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Wüstenausflug mit Teenagern – ist das nicht „too much“?

Die U15 des Hamburger SV befindet sich seit dem 9. März unter der Sonne Dubais. Fünf Tage Fußballluxus, wie es komfortabler kaum geht. Obendrauf warten Begegnungen gegen Benfica und Barcelona. Für viele Teenager-Talente ist es die erste große Reise mit der Raute auf der Brust. Von Florian Wolff, Trainer der 15-Jährigen, wollten wir wissen: Wüstenausflug mit Teenagern – ist das nicht „too much“?

Foto: Florian Wolff (li.) und Co-Trainer Matthias Dieterich

Herr Wolff, Sie sind mit der U15 des HSVs nach Dubai geflogen, um dort zu trainieren. Ist das nicht ein bisschen „too much“ für ein Trainingslager für Teenager?

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Ich muss Sie etwas berichtigen. Es ist kein herkömmliches Trainingslager, sondern ein Event, bei dem wir an einem Turnier teilnehmen. Deshalb sind wir hier vor Ort. Allerdings nutzen wir die Chance, hier gemeinsam zu arbeiten und die Jungs weiter zu entwickeln.

Was ist das für ein internationales Turnier?

Das wussten wir zu Beginn auch nicht wirklich. Als wir eingeladen wurden, stand lediglich fest, dass die Nachwuchsteams von Benfica Lissabon und dem FC Barcelona teilnehmen würden. Wir hatten aber damit gerechnet, dass noch mehr Teams kommen. Nun gibt es insgesamt vier Mannschaften, denn das Feld wird von einer einheimischen Auswahl ergänzt. Es werden die Halbfinals, das Spiel um Platz drei und das Finale ausgetragen.

Ein Turnier mit vier Teams – wie viel Ernsthaftigkeit ist mit dabei?

Alles ist sehr gut organisiert, die Partien werden sogar vom Lokalfernsehen begleitet. In der Lobby können wir die Wiederholung unseres ersten Spiels im Livebild sehen, auch mit den Zeitlupen von wichtigen Aktionen. Das ist alles sehr professionell und vor allem spannend für die Jungs, wenn sie sich selbst im TV wiedererkennen.

Wie viele haben beim Spiel Benfica gegen den HSV denn live in der Arena zugeschaut?

Ich denke, es waren 800 Zuschauer.

Und der Ausgang des Spiels?

Vom Ergebnis her nicht gut. Wir haben 0:5 verloren, und das klingt zunächst bitter. Aber wir haben dabei ein – den Umständen entsprechend – gutes Spiel gemacht, und im Nachhinein ein wenig mit einer Schiedsrichterentscheidung gehadert. Wir lagen 0:1 hinten, dann gab es relativ früh eine rote Karte und den folgenden Elfmeter für Benfica. Da war das Spiel schon entschieden, weil Benfica die Überzahl mit ihrer großen Klasse effizient ausgenutzt hat.

Eine frühe Rote Karte in einem U15-Testspiel. Ist das nicht ganz schön hart?

Auf alle Fälle. Aber das spricht auch für das Turnier und die Ernsthaftigkeit, mit der es veranstaltet wird. Geärgert hat mich nur, dass im ersten Spiel, das wir uns zuvor angesehen hatten, eine ähnliche Situation mit einem Elfmeter, aber ohne Karte geahndet wurde.

Ist das Turnier wichtig für den Gastgeber? Ich meine, wir reden zwar von großen Vereinsnamen, aber eben von U15-Mannschaften.

Den Leuten hier ist es sehr wichtig. Eine Projektgruppe hat ein Jahr nur daran gearbeitet, das alles zu organisieren. Die Mannschaft aus Dubai setzt sich mit Jugendlichen aus einem Umkreis von 300 Kilometer zusammen. Sie haben hier folglich den Anspruch, die Nummer 1 im arabischen Raum zu werden. Deshalb laden sie Top-Jugendmannschaften ein, um ihre eigenen Jungs zu verbessern.

Reden wir über dem Aufwand vom HSV. Von Profis kennt man ja, wie viele Betreuer mitfahren. Busfahrer, Physios, Masseure, Ärzte und oftmals ein eigener Küchenstab. Wie sieht das bei der HSV U15 aus?

Wir sind sieben Mann. Das Trainerteam plus Aufsichtspersonen und Betreuer, dazu kommen noch unsere 19 Spieler.

Gibt es eigentlich auch gute Gründe, so eine Einladung abzulehnen?

Es war für uns auch mit Stress verbunden. Das Klären wichtiger Fragen und der gesamte Kontakt nach Dubai verschlang Zeit. Anderseits fiel der Termin dieses Jahr sehr günstig. Das Turnier findet nämlich in den Hamburger Schulferien statt, weshalb viele Jungs keinen Unterricht verpassen. Die anderen Jugendlichen, die in Schleswig-Holstein oder Niedersachsen kommen, haben wir dagegen vom Schulbesuch befreien können.

War das eine leichte Entscheidung?

Nein, keinesfalls. Wir haben sogar überlegt, dass die Jungs, die in der Schule mit schlechten Noten zu kämpfen haben, nicht mitfahren, damit sie nicht noch weiter im Stoff zurückfallen.

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Wäre das nicht Gift für die Teamchemie gewesen?

