Stephan Vujcic über das Leben auf dem Balkan
Stephan Vujcic. Ein Name, der vielen Kieler Fans ein Begriff ist. Denn: Der 29 Jahre alte Mittelfeldspieler lief von 2005 bis 2010 für Holstein Kiel auf. Mittlerweile hat es den ehemaligen Aufstiegshelden von 2009 nach Mazedonien verschlagen. Im Interview mit BLOG-TRIFFT-BALL verrät er, wie es zum Wechsel nach Mazedonien kam, was das Leben auf dem Balkan ausmacht, wie die Kieler Zeiten so waren und warum ein Spiel gegen Lazio Rom ewig in Erinnerung bleiben wird.
Hallo Herr Vujcic, wie geht es Ihnen in Mazedonien?
Moin Moin, ich kann nicht klagen.
Vermissen Sie irgendetwas?
Außer meiner Familie in Deutschland nichts Spezielles. Die deutsche Sprache im Alltag vielleicht, aber im Grunde habe ich mich an das Leben auf dem Balkan gewöhnt.
Von 2004 bis 2010 durchliefen sie die Mannschaften von Holstein Kiel. Sie schafften bei den Störchen den Sprung von der A-Jugend in den Herrenbereich. Wie war die Zeit damals für Sie?
Im Nachhinein betrachtet, hatte ich eine wirklich schöne Zeit in Kiel. Ich habe wichtige Erfahrungen gemacht und viele tolle Menschen kennengelernt. Leider verlief das letzte Jahr, das ich mit der KSV verbringen konnte, für uns alle unglaublich enttäuschend. Da vergisst man im ersten Moment die schönen Zeiten und die Erfolge, die ich mit der KSV gefeiert habe.
Nach einem Derbysieg gegen den VfB Lübeck durften sie im Jahre 2009 den Aufstieg in die Dritte Liga feiern. Wie haben Sie diesen besonderen Moment wahrgenommen?
Ein unvergesslicher Moment. Im Prinzip haben wir ja zwei Jahre gekämpft um dieses Ziel zu verwirklichen, da die Oberligameisterschaft im Vorjahr leider „nur“ ein weiteres Jahr in Liga 4 zur Folge hatte. Zweimal in Folge Meister der 4. Liga zu werden, und das mit einem Derbysieg im ausverkauften Stadion, war ein bewegender Moment.
Nur einen Sommer später kam es dann für den ganzen Verein knüppeldick: Drei verschiedenen Trainern folgte der Abstieg. Und für Sie persönlich der Abschied aus Kiel. Wie kam es zu der Entscheidung künftig in Mazedonien für Rabotnicki zu spielen?
Nach dem verkorksten Jahr in Kiel war für mich klar, dass ich einen Standortwechsel brauchte. Ich war damals noch jünger und ehrlich gesagt, hatte mich dieses letzte Jahr psychisch ziemlich mitgenommen. Ich wollte also etwas Neues machen. Weg aus Kiel. Daher konnte ich mir das Ausland gut vorstellen.
Wieso ausgerechnet Mazedonien?
Im Kroatien-Urlaub lernte ich zufällig den damaligen Trainer von Rabotnicki kennen. Er lud mich ein, eine Woche in Skopje mit der Mannschaft zu trainieren, um sich gegenseitig ein Bild zu machen. Ich fand die Idee interessant, etwas über das Leben auf dem Balkan zu lernen und gleichzeitig die Chance zu bekommen, vielleicht mal in einem internationalen Wettbewerb zu spielen. Im Rahmen eines Qualifikationsspiels gegen Liverpool kam ich dann nach Skopje, schaute das Spiel und trainierte ein paar Tage mit der Mannschaft. Ich überzeugte, und einige Zeit später entschied ich mich den Schritt zu wagen und bei Rabotnicki zu unterschreiben.
War es nicht unheimlich schwer fernab der Heimat, vermutlich mit wenig Sprachkenntnissen, Fuß zu fassen?
Anfänglich war es nicht leicht. Ich konnte weder Mazedonisch, noch Kroatisch, die Muttersprache meines Vaters. Mir blieb also nur Englisch. Sicherlich machte mir ein sportlich guter Einstieg den Integrationsprozess etwas leichter. Ich traf direkt im ersten Spiel, wobei ich fürs Toreschießen ja nicht unbedingt bekannt war. Ich denke auch, dass meine Teamkollegen merkten, dass ich motiviert war, die Sprache zu lernen. Jedenfalls wurde ich super aufgenommen und nach und nach wurde auch die Sprachbarrieren kleiner.
Ein Jahr später verließen Sie Mazedonien, um künftig die Zuschauer der ersten kroatischen Liga mit Ihren Fußballkünsten zu begeistern. Wie kam es zu diesem erneuten Landeswechsel?
Ein kroatischer Manager, der mich während eines Euroleague-Qualifikationsspiels gegen Anorthosis Famagusta beobachtet hatte, kontaktierte mich. Ich hatte zuvor mit Rabotnicki ausgemacht, dass ich nach den Qualifikationsspielen ablösefrei wechseln könnte. Er bot mir unter anderem an, zu Inter Zapresic zu gehen, welcher im Vorjahr vierter der kroatischen Liga wurde. Inter Zapresic ist ein kleiner Verein, gelegen in einem Vorort von Zagreb. Ich nahm die Möglichkeit wahr, in Kroatien auf einem hohen Niveau zu spielen und gleichzeitig die kroatische Sprache lernen zu können. So unterschrieb ich dort für zwei Jahre.
Konnten Sie bisher Unterschiede zwischen dem Deutschen, Mazedonischen und dem Kroatischen Fußball feststellen?
Fußball ist im Grunde überall Fußball, aber wenn ich müsste, würde ich sagen, dass der deutsche Fußball physisch intensiver und schneller ist. Auf dem Balkan steht die Technik mehr im Vordergrund.
Für Inter Zapresic avancierten Sie zum Stammspieler, konnten den Abstieg aus der ersten kroatischen Liga jedoch nicht abwenden. In der Folgesaison blieben Sie ihrem Verein treu, absolvierten 17 Spiele, ehe es Sie im Januar 2014 zurück nach Mazedonien zog. Gefiel es Ihnen nicht mehr in Kroatien?
Ich hatte eine sehr schöne Zeit in Zapresic, denn zwei Jahre lang spielte ich in der 1.HNL und am Ende stiegen wir sehr unglücklich, und für mich noch heute unverständlich, ab. Ich lebte gerne in Zapresic und entschied mich deshalb zu bleiben, obwohl ich durchaus die Option hatte, weiter in der ersten Liga zu spielen. Im Nachhinein war das ein Fehler. Ich fühlte mich sportlich unterfordert, verlor die Lust am Fußball, zudem bekam der Verein finanzielle Probleme. Nach sechs Monaten in der zweiten Liga verließ ich also Kroatien und ging zurück nach Skopje.
Aktuell stehen Sie mit Rabotnicki in der ersten mazedonischen Liga auf dem zweiten Tabellenplatz. Wenig Luft nach oben, oder?
Man wird sehen. Unsere Konkurrenten FK Vardar und KF Shkendija sind finanziell wesentlich stärker aufgestellt Allerdings waren sie das auch im Vorjahr und trotzdem ist es uns gelungen, die Meisterschaft und den nationalen Pokal zu gewinnen. Es bleibt also abzuwarten, was die Rückrunde bringt.
Im Sommer durften Sie auch auf der internationalen Bühne ihr Können unter Beweis stellen. Was war das für ein Gefühl in der Champions-League Qualifikation gegen Helsinki aufzulaufen?
Die internationalen Spiele waren die schönsten Erlebnisse in meiner Zeit als Fußballer. Ich hatte in meiner ersten Zeit bei Rabotnicki bereits das Glück in den Euro-League-Play-Offs im Stadio Olympico gegen Lazio Rom vor 35.000 Zuschauern aufzulaufen. Damals kamen wir aber ziemlich unter die Räder. Die CL-Quali im vergangenen Sommer war nochmal etwas ganz besonderes für mich. Insbesondere das Spiel in Helsinki: die Einlaufmusik, die Atmosphäre im Stadion, ein Tor in einem CL-Qualispiel zu erzielen, wobei allerdings dem Torwart der Löwenanteil gehörte. Das Spiel war bis zum Ende ein Krimi, aber leider blieb es beim 2:1 für Helsinki und nach dem 0:0 in Skopje schieden wir aus.
Mazedonien ist ein unheimlich armes Land. Wirkt sich die schwache Volkswirtschaft auch auf die mazedonische Fußballkultur aus?
Ohne Frage. Es fehlt an allen Ecken und Enden an Strukturen. Bis auf wenige Ausnahmen kämpfen die Vereine ums Überleben. Wenige Sponsoren, schlechte Trainingsbedingungen, marode Stadien und demnach geringe Zuschauerquoten sind der Alltag hier.
Sind die Unterschiede auch im täglichen Trainingsbetrieb zu vernehmen?
Ich habe das Glück, für eine dieser Ausnahmen zu spielen. Rabotnicki ist ein sehr gut organisierter Klub. Wir haben zwei Rasenplätze und zwei kleine Kunstrasenplätze für den Trainingsbetrieb zur Verfügung. Es fehlt eigentlich an nichts, wobei es natürlich alles wesentlich bescheidener ist als zu meiner Zeit in Kiel. Unsere Heimspiele sind in der modernen Philip-II-Arena, die Platz für 33.000 Zuschauer bietet, auch wenn sich zu unseren Heimspiel nur rund 500 einfinden.
Ihr Vertrag lief vor wenigen Tagen aus. Stehen die Zeichen auf Verlängerung oder möchten Sie sich einer neuen Herausforderung widmen?
Mein Vertrag lief bis zum 15. Januar und ich werde ihn wohl in den nächsten Tagen bis zum Sommer verlängern.
Dürfen die Holstein-Fans auf eine Rückkehr des Stephan Vujcic hoffen? Wollen Sie eines Tages nach Deutschland zurückkehren?
Ich habe mir angewöhnt, zumindest was den Fußball betrifft, keine großen Zukunftspläne mehr zu machen. Es kommt erstens anders, und zweitens als man denkt.
War der Schritt ins Ausland im Nachhinein betrachten der Richtige für Sie?
Absolut. Man kann hinterher immer sagen, was wäre gewesen wenn, aber das gehört zum Leben und gilt für alle Entscheidungen die man trifft. Eines ist sicher: Wäre ich nicht nach Kroatien gegangen, hätte ich nie meine Verlobte kennengelernt.
Holstein Kiel hat sich mittlerweile erfolgreich in der Dritten Liga etabliert. Verfolgen Sie das Geschehen rund um Ihren ehemaligen Verein noch?
Auf jeden Fall. Ich habe lange in Kiel gespielt. Insofern wird Holstein immer einen besonderen Stellenwert bei mir genießen. Ich glaube aber nicht, dass die 3. Liga das Ende vom Lied ist. Der Verein, das Projekt, die Stadt – all das gehört langfristig in Liga 2.
Ein damaliger Mitspieler von Ihnen findet sich auch heute noch im Kader von Holstein Kiel wieder: Tim Siedschlag. Haben Sie noch Kontakt zu Ihrem alten Kicker-Kollegen?
Hier und da schon, wobei man sich immer seltener sieht und hört. Wenn ich in Deutschland bin, versuche ich mich immer mit dem ein oder anderen zu treffen, was aber auch nicht immer klappt. Wir hatten eine Weltklassetruppe: Schyrba, Holt, Siedschlag, Brückner und viele mehr. Den alten Jungs begegnet man gerne.
In einem alten Holstein Stadion-Magazin ist zu lesen, dass Mariusz Zmijaks größter Erfolg ein 3:2 Sieg gegen Sie bei Fifa war. Spielen Sie noch immer Fifa oder was macht Stephan Vujcic in seiner Freizeit am liebsten?
Hahaha! Man könnte sagen, ich habe nach der Niederlage meine FIFA-Karriere an den Nagel gehängt. Nur sehr selten lasse ich die alte Klasse am Controller noch aufblitzen. Auf dem Balkan wurde ich eher zum Cafégänger. Diese Tradition nimmt man hier sehr ernst. Ansonsten gehe Ich noch einem BWL-Fernstudium nach, versuche dem in meiner Freizeit gerecht zu werden.
Ihr ehemaliger Teamkollege Michael Holt beschrieb den Fußballer Vujcic im Gespräch mit BLOG-TRIFFT-BALL als technisch versierten, aggressiv agierenden Spieler, der ruhig öfter hätte treffen können. Trifft diese Beschreibung den Spieler Vujcic gut?
Hat er doch schön gesagt, der alte Windhund. Gegen seinen linken Fuß ist meine Torgefahr natürlich Kindergarten.
Zuletzt noch eine Frage. Ćevapčići oder Kieler Sprotten?
Definitiv Cevapcici.
Vielen Dank für das Interview und viel Erfolg weiterhin in Mazedonien, Herr Vujcic!