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Duisburg-Experte Richter: „Kiel wird es in der Relegation schaffen“

Thorsten Richter ist Duisburg-Experte und stellvertretender Chefredakteur der Kult-Zeitschrift „Reviersport“. Für BLOG-TRIFFT-BALL bewertet er die Lage in Duisburg und blickt direkt aus dem Pott auf das mögliche Aufstiegsfinale am Samstag. Seine Prognose wird beiden gefallen.

Herr Richter, wie aufgeregt ist die Stadt Duisburg vor diesem großen Spiel?
Die Euphorie ist gigantisch und mit der von 2011 vergleichbar, als der MSV ins DFB-Pokal-Finale eingezogen ist. Nach dem Crash vor zwei Jahren, als dem MSV die Zweitliga-Lizenz entzogen wurde, dem Tiefpunkt der 112-jährigen Vereinsgeschichte, herrscht jetzt wieder die große Hoffnung auf eine positive Zukunft. Das macht sich in der gesamten Stadt bemerkbar. Flaggen hängen überall aus den Fenstern, die Autos sind mit blau-weißen Fan-Utensilien ausgestattet und das Thema Nummer eins ist das Aufstiegs-Endspiel gegen Kiel.

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Was überwiegt mehr: Die Euphorie, oder doch die Furcht, in die Relegation zu müssen?
Ganz klar die Euphorie. Natürlich weiß jeder, dass mit Kiel eine der beständigsten Mannschaften kommt, die gleichzeitig auch noch über die beste Defensive verfügt. Dennoch sind alle davon überzeugt, dass der MSV die Rückkehr in die zweite Liga auf dem direkten Weg schafft.
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Der Gegner betont, dass er keinen Druck verspüren würde, dass es für Holstein Kiel nur noch etwas zu gewinnen gäbe. Wie sieht es beim MSV aus – erwartet in so einer fußballbegeisterten Stadt nicht jeder den Aufstieg?
Die Erwartungshaltung in Duisburg ist seit jeher sehr hoch. Daran haben sich die Spieler, Trainer und Funktionäre gewöhnt. Deshalb ist die herrschende Euphorie keine Belastung, sondern sie pusht die Mannschaft. Natürlich erwartet jeder den Aufstieg. Weil die Zielvorgabe seitens des Sportdirektors Ivica Grlic dafür allerdings „bis 2016“ lautete, ist es nicht der finale Schuss des MSV. Klar ist aber auch, dass die Meidericher in der 3. Liga in dieser Form keine Zukunft haben. Der Verein muss hoch. Wenn es bereits ein Jahr vorher – also jetzt – klappen sollte, um so besser.

Ist der MSV in der Saison so stark gewesen, wie Sie es vorab erwartet hatten, oder sind die „Zebras“ auch als Überraschungsteam zu werten?
Dass der MSV oben steht, ist keine Überraschung im Gegensatz zu Kiel. Allerdings war mit dieser Entwicklung der Mannschaft nicht unbedingt zu rechnen. Im vergangenen Sommer gab es erneut einen großen personellen Umbruch und ein neues Trainerteam. Bis die nötigen Automatismen funktionieren, benötigt es einfach Zeit. Das war in der durchwachsenen Hinrunde auch deutlich erkennbar und deswegen wurde als Ziel auch 2016 herausgegeben. Als sich die Mannschaft im Winter dann aber gefunden sowie die taktischen Vorgaben Gino Lettieris verinnerlicht hatte, wurde auch sofort die individuelle Klasse der einzelnen Spieler deutlich. Diese Entwicklung ist das Ergebnis der guten Arbeit und deswegen nicht überraschend, sondern einfach nur die logische Konsequenz.

Mit Holstein Kiel kommt ein verhältnismäßig „kleiner“ Verein. Ist der Respekt trotzdem groß?
Ja. Niemand hatte Kiel vor der Saison auf der Rechnung, als es darum ging, die Aufstiegskandidaten zu benennen. Mit seiner beeindruckenden Konstanz und Geschlossenheit hat der KSV aber schnell gezeigt, was mit einem funktionierenden Teamgefüge erreichbar ist. Davor haben natürlich auch die Duisburger Respekt und werden das Spiel deshalb auch nicht auf die leichte Schulter nehmen.

Wo sehen Sie die Vorteile auf Duisburger Seite?
Vom Selbstvertrauen her sehe ich beide Teams auf Augenhöhe, aber die individuelle Klasse der einzelnen Spieler ist beim MSV einfach größer. Akteure wie Martin Dausch, Zlatko Janjic oder Kingsley Onuegbu können jederzeit den Unterschied ausmachen. Zudem steht die Defensive um Abwehrchef Branimir Bajic und Keeper Michael Ratajczak sehr gut. Hinzu kommen dann auch noch die Fans. Die Arena ist ausverkauft und die Anhänger sind der „zwölfte Mann“. Sie stehen hinter der Mannschaft. Die Stimmung wird auch im Falle eines Rückstandes nicht kippen, sodass die Unterstützung von den Rängen ebenfalls noch ein paar Prozent herauskitzeln wird.

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Und wovor muss der MSV am meisten Respekt haben?
Vor der Geschlossenheit und dem Teamgeist. Die Kieler haben in Bielefeld, Dresden oder Münster bewiesen, dass sie sich ach von großen Kulissen nicht unbedingt aus der Ruhe bringen lassen. Jeder kämpft für jeden, die Pass- und Laufwege funktionieren perfekt, die Spieler verstehen sich blind. Aus der stabilen Defensive heraus setzen die Kieler dann schnelle, gefährliche Konter. Da müssen die Zebras auf der Hut sein.

Sie haben viele Spiele des MSVs gesehen: Was für eine Partie erwarten Sie? Wird es taktisch geprägt und umkämpft, oder gibt es vielleicht sogar das offene Visier?
Dass beide Teams von Beginn an mit offenem Visier kämpfen, glaube ich nicht. Jede Mannschaft weiß, dass der kleinste Fehler sofort bestraft wird. Deshalb rechne ich eher mit einem ausgeglichen von der Taktik geprägtem Spiel, in dem es aber auch ordentlich zur Sache gehen wird. Beide werden versuchen, die wenigen sich bietenden Freiräume zu nutzen. Dieses Endspiel lebt von der Spannung und am Ende hoffentlich auch von ein paar Toren.

Ihr Gefühl als Journalist: Wer steigt am Ende auf?
Beide. Der MSV steigt direkt auf und Kiel entscheidet die Relegation für sich.

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Hannes Hilbrecht

Hannes Hilbrecht schreibt und schrieb nebenbei für ZEIT ONLINE, NDR.de und den Berliner Tagesspiegel. Füllt ein Marketing-Magazin mit Liebe (GrowSmarter.de) Und er liest eine spannende Case Story genauso gerne wie den neuen Roman von Ralf Rothmann.