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3 Thesen zum Aus für Zinnbauer

Das Heimspiel des gegen Hertha BSC sollte für die Rothosen zum großen Befreiungsschlag dienen, brachte letztlich jedoch den Trainer zu Fall. Nach der bitteren 0:1-Niederlage wurde Josef Zinnbauer vom Verein freigestellt und fortan soll Peter Knäbel den HSV als Trainer in der ersten Bundesliga bewahren. BLOG-TRIFFT-BALL checkt für euch drei Thesen zum Aus von Zinnbauer, den Ursachen und den Auswirkungen.

1. Die Entlassung war die richtige Entscheidung zum falschen Zeitpunkt.

Als Zinnbauer die Mannschaft übernahm, hatte diese bereits eine katastrophale Fastabstiegssaison hinter sich. Die neue Saison wurde mit dem alten Trainer Slomka in Angriff genommen und dabei scheiterte der mit Dietmar Beiersdorfer neuaufgestellte HSV mit Pauken und Trompeten. Teils blamable Auftritte gegen die Aufsteiger Köln und Paderborn sowie die Niederlage gegen Hannover beförderten Slomka im hohen Bogen aus dem Volkspark. Im ersten Spiel als Cheftrainer konnte Zinnbauer mit einer hart kämpfenden Truppe gegen die Bayern ein Unentschieden erzwingen. Zu diesem Zeitpunkt konnte noch niemand absehen, dass diese Spielweise den HSV auch zukünftig charakterisieren würde. Die Siege gegen Dortmund und Leverkusen (jeweils 1:0) gaben Zinnbauers Credo der defensiven Herangehensweise Recht. Insgesamt muss Zinnbauer ohne Zweifel attestiert werden, dass er die löchrige Defensive des HSV stabilisiert hat, letztlich jedoch zum Preis offensiver Totalausfälle. Trauriger Höhepunkt der schwachen Saison war das ideenlose Gekicke im Heimspiel gegen den VfB Stuttgart, in der die Rothosen trotz Überzahl keine drei gescheiten Angriffe auf dem Rasen zeigen konnten. Während im Laufe der Saison wiederholt eigentliche Stammspieler verletzungsbedingt ausfielen, nahm auch der Hang zu langen Bällen überhand. Unzählige Bälle wurden ideenlos nach vorne gedroschen und brachten den Gegner innerhalb weniger Sekunden immer wieder zurück in Angriffsposition, eine spielerische Lösung schien undenkbar. In der Partie gegen Berlin gipfelten nun individuelle Fehler, taktische Schwächen und personelle Fehler zum nächsten Trainerknall.

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Schon lange im Voraus war für die anstehende Länderspielpause eine Zäsur bezüglich auslaufender Verträge und des Trainers angesetzt. Den Trainer jetzt zu feuern und mit Sportdirektor Knäbel als Ersatz zu agieren, erscheint mir gelinde gesagt verzweifelt. Die spielerischen Defizite der Mannschaft sind weder neu noch behoben. Das Personal, welches – wieder mal – für viel Geld bereitgestellt wurde, konnte zu keinem Zeitpunkt wirklich überzeugen und ist gebrandmarkt von dem Herumdoktern zu vieler Leute über einen zu langen Zeitraum. Der HSV hätte das Experiment Zinnbauer nicht beginnen dürfen und die nun öffentlich werdenden Berichte, dass für das Saisonende die Liaison mit Zinnbauer als Trainer der Profi-Mannschaft sowieso beschlossene Sache war, bestätigen das nur. Im Winter hätte ein neuer Trainer noch die Chance gehabt, der Mannschaft ein spielerisches Konzept zu verpassen. Einen im Profibereich unerfahrenen Trainer einzusetzen, war mindestens genauso risikoreich wie der jetzige Versuch mit Peter Knäbel als neuem Trainer. Seit der Schaffung einer AG beim HSV wurde stets der Wunsch kommuniziert, mehr Fachkompetenz in den Führungspositionen zu implementieren. Unterm Strich wurden Bernhard Peters für den Jugendbereich, Peter Knäbel als Sportdirektor und Beiersdorfer als Vorstandsvorsitzender sowie Führungsfigur verpflichtet. Mit Beginn ihrer Arbeit waren alle drei Personen als Triumvirat mehr oder minder präsent in der Presse und somit der öffentlichen Wahrnehmung. Noch zu Zeiten Slomkas wurde von Beiersdorfer über die Presse ein gewisser Druck ausgeübt, so wurde vor dem Spiel gegen Hannover recht deutlich der Einsatz der Neuzugänge gefordert – das Ende ist bekannt. In den letzten Monaten häufte sich schließlich die Kommentierung der Arbeit von Zinnbauer, der mir zeitweise nur als verlängerter Arm der Führungspersonen erschien. Bei der Pressekonferenz zur Vorstellung von Knäbel hat sich Beiersdorfer unmissverständlich  und vor allem ehrlich geäußert: „Dass wir jetzt hier sitzen und die Trennung von Joe Zinnbauer erklären müssen, ist für uns alle eine Niederlage.“  Wurde Zinnbauer letztlich sogar von dem Triumvirat Peters/Knäbel/Beiersdorfer erdrückt?

