Sechs aktuelle Fragen zum FC Hansa
Der FC Hansa Rostock startet in ein spannendes Jahr. Nach vielen Rückschlägen scheinen die Hanseaten auf den Weg nach vorne. Doch welche Aspekte werden wichtig sein, um eine erfolgreiche Saison zu spielen? Wir haben uns sechs Fragen gestellt – und sie beantwortet. Der Experte: Hansa-Coach Karsten Baumann.
1. Hat der FC Hansa wieder eine unangefochtene Nummer 1?
In der Saison 2012/12 wechselten sich Kevin Müller, Johannes Brinkies und Jörg Hahnel munter ab, 2013/14 teilten sich Brinkies und Hahnel ihre Einsatzzeiten. Das setzte sie wiederum in der Hinrunde der letzten Saison fort, ehe mit Marcel Schuhen ein neuer Stammkeeper von Uwe Klein verpflichtet wurde. Diese kleine Rückschau zeigt: Eine klare Nummer 1, die eine ganze Saison durchspielt, hat es in Rostock lange nicht mehr gegeben.
Kann Marcel Schuhen diese Nummer 1 werden? Der 22-Jährige hat jedenfalls einige Vorteile auf seiner Seite. Zum Beispiel das junge Alter, das noch einen enormen Leistungssprung verspricht. Auch wenn Spitzentorhüter immer jünger werden, ein Großteil der Torwarttrainer ist noch immer davon überzeugt, dass der Zenit frühestens im Alter von 25 Jahren erreicht wird. Neben dem Entwicklungspotenzial hat der ehemalige Kölner die vergangene Rückrunde auf seiner Seite. Schuhen, auch wenn andere Spieler noch etwas stärker am Erfolg beteiligt waren, ist der Torhüter des Klassenerhalts. Das gibt Selbstvertrauen sowie das nötige Standing bei Teamkollegen, Trainerteam und Fans.
Ebenso wichtig: Der Cheftrainer Karsten Baumann verspürt großes Vertrauen in den jungen Burschen im Hansa-Tor. Er sagt: „Marcel hat uns in der Rückrunde sehr viel Sicherheit gegeben. Er hat einen guten Job gemacht.“
Demnach spricht wenig dafür, dass es einen handfesten Zweikampf um die Rolle als Nummer 1 geben könnte. Anders als in den letzten Jahren wird das Duell weit weniger medial fokussiert, weil ein Großteil der Beobachter von einem Punktsieg Schuhens ausgeht. Im Test gegen Werder bestätigte sich der Eindruck, Schuhen bekam gegen den hochkarätigsten Gegner der Vorbereitung das komplette Spiel, während „Pommes“ Brinkies zwei Halbzeiten lang zuschauen musste und dabei sah, wie der Konkurrent mehrfach ansehnlich hielt. Die Frage nach der Nummer 1 – sie wird tatsächlich nicht gestellt, was auch Karsten Baumann bestätigt: „Wir müssen da nicht künstlich Druck aufbauen. Marcel hat die Nase vorn und ist stand jetzt die Nummer 1.“
2. Wer wird im zentralen Mittelfeld spielen?
Beim FC Hansa staut es sich im zentralen Mittelfeld. Mit Ikeng und Kofler stehen zwei wichtige Winterverpflichtungen weiterhin im Kader, auch wenn Blessuren wichtige Vorbereitungszeit kosteten. Ähnliches gilt für Fan-Liebling und Zauberfuß Aleksandar Stevanonic, der erneut unter dem Verletzungspech zu leiden hat. Wer angesichts dreier angeschlagener Sechser einen Personalnotstand befürchtet, muss sich aber eines Besseren belehren lassen. Im Mittelfeldzentrum der Hanseaten sieht es weiterhin gut aus. Der Grund: Erfurt-Neuverpflichtung Maik Baumgarten, der die Rostocker kurioserweise mit einem Tor gegen Unterhaching mit zum Klassenerhalt schoss, hinterlässt einen prima Eindruck, ebenso Tommy Grupe, der im Test gegen Werder eine bärenstarke Leistung ablieferte. Mit Kai Schwertfeger gibt es zudem einen erfahrenen Spieler, bei dem viele auf den Durchbruch hoffen. Das ganze macht, wenn alle fit sind, sechs Spieler mit Startelfanspruch für 2-3 Positionen. Eine komfortable Ausgangslage, die nur wenige Drittligisten mit dem FC Hansa teilen. Hansa-Trainer Baumann will von einem Luxus-Problem jedoch nichts wissen, verweist stattdessen auf das Verletzungspech der Rückrunde: „Wir haben in der Rückrunde gespürt, was alles passieren kann. Wenn es auf einmal durch Verletzungen an Alternativen mangelt. Nun sind wir breiter aufgestellt.“
Doch wer spielt? Gesetzt scheint mit dem starken Österreicher Kofler nur ein Spieler, alle anderen balgen sich um ein Plätzchen in der Startaufstellung. Wer den Platz gewinnen wird? Es scheint noch gänzlich offen. Ikeng hat den Bonus der ordentlichen Rückrunde, Baumgarten den des vielversprechenden