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Hansas Pokal-Finale: Ein Spiel für die kommende Saison

Am Mittwochabend trifft der FC Hansa Rostock im Landespokal auf die TSG Neustrelitz. Es ist das erste Aufeinandertreffen seit dem Rostocker Finaldebakel 2013, die Vorzeichen stehen nur minimal besser. Obwohl ein Sieg eigentlich Pflicht ist – der Ausgang erscheint völlig offen.

Foto: www.lfvm-v.de

Fast zwei Jahre ist es nun schon, dass vier junge Männer aufgeregt und voller Vorfreude aus einem kleinen Dorf östlich von Rostock nach Neustrelitz aufbrachen. Ein paar Bier, vielleicht eine Wurst, ganz sicher aber würde es den Landespokalsieg für den FC Hansa geben. Dass man das Spiel überhaupt verlieren könnte – daran dachte damals keiner von ihnen.

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Dass FC Hansa am Ende mit 0:3 gegen eine fulminant aufspielende TSG Neustrelitz unterlag, ist längst bekannt, aber noch lange nicht vergessen. Das Team war an diesem regnerischen Abend selten chancenlos und reihte aufgrund des gegnerischen Druckes irgendwann Slapstick an Slapstick. Die Emotionen der Fans kochten ob des leidenschaftslosen Auftritts über, einige Anhänger stürmten das Feld, bedrohten Spieler. Andere ruckelten am Zaun, hinter dem die wenigen Sitzplätze des Stadions von glückselig schwankenden Neustrelitzern zum Stehblock umfunktioniert wurden. Geschockt und mit leiser Verachtung nahmen viele der im Block verbliebenen Fans diese Szenen wahr. Auch die vier Pilger aus dem kleinen Dorf bei Rostock verharrten in dieser Schockstarre.

Dass der FC Hansa katastrophal wie wohl nie zuvor gespielt und dass erste Mal überhaupt die DFB-Pokal-Teilnahme verpasst hatte – es war ihnen angesichts der makabren Szenen in der Arena herzlich egal. Auf der Rückfahrt schwiegen alle, nur das Radio summte leise vor sich hin.

Zwei Jahre später stehen die Vorzeichen vor der Neuauflage des Pokall-Duell völlig anders – aber doch wieder verdammt ähnlich. Bis auf Manfred Starke, Johannes Brinkies und Tommy Grupe sind im Rostocker Aufgebot keine Überbleibsel aus dem damaligen Kader vorhanden. Auf Neustrelitzer Seite sieht es ähnlich aus, schon lange spielen die damaligen Torschützen Kurtaj, Kahlert und Rogoli nicht mehr im Südosten des Bundeslandes. Vergleichbar ist die damalige Situation mit der heutigen Ausgangslage deshalb, weil der FC Hansa erneut in der Saison schwächelte, kurzzeitig gar als fast sicherer Absteiger gehandelt wurde. Auch wenn er sich mittlerweile sportlich rehabilitierte – zwei Spieltage vor dem Saisonende ist der Klassenerhalt noch immer nicht sicher, auch wenn er bei fünf Punkten Vorsprung mittlerweile von allen Seiten  erwartet wird. Eine Niederlage im Landespokal – sie würde die zu weiten Teilen gute bis herausragende Rückrunde in den Schatten stellen.

→ Oliver Bornemann, vor zwei Jahren Sportlicher Leiter in Neustrelitz und noch im Oktober Kandidat auf den vakanten Posten in Rostock, erwartet auch deshalb ein Spiel auf Augenhöhe: „Beide Teams haben eine gute Rückrunde gespielt. Neustrelitz will unbedingt gewinnen, hat aber etwas weniger Druck. Da es ein Pokalspiel ist, sehe ich die Sache komplett ausgeglichen.“

Mut, den können die Neustrelitzer gleich aus mehreren Faktoren ziehen, vor allem aus dem Zustand des Gegners. Zwar steckt die TSG nach überzeugenden Wochen mit vielen starken Spielen ebenfalls in einem kleinen Loch, doch weiß sie, wie verletzlich der FC Hansa momentan in der Defensive auftritt.

Bereits im Landespokal-Halbfinale vor sechs Wochen waren die Rostocker erheblich unter Druck geraten. Ein forsches Anker Wismar, das keinesfalls in der besten Verfassung angereist war, verlangte der Baumann-Elf alles ab. Wismar-Trainer Dinalo Adigo sagte rückblickend sogar: „Für uns kam das Spiel zu früh – wir waren nicht bei einhundert Prozent.“

Die Rostocker Formschwäche, die sich damals andeutete, setzte sich in den folgenden Wochen fort. Spätestens seit Marco Kofler ausfällt, hat der FC Hansa wieder Abwehrprobleme. Der Österreicher, dem anfangs für sein wenig ästhetisches Spiel auch Anfeindungen von den Rängen entgegenschlugen, fehlt im Rostocker Mittelfeld, die Lücken, die er für viele Fan-Augen lange unbemerkt stopfte, ermöglichen den Gegnern seit Wochen mehr Raum im Mittelfeld. Von den vier letzten Drittligaspielen hat der FC Hansa nur eines gewonnen, und das obwohl es gegen die direkte Konkurrenz ging. In Neustrelitz hat man diese Schwächephase selbstverständlich registriert. Dass mit Steven Ruprecht zudem der wuchtige Abwehrchef ausfällt, lässt die Neustrelitzer Chancen weiter steigen.

Einen weiteren Punkt, der den allenfalls kleinen Außenseiter und noch amtierenden Regionalliga-Meister einen Vorteil bescheren könnte, spricht Bornemann an: „Damals trat der FC Hansa mit vielen Spielern an, die den Verein direkt nach dem Spiel verlassen haben. Auch jetzt scheint es mir so, dass die TSG in den Planungen für das kommende Jahr etwas weiter ist.“

Was Bornemann richtig andeutet – wie stark das Wintertransferfenster von den Hansa-Verantwortlichen um Karsten Baumann und Uwe Klein auch war, erst die Wechselperiode im Sommer wird es möglich machen, die Nachhaltigkeit des Januar-Erfolges richtig zu bestimmen. Längst ist der Direktive am Barnsdorfer Weg klar geworden, dass es unmöglich sein wird, das erfolgreiche Gestell der Rückrunde zusammenzuhalten.

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Wieder muss geflickt werden, auch wenn es um den Kader weit besser bestellt ist als in der desolaten Vollmann-Ära. Doch genau auf das alte Gestell, das im Sommer einige Änderungen erfahren wird, kommt es am Mittwochabend in Greifswald noch einmal an. Positiv aus Rostocker Sicht: Selten zuvor hat eine Hansa-Mannschaft so viel Moral gezeigt wie das jetzige Team unter Denis Danso Weidlich als Kapitän. Gewissermaßen ist nun von dieser Mannschaft und der Moral abhängig, ob der Klub die leicht zu prognostizierenden Abwanderungen des Sommers mit den sicheren Einnahmen der ersten DFB-Pokalrunde kompensieren kann.

Dabei ist das in Greifswald zu verdienende Geld übrigens nur eine von vielen Komponenten eines sehr wichtigen Hansa-Abends. Nicht zu vergessen ist nämlich das Prestige, um dass es für den wichtigsten Verein des Bundeslandes geht. Zum dritten Mal in Folge den Landespokalsieg zu verpassen und wieder einmal gegen ein unterklassiges Team zu scheitern – es wäre Raubbau am so eben gewonnen Selbstvertrauen.

Sicher erscheint vor dem heiß erwarteten Pokal-Clinch nur eines: Die Wahrscheinlichkeit, dass es dramatisch wird, ist bei der momentanen Verfassung beider Teams hoch. Die Stadt Greifswald scheint dafür ein denkbar würdiger Gastgeber zu sein. Zu sehen am Wochenende. Da gewann der neue Bürgermeister Stefan Fassbender (Grüne) die Wahl um das Rathaus gegen den CDU-Kandidaten mit mickrigen 15 Stimmen Vorsprung.

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Hannes Hilbrecht

Hannes Hilbrecht schreibt und schrieb nebenbei für ZEIT ONLINE, NDR.de und den Berliner Tagesspiegel. Füllt ein Marketing-Magazin mit Liebe (GrowSmarter.de) Und er liest eine spannende Case Story genauso gerne wie den neuen Roman von Ralf Rothmann.