ERIK MEIJER EXKLUSIV: Die echteste HSV-Analyse

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2. Zinnbauer brachte sich selbst in Bedrängnis und wird nicht zum HSV zurückkehren.

Zinnbauer feierte mit dem überraschenden Unentschieden gegen die gefürchteten Bayern einen Einstand nach Maß. Als Liebling der Presse wurde er gefeiert und gelobt, nach seinem Erfolg mit der U23 des HSV setzte sich nun die Euphorie weiter fort. Lange Jahre lechzte man beim HSV nach einer besseren Durchlässigkeit der Jugendarbeit und sah sich nun am Ziel. Der Erfolg der zweiten Mannschaft war allerdings Fluch und Segen zugleich, denn das anschließende Hochziehen von Leistungsträgern aus der zweiten in die erste Mannschaft tat letztlich beiden keinen Gefallen. Spieler wie Gouaida, Marcos und Götz erhielten beim HSV viel Spielzeit, doch ein konstanter und geradliniger Umgang war nicht ersichtlich. Ohne Eingewöhnungsphase wurden die Spieler vereinzelt sogar von Beginn an gebracht, saßen in der nächsten Partie aber wieder draußen. Das kann funktionieren, muss es aber nicht. Junge Spieler unterliegen häufig auch Formschwankungen. Gouaida ist für mich ein Paradebeispiel, häufig folgten auf gelungene Aktionen gefährliche Ballverluste. Marcos wurde – wie übrigens die gesamte Mannschaft –  im Rückspiel gegen den FC Bayern nach Strich und Faden vorgeführt und musste anschließend auf die Bank, beziehungsweise ging zurück in die zweite Mannschaft. Götz verdrängte in einem Spiel Diekmeier auf die Bank und fand sich später selbst dort wieder.

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Die Einbindung von Talenten war ohne Frage sinnvoll, der Umgang mit ihnen über längere Zeit jedoch offensichtlich nicht förderlich. Der wechselhafte Umgang machte auch vor renommierten Spielern nicht halt. In der Hinrunde setzte Zinnbauer fast immer auf van der Vaart, nur um ihn dann in der Rückrunde fast gar nicht zu berücksichtigen. Ein Ostrzolek war in der Hinrunde zunächst unantastbar, wurde dann von Marcos verdrängt und spielte letztlich doch wieder. Westermann wurde mal als vorbildlich hervorgehoben, dann doch wieder nur zum Lückenfüller und umgekehrt. Der zu Beginn der Rückrunde überzeugende Kacar wurde letztlich doch wieder auf die Bank gesetzt. Behrami, Holtby und auch Lasogga wurden trotz Warnungen und Bedenken der medizinischen Abteilung eingesetzt und spielten entweder schwach (Behrami) oder verletzten sich erneut (Lasogga). Für mich erweckte Zinnbauer häufig den Eindruck, im Hinblick auf die Personalpolitik eher zu reagieren, als zu agieren. Auf (zu) langes Festhalten an Spielern folgte mitunter eine überraschende Nichtberücksichtigung. Dazu addierte sich der Spielstil der Mannschaft. Zinnbauer verteidigte die destruktive Spielweise bis zuletzt in Interviews, man verfüge nun mal nicht über ausreichende spielerische Mittel, so der Tenor. Das von ihm vorgebrachte Argument, lediglich mangelnde Ergebnisse hätten zu seiner Entlassung geführt, kann nicht alleinstehend gelten. Bei ansprechender spielerischer Leistung und sichtbarer Konstanz von Leistungsträgern hätte Zinnbauer mit Sicherheit weitere Chancen erhalten. Ich bin mir sicher, dass er zur neuen Saison nicht wieder die U 23 des HSV trainieren wird. Zu wahrscheinlich erscheinen Angebote von Teams aus der ersten oder zweiten Bundesliga, die für ihn mit Sicherheit reizvoller sein werden.

3. Er war der Sündenbock für eine insgesamt verfehlte Transferpolitik.

Mir ist kein Team im Abstiegskampf bekannt, welches ähnliche Summen aufwendete, wie der HSV es in den letzten Jahren getan hat. Allein in der jüngsten Zeit finden sich da Behrami, Holtby, Ostrzolek, Lasogga, Cleber, Stieber, Müller, Diáz und Olic – andere Teams würden sich nach diesen personifizierten Millionensummen die Finger lecken. Zusätzlich noch ein Torhüterduo mit Adler und Drobny und ganz zu schweigen von der Ablöse für van der Vaart. Wo gibt es sowas? Doch wirklich eingeschlagen hat von diesen Spielern noch keiner, mit Abstrichen bei Cleber und Stieber. Die Transferpolitik ist bisher auch unter Beiersdorfer und Knäbel eines der größten Vereinsbeschwerden. Die vielen Trainerwechsel erwecken insgesamt den Eindruck, der HSV sei untrainierbar. Ich glaube eher, dass der seit Jahren beschworene Umbruch im Kader nie stattgefunden hat. An dieser Mannschaft haben sich unzählige Trainer und Sportdirektoren verewigt und der Kern der Mannschaft, nämlich Jansen/Westermann/van der Vaart, blieb stets unangetastet. Diese eingefahrenen Hierarchien sind für jeden neuen Trainer eine Herausforderung und dazu gesellt sich das seit Jahren zu beobachtende Phänomen des Rauten-Syndroms: Spieler, die bei anderen Teams in der ersten Bundesliga herausragend waren, erleben beim HSV einen Karriereknick ungeahnten Ausmaßes.

War Zinnbauer für das vorliegende Spielermaterial ungeeignet, oder umgekehrt? Diese Frage kann aus meiner Sicht nicht eindeutig beantwortet werden. Bei dieser Gleichung kann eine fehlerhafte Komponente die ganze Rechnung sabotieren. Trainer wie Favre und Klopp konnten in Verbindung mit gelungenen Transfers Großes leisten, sodass nach Etablierung eines Systems sogar einzelne (personelle) Bausteine ausgetauscht werden können. Der HSV hat dieses Stadium nie erreicht. Auf der bereits angeführten Pressekonferenz sprach Beiersdorfer davon, dass Knäbel die Mannschaft, ihre Qualitäten und Defekte kennt. Das Wort Defekt ist dabei nichts anderes als ein Synonym für eine komplett verfehlte Transferpolitik in den letzten Jahren. Josef Zinnbauer ist vielleicht nicht der alleinige Sündenbock, aber mit Sicherheit nach jetzigem Stand der Dinge ein Bauernopfer für die Flop-Transfers der letzten Zeit.

Erik Griephan