Es geht ja zunächst nicht nur um Fußball, sondern um die gesamte Entwicklung junger Menschen. Da hat die Schule oberste Priorität. Gleichermaßen war es wichtig, den Eltern den Rücken zu stärken. Denn oftmals begründen die Schüler ihre schlechten Zeugnisse mit dem Trainingsaufwand und der dadurch fehlenden Zeit zu lernen. Deshalb überlegten wir, in dieser Frage streng zu entscheiden.

Und wurde streng entschieden?

Wir haben alles in Absprache mit den entsprechenden Eltern abgestimmt und uns dann gemeinsam dazu entschlossen, doch alle mitzunehmen. Immerhin ist diese Reise nicht nur mit dem Fußball, sondern auch mit einer menschlichen Entwicklung verbunden.

Wie meinen Sie das?

Die Jungs lernen eine neue Kultur kennen, unternehmen eine große Reise ohne Eltern. Das prägt und formt die Charaktereigenschaften.

Kann man eigentlich „Trainingslager“ trainieren? Heißt, schon einmal auf mögliche Profi-Reisen einstimmen?

Ich denke, es geht uns nicht darum, den genauen Ablauf eines Bundesliga-Trainingslagers zu kopieren. Obwohl sie erst 14, 15 Jahre alt sind, würde ich die Spieler als sehr professionell beschreiben. Und deshalb machen wir von Haus aus nicht viel anders als die große HSV-Mannschaft, eben weil schon vieles in den Köpfen verinnerlicht ist. Sie wissen genau, wie wichtig das Verhalten abseits des Platzes ist. Immerhin vertreten wir den HSV, tragen die gleichen Trainingsklamotten und Trikots und sind daher klar als Mitglieder des Vereins identifizierbar.

Wie sind Sie eigentlich mit Ihrer Mannschaf untergebracht?

Wir sind in einem sehr guten Hotel untergebracht, das mitten in der Wüste liegt. Von der Anlage aus können wir Quadstrecken und eine Kamelrennbahn einsehen. Alles wirkt sehr imposant.

Können 15-jährige Fußballer in dieser Umgebung hochnäsig werden?

Wir haben ja einen breiten sozialen Querschnitt im Team. Es gibt Jungs, die regelmäßig mit ihren Familien in den Urlaub fliegen. Sie kennen solche Hotels und für sie ist es deshalb nicht mehr sonderlich neu. Andere haben dagegen noch nie Deutschland verlassen, geschweige denn sind mit einem Flugzeug geflogen. Da ist es nur verständlich, das einige etwas mehr Zeit brauchen, um diese Eindrücke richtig zu verarbeiten. „Hochmütig“ ist sicherlich übertrieben, aber es gibt schon Auffälligkeiten, wo wir dann einschreiten und moderieren.

Eriks-Analyse_870Stellt man sich auch kritische Fragen vor solchen Reisen?

Durchaus. Wenn ich überlege, dass manche schon mit elf nach Mallorca eingeladen waren, um ein Turnier zu spielen und jetzt, mit 15 Jahren fünf Tage in Dubai spielen, dann frage ich mich schon, wo das noch hinführen soll.

Muss man als Verein mit hohem Interesse an der Nachwuchsarbeit solche Projekte realisieren, um überhaupt eine Chance auf die besten Talente zu haben?

Ich gehe nicht davon aus, dass ein Talent nur aufgrund solcher Events seine Entscheidung für einen Verein trifft. Aber ja, es ist schon richtig, das solche Dinge Anreize darstellen. Dazu sind sie, wie bereits erwähnt, für die individuellen Reifeprozesse bedeutend und daher für die gesamte Entwicklungsarbeit sehr interessant.

Eine Fragte drängt schon die ganze Zeit auf: Wieso der HSV? Es gibt doch derzeit Namen von Vereinen, die deutlich mehr Esprit versprühen.

Man darf nicht vergessen, dass der HSV noch immer einen großen Namen im internationalen Fußball besitzt. Dazu kommt, dass wir immer darum bemüht sind, die Kontakte zu pflegen. Dann gelang es uns in der Vergangenheit häufig, uns von unserer besten Seite zu zeigen. Diese guten Eindrücke zahlen sich aus und sorgen dafür, dass wir unsere Einladungen weiterhin bekommen.

Zum Abschluss noch ein, zwei Fragen zu Ihnen persönlich. Ist die Verantwortung für Sie nicht enorm? Immerhin tragen Sie die Verantwortung für Schulkinder.

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Das geht eigentlich. Zum einen kenne ich das mittlerweile von vielen Turnieren und Reisen, anderseits sind auch schon die Spieler sehr erfahren und wissen, wie man sich bei solchen Anlässen verhält. Außerdem arbeiten wir mit dem anderen Betreuern und Aufsichtspersonen in einem guten Team.

Kommt denn bei Ihnen Lust auf, so etwas irgendwann einmal mit einer Profimannschaft zu durchleben?

Wir wissen ja nie, was die Zeit noch bringen wird. Aber eigentlich bin ich mit meiner Rolle als Trainer in diesem Bereich sehr zufrieden. Eben weil es nicht nur um den Fußball geht, sondern um viele andere, teils sehr soziale Komponenten. Es ist verdammt schön, die Talente bei ihren Träumen zu begleiten und dabei mithelfen zu können, dass diese vielleicht erfüllt werden.

Hannes Hilbrecht

Hannes Hilbrecht schreibt und schrieb nebenbei für ZEIT ONLINE, NDR.de und den Berliner Tagesspiegel. Füllt ein Marketing-Magazin mit Liebe (GrowSmarter.de) Und er liest eine spannende Case Story genauso gerne wie den neuen Roman von Ralf Rothmann.