann bisher die größte Belastung bei einer Auslandsaufgabe?

In Norwegen war es schwierig, weil ich bei Tromsö ganz oben im Norden gespielt habe. Da war man froh, wenn man zwei Stunden Tageslicht zu Gesicht bekommen hat. Um neun ist man aufgestanden und alles war dunkel. Erst im Laufe des Trainings wurde es kurz etwas hell. Wenn man dann nach Hause kommt, überlegt man sich, was man nun zum Abendbrot essen könnte – dabei war es meist erst mittags um eins. Und im September habe ich einmal die Jalousien hochgezogen und wäre fast nach hinten umgefallen – denn alles war weiß und voller Schnee.

Ist dann – und auch bei deinem Karriereweg im Allgemeinen – überhaupt ein soziales Leben möglich?

Auf alle Fälle. Du wächst mit deinen Mitspielern zusammen, und ich würde sogar sagen, dass die Freundschaften, die ich in den letzten Jahren aufgebaut habe, meine wichtigsten freundschaftlichen Beziehungen darstellen. Wir stehen auch immer noch in Kontakt, schreiben und skypen täglich und wenn es sich anbietet, besuchen wir uns gegenseitig.

Lebst du eigentlich aus dem Koffer und wohnst als Stammgast in Hotels, oder legst du großen Wert auf eine eigene Bleibe?

Ersteres und Letzteres. Ich bin kein Typ, der sich auf Dauer in einem Hotel wohlfühlt. Und in Skandinavien ist es nun einmal so, dass du bei deiner Wohnungssuche sehr viel Hilfsbereitschaft erfährst. Du bekommst auch oft Wohnungen präsentiert, dir die gestellt werden können. Aus dem Koffer lebe ich aber, weil ich meinen Hausstand nicht so einfach mitnehmen kann. Das wäre viel zu kompliziert. Deshalb ist in meinem Elternhaus im alten Zimmer eine Art Lager entstanden, aus dem ich mir denn die wichtigsten Sachen mitnehme, wenn es wieder gen Ausland geht. Zudem kommt, dass ich natürlich auch dort wieder Klamotten kaufe. Es sammelt sich vieles an und die Koffer kommen meist voller als zu Beginn der Auslandsunternehmung zurück.

Kommt es eigentlich vor, dass dich Kollegen fragen, wie das eigentlich so wäre, im Ausland aktiv zu sein?

Ich bekomme ständig diese Fragen. Sie interessieren sich sehr für diesen Weg, wollen vieles wissen und manch einer fragt auch, ob es  nicht möglich wäre, Vorstellungstrainings zu arrangieren.

Würdest du den Leuten zu diesen Schritt raten?

Ja, alleine schon weil ich glaube, dass es immer ratsam ist, in einer ersten Liga zu spielen. Das merkst du auch hier ganz stark. Zum Beispiel haben es Spieler aus zweiten oder dritten Spielklassen aus dem Ausland schwerer, hier unterzukommen. Die Klubs holen dann lieber Erstligaspieler aus der höchsten schwedischen Spielklasse. Außerdem kann man auch anderorts ganz gutes Geld verdienen.

Auf deutschem Zweitliganiveau?

Das ist durchaus möglich, sofern du gut bist. Dazu musst du ja noch andere Dinge beachten. Im Ausland werden oft Netto- und nicht wie in Deutschland Bruttolöhne gezahlt, zudem bekommst du vieles gratis dazu. Wohnungen, Leihwagen oder auch Essen, da hier häufig zusammen gespeist wird. Du bist in der ersten finnischen Liga nicht viel schlechter dran als wenn du bei einem guten Zweitligisten in Deutschland spielst. Und dabei ist es nicht nur das Geld, was dich voranbringt.

Sondern?

Du lernst fußballerisch unglaublich viel. Ich war vor dem Schritt ins Ausland ein Sechser mit arg limitiertem Spiel, nun kann ich viel variabler und deutlich offensiver spielen. Zudem kommen die Erfahrungen, die du über die Jahre ansammelst. Ob menschlich, durch das Kennenlernen anderer Städte und Länder, oder sportlich, weil du sogar in der Europa-League landen kannst und auch dort wieder neue Dinge aufnimmst.

Was braucht man, um diesen eigentlich „romantischen“ Karriereweg einzuschlagen? Mit Sicherheit auch Glück.

Glück brauchst du im Fußball immer. Aber du musst mit Sicherheit großes Vertrauen in dein Englisch haben, ansonsten kommst du nämlich nicht sonderlich weit. Und es ist sicherlich von Vorteil, wenn du ein offener Mensch bist und leicht Freunde findest. Denn die Familie ist weit weg.

Wie kommt deine Familie denn damit klar, dass der Sohn jedes Jahr eine andere Adresse hat?

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Sie ist zum Glück sehr fußballbegeistert. Von daher ist es für sie auch ein kleines bisschen Abenteuer.

Es gibt eine Frage, um die wir einfach nicht herumkommen. Was steht noch auf deiner Reiseliste? Klassiker wie Australien oder Thailand, oder doch etwas ganz anderes?

Als Fußballer würde ich ja eher Spanien oder England begrüßen. Da dass aber eher schwierig werden sollte, schaut man sich schon ein wenig um, wo es noch ganz nett sein könnte. Anderseits gibt es dieses eine Wunschland bei mir nicht. Wichtig ist mir persönlich, dass es auch sportlich attraktiv sein muss. Deshalb kann es auch passieren, dass ich es noch einmal direkt in Deutschland probiere. In bin einfach noch zu jung, um nur ans abkassieren zu denken.

Hannes Hilbrecht

Hannes Hilbrecht schreibt und schrieb nebenbei für ZEIT ONLINE, NDR.de und den Berliner Tagesspiegel. Füllt ein Marketing-Magazin mit Liebe (GrowSmarter.de) Und er liest eine spannende Case Story genauso gerne wie den neuen Roman von Ralf Rothmann.