Dänen-Abschied und Personalplanungen auf Hochtouren
Drei Wochen sind seit dem Kieler Drama in München vergangen. Viel Trübsal wurde – zumindest öffentlich – nicht geblasen, stattdessen trumpfte die KSV auf dem Transfermarkt auf. Karsten Neitzel äußert sich zu den ersten Neuzugängen und über den drohenden Vendelbo-Abgang. Er sagt: Die Mannschaft ist auch in diesem Jahr gut aufgestellt, obwohl noch weitere Zugänge folgen könnten.
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Karsten Neitzel klingt die Tage nicht nur zufrieden, er ist scheint es nach wenigen, dafür aber „äußerst ruhigen“ Urlaubstagen tatsächlich zu sein. Vor dem morgigen Start in die Sommervorbereitung durften die Kieler Verantwortlichen nämlich eine Vielzahl an hochkarätigen Neuzugängen verkünden. So wechselte mit → Denis Danso Weidlich einer der flexibelsten Spieler der gesamten Dritten Liga zur KSV Holstein, während mit Raphael Czichos, Milad Salem, Fabian Schnellhardt und Manuel Janzer klangvolle Namen für bereits ordentlich besetzte Positionen geholt wurden. Neitzels Resümee: „Auf dem Papier können wir zufrieden sein, für Holstein Kiel ist das bisher eine Hausnummer. Jetzt gilt es, das Talent gemeinsam mit den verbliebenen Spielern auf den Platz zu bringen.“
Getrübt wurde dieser Eindruck kurz vor dem Trainingsstart von einer bitteren Meldung. Der dänische Mittelfeld-Anker Mikkel Vendelbo wird den Vorjahres-Dritten aller Wahrscheinlichkeit nach verlassen und nach Dänemark zurückkehren. Das Heimweh wird als Grund für den Wechselwunsch genannt, die Frau des Dänen lebt zwar ebenfalls in Kiel, doch zieht es die junge Familie in die Heimat. Bereits im Winter hatte sich eine ähnliche Problematik bereits angedeutet, damals gelang es jedoch den Kieler Verantwortlichen, ihre Mittelfeldkraft von einem weiteren Verbleib zu überzeugen. Vendelbos Noch-Trainer gibt sich ob des sich anbahnenden Verlustes kämpferisch: „Wir werden versuchen, ihn zu ersetzen. Es kann gut sein, dass wir die vakante Stelle neu besetzen.“
Während im zentralen Mittelfeld eine unerwartete Lücke aufklafft, deuten sich auf vielen anderen Positionen harte Zweikämpfe um begehrte Einsatzminuten an. Alles voran auf der Stelle des Stamm-Linksverteidigers kommt es zu einem Duell zweier ambitionierter Kräfte. So muss sich Patrick Kohlmann, dem Neitzel eine saubere Saison attestiert, der Konkurrenz des aus Erfurt verpflichteten Raphael Czichos erwehren. Es ist ein Duell der Gegensätze – während Czichos mit sieben Toren und weiteren fünf Torbeteiligungen die Zahlen eines offensiven Mittelfeldspielers auflegte, bereitete der 32-jährige Widersacher lediglich ein Tor vor. Ein offenes Duell, das gleichzeitig eine der größten Kieler Sorgen der vergangenen Spielzeit löst. Karsten Neitzel bilanziert nämlich: „Hätte sich Kohlmann im letzten Jahr verletzt, wäre es ganz eng geworden. Wir hätten ihn nur schwer ersetzen können.“
Es ist nicht der einzige enge Wettstreit um die begehrten Startelfplätze: Stand jetzt stehen mit Marlon Krause, Hauke Wahl und Denis Weidlich gleich drei Spieler zur Verfügung, die ihre besonderen Qualitäten als Innenverteidiger bereits demonstrieren konnten. Auch wenn über Wahl, dessen Vertrag am Ende der Saison ausläuft, einige Transfergerüchte schweben – in diesem Mannschaftsteil haben die Schleswig-Holsteiner momentan die Qual der Wahl. Gut möglich, dass die Innenverteidigung am Ende sogar ohne gelernten Innenverteidiger auskommt.
Ein Gespann aus den eigentlichen Mittelfeldspielern Weidlich und Krause, die beide technisch beschlagen und um Zweikampf robust sind, dazu durch die Erfahrungen im Mittelfeld in der Disziplin des Spielaufbaus bestens geschult wurden, könnte ligaweit neue Maßstäbe setzen. Wobei sowohl Krause als auch Weidlich auch den Abgang Vendelbos durch eine interne Rochade ins Mittelfeldzentrum lösen könnten.
Ebenso schufen die Kieler auf den Offensivpositionen im Mittelfeld eine engere Konkurrenzsituation als im letzten Jahr. Bereits vor dem Saisonauftakt wurden drei Alternativen für die zwei bis drei verfügbaren Plätze in der Startaufstellung akquiriert.
Mit dem 23-jährigen Manuel Janzer holte sich die letztjährige Sensationsmannschaft reichlich Drittligaerfahrung im noch entwicklungsfähigem Alter vom Zweitligisten aus Heidenheim, bei Milad Salem, der vor einem Jahr ein tolles Jahr in Elversberg spielte, hofft man darauf, dass das Trainerteam das immense Potenzial des Afghanen herauskitzeln kann. Fabian Schnellhardt war in Duisburg zwar meistens nur Reservist, besitzt aber das Talent, auf gleich mehreren Positionen ein Upgrade darzustellen.
Mit den Ergänzungen zu „Vieles“-Könner Tim Siedschlag und dem fußballerisch sehr begabten Jaroslaw Lindner haben die Kieler schon weit vor dem Abschluss der Transferaktivitäten für Tiefe gesorgt. Zumal Neitzel weitere Neuverpflichtungen für die Mittelfeldoffensive nicht ausschließen will: „Wir schauen weiter. Wenn uns einer richtig weiterhelfen könnte, werden wir es in Erwägung ziehen.“
Im Sturm scheinen die Planungen dagegen weitestgehend abgeschlossen. Mit Marc Heider und Manuel Schäffler ist der sich bisher stetig verbessernde Angriffskern intakt geblieben, dazu machten die Verantwortlichen beim bisher enttäuschenden Saliou Sane Potenzial für mehr aus. Nachwuchshoffnung Fabian Arndt schart derweil im Hintergrund mit den Hufen, während auch Schnellhardt den hängenden Stürmer mimen kann. Einen absoluten Top-Stürmer braucht Neitzel derweil ohnehin nicht, wie der 48-Jährige erklärt: „Ich habe lieber acht Jungs, die zehn Tore machen, als einen Stürmer, der 20 macht. In der letzten Saison waren wir mir drei Torschützen im zweistelligen Bereich sehr gut unterwegs.“
Ebenso ein Motiv, warum der große Sturmkracher bisher ausblieb und den Anzeichen nach weiter ausbleiben wird: Die Kieler vertrauen weiterhin in das Entwicklungspotenzial ihres Personals. „Würden wir noch einen Angreifer holen, wäre die Perspektive eines anderen dahin“, kommentiert Neitzel.
Dennoch wird weiter daran gearbeitet, den Kader noch weiter zu verbreitern. Zwei bis drei Neuzugänge könnten auch ohne weitere Abgänge noch folgen, wie aus der Landeshauptstadt zu vernehmen ist. Damit werden nicht nur die drei Abgänge der regelmäßig eingesetzten Kazior, Vendelbo und Breitkreutz kompensiert, sondern auch die Bemühungen weiter forciert, eine besonders ausgeglichene Drittliga-Mannschaft aufzustellen. Neitzel ist sich jedenfalls bereits vor dem Trainingsauftakt sicher, dass erneut ein gutes Team in die Saison starten wird: „Wir stehen gut da. So lässt es sich arbeiten.“
Doch auch auf den Trainer warten dabei Aufgaben mit ansteigendem Schwierigkeitsgrad. Nicht nur, dass die Kieler während ihres Husarenritts endgültig das Image des Underdogs abstreifen konnten, auch die vielen Konkurrenzsituationen müssen im Sinne der Teamchemie gelöst werden.
Bleibt der große Vorteil des letzten Jahres, der enge Zusammenhalt in der Mannschaft, auch nach den vielen Veränderungen erhalten und wird das Loch, das Ex-Kapitän Kazior hinterließ, rechtzeitig geschlossen, wird mit Holstein Kiel erneut zu rechnen sein. Auf dem Papier, so wie es Neitzel selbst ausdrückte, scheint es schon jetzt die interessanteste Kieler Mannschaft seit dem Drittliga-Aufstieg vor zwei Jahren zu sein.