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Max Christiansen zwischen den Karriereautobahnen

Der erst 18-jährige Max Christiansen gilt als eines der größten deutschen Talente. Doch wie sieht es hinter den Kulissen aus? Wir fragten nach – beim Christiansen-Papa. Wir sprachen über wegweisende Entscheidungen und die Perspektive Hansa Rostock.

Foto: NDR.de

Imagefilme für Rostock und Mecklenburg-Vorpommern

Irgendwo auf der Autobahn zwischen Bremen und Berlin klingelte das Handy. Es war ein Samstagnachmittag, Ende März, kurz nach 13 Uhr, als der Fahrer des Wagens an sein Telefon ging. Kurze Zeit später sollte ihm ausgerichtet werden, dass sein Sohn unmittelbar vor dem Profi-Debüt stünde, er sogleich in der ersten Elf eingesetzt werden würde.

Sven Christiansen erinnert sich mit einem Grinsen im Gesicht, schüttelt aber auch ein wenig den Kopf. Sein Sohn, von dem er kaum ein Jugendspiel in Rostock verpasst hatte, für den er am Wochenende samt Familie regelmäßig mindestens 600 Kilometer abspulte, hatte sein Profidebüt gegen die Stuttgarter Kickers ohne ihn absolviert.

„Das war dann leider so. Aber meine Frau und mein anderer Sohn saßen auf der Tribüne, Max war also nicht allein“, erinnert sich Vater Christiansen, der seinen damaligen Rostock-Besuch für Sonntag eingeplant hatte – zur A-Jugend-Bundesliga.

Mittlerweile verpasst der einstige Oberliga-Fußballer keine Heimpartie mehr. Nicht der Spielplan der Rostocker U19 ist fest im Smartphone eingespeichert, sondern der Kalender der Drittliga-Mannschaft. Seit jenem Nachmittag im März gehört Sprössling Max fest zum Profi-Team, gehört zum Stammkader, obwohl er gerade einmal 18 Jahre alt ist. Mittlerweile zählt er auch zum Kern der U19-Nationalmannschaft, vor ein paar Wochen traf er zum ersten Mal im DFB-Dress.

Der zentrale Mittelfeldmann, hochgewachsen und physisch kompakt, ist einer der talentiertesten deutschen Jugendspieler. So vielversprechend veranlagt, dass RB Leipzig vor geraumer Zeit eine sechsstellige Ablösesumme für einen Wechsel bot, aber auch andere hochdekorierte Klubs erste Duftmarken hinterließen.

Sven Christiansen könnte also bald zum Vater eines Bundesligaspielers gemacht werden, auf anderen Tribünen sitzen, auf einmal noch mehr mittendrin im Fußballgeschäft sein. Er wiegelt jedoch bescheiden ab: „Es ist ein verdammt langer Weg, es kann so viel passieren. Wir denken von Schritt zu Schritt.“

Sein Sohn ein Bundesligaspieler, vielleicht sogar irgendwann im Nationalmannschaftstrikot? Lange Zeit waren das ferne Gedanken für den 44-Jährigen und seine Familie, obwohl der Schützling bereits seit einigen Jahren in der Fußballstadt Rostock lebt, in einer der renommiertesten Kaderschmieden ausgebildet wurde. Noch nicht einmal beim Triumphzug der A-Jugend, so erinnert sich der stolze Vater, sei man sich sicher gewesen, wie hoch die Karriereleiter einmal führen würde.

Es zählte das Hier und Jetzt, wie damals, als man den 2:0-Sieg in München auf dem berühmten Viktualien-Markt feierte. „Ein paar Bier gab es schon mit Juri Schlünz und den anderen, wir haben damals aber vor allem den Moment genossen. Für Gedanken an die nächsten Jahre war in der damaligen Euphorie einfach kein Platz“, schwärmt der Flensburger noch heute ein wenig beseelt von Abenden, die bis zum A-Jugend-Bundesliga-Finale gegen Wolfsburg führten.

Erst mit der Einladung ins Trainingslager, nur ein paar Wochen später, wurde den Christiansens bewusst, wie nah es um den entscheidenden Schritt zu den Männern bestellt stand.

Dabei gingen diesem großen Sprung viele kleine Etappen voraus. Die Entscheidung vor ein paar Jahren – Sohn Max war damals noch nicht einmal 15 Jahre alt – ob der Schritt von Kiel noch Rostock richtig wäre, oder wie es mit dem richtigen Berater aussehen würde – wegweisende Marken pflasterten den gemeinsamen Weg von Jungprofi und Eltern.

Der Umzug nach Mecklenburg-Vorpommern war dabei noch das geringste Problem, wie Papa Christiansen heute sagt: „Wir waren in Rostock zu Besuch, und Max gefiel es genauso wie uns. Es war eine der schnelleren Entscheidungen.“

Es war ein Umzug mit Konsequenzen, gerade in schulischer Natur. Denn neben einem neuen Jugendzimmer warteten ganz irdische Probleme im Jungfußballer-Alltag. In der Schule wurde auf dem Rostocker Gymnasium anderer Lernstoff als zuvor in Flensburg unterrichtet, Max hing auf dem Gymnasium ohne eigenes Verschulden zurück. Die Eltern trafen mit ihm eine gewichtige Entscheidung.

Wo sonst der simple Grundsatz gilt, die Schule ginge vor, entschieden die Christiansens anders, wie das Familienoberhaupt erzählt: „Er war in Rostock um Fußballprofi zu werden. Also nahmen wir ihn auf die Realschule, um ein wenig Druck von seinen Schultern zu nehmen.“ Der Abschluss glückte, mit guter Endnote schloss der junge Berufsfußballer die mittlere Reife ab.

Es war ein anderes Problem, eine andere Frage, die lange Zeit das Gemüt der Familie prägte. Geraume Zeit sperrte man sich gegen einen Berater, und erst, als immer mehr Vereine anriefen, wurde sich ausführlicher mit dem unliebsamen Thema beschäftigt. Spielervermittler besuchten die Familie, entrollten Konzeptpapiere, umgarnten die Familienbande mit Perspektiven und Versprechungen.

Die Familie suchte Ausschlusskriterien – und stückelte den Bewerberkreis auf drei Interessenten zusammen. Agenturen mit bis zu über 250 Klienten hatten dabei keine Chance. „Wie sollen die sich denn um unseren Sohn kümmern“, fragten sich die zwar fußballbegeisterten, im Profigeschäft aber noch ungalant bewegenden Nordlichter. Am Ende setzte sich der Berater durch, der das Potenzial des Spielers zuallererst erkannt hatte und sich vor allen anderen an die Eltern wandte.

Mittlerweile ist diese Personalie eine Schlüsselfigur, über einen Wechsel weg von der Ostsee werden bereits viele Gerüchte an der Ostseeküste gestreut. Auch, weil der Verein seinen Shooting-Star wahrscheinlich verkaufen muss – der finanziellen Liquidität wegen.

Im Frühjahr standen die Zeichen noch deutlich anders. Die Vertragsgespräche mit Uwe Vester und Andreas Bergmann verliefen gut, beide hatten längst das Vertrauen des Umfelds gewonnen. Eigentlich stand so gut wie fest, dass ein Profivertrag herausspringen würde. Nach langen Jahren voller Enttäuschungen schien es dem Verein mal wieder zu gelingen, ein großes Talent mit einem neuen Kontrakt auszustatten.

Dann veränderte sich das Blatt rasant. Bergmann und Vester wurden nacheinander aus dem Verein gedrängt, mangelnde Kompetenzen hatte man ihnen ziemlich unprätentiös attestiert. Auch Bergmann-Nachfolger Dirk Lottner, der großen Eindruck auf Spieler- und Beraterseite machte, bekam keine Chance. „Die damaligen Gespräche waren eng an der sportlichen Führung geknüpft. Wir hielten große Stücke auf sie und sahen in ihnen eine gute Perspektive für unseren Jungen“, so Sven Christiansen.

Die Zeichen stehen also auf Abschied? Eine klare Antwort gibt es bisher nicht. Die letzten Monate seien ernüchternd gewesen, wichtig und gut sei jedoch, dass Max Christiansen unter Marcus Sorg beim DFB trainieren konnte, erfährt man von Vertrauten des Hansa-Stammspielers. Gesucht wird der nächste Schritt, der nach der Stagnation in Rostock vielleicht sogar bis in die zweite Liga reicht. Entschieden sei jedoch noch nichts, heißt es aus bestimmten Kreisen weiter.

Für Sven Christiansen zählt dabei fast ausschließlich der Wille seines Sohnes. Auch ein Abgang in die Ferne würde die Familie nicht schocken und ratlos zurücklassen, wie er bekennt: „Wir unterstützen ihn. Wir würden ihn auch anderorts besuchen – und zu Not sehen wir ihn halt mal ein Spiel öfter im Fernsehen.“

Imagefilme für Rostock und Mecklenburg-Vorpommern

Dem Familienvater ist nämlich auch etwas anderes bewusst. Die Schnelllebigkeit des Fußballs – zwei Hansa-Siege und vielleicht sieht bis zur Winterpause alles ganz anders aus. Unter Umständen gewinnt Neu-Trainer Karsten Baumann einen Draht zum Sohnemann, der der guten Leitung zu Jugendtrainer Roland Kroos, dem großen Förderer, gleicht. Dass noch nichts entschieden ist, wird in den Gesprächen deshalb immer wieder betont. Wohl auch, weil der Verein sein Talent zu einem stattlichen Preis verkaufen möchte. So sollen die Rostocker 700.000 Euro für ihr Talent fordern – eine opulente Summe für einen Spieler mit Fördervertrag.

Fernab besagter Spekulationen zählt für den Familienvater vor allem das kommende Spiel in Erfurt. In Thüringen wird die Familie jedoch nicht dabei sein, Sven Christiansen ist terminlich gebunden. Eher ungewöhnlich, begleitet die Reisegruppe-Flensburg doch sonst oft den Hansa-Tross und verbindet die Touren mit Städtetrips in ganz Deutschland. Der bald 45-Jährige hofft aus diesen Umstand heraus jedoch auf ein gutes Omen, denn mit Erfurt verbindet er vor allem ein Trikot in der Wohnzimmervitrine und ein klingelndes Mobil-Telefon.

Denn auch aus Erfurt bekam Vater-Christiansen schon einmal einen Anruf. Der Berater berichtete aufgeregt, dass das erste Profi-Tor gefallen war. „Vielleicht“, grinst er heute optimistisch, „klingelt auch dieses Mal mein Telefon.“

Christiansen: Dem Traum ganz nah

Hannes Hilbrecht

Hannes Hilbrecht schreibt und schrieb nebenbei für ZEIT ONLINE, NDR.de und den Berliner Tagesspiegel. Füllt ein Marketing-Magazin mit Liebe (GrowSmarter.de) Und er liest eine spannende Case Story genauso gerne wie den neuen Roman von Ralf Rothmann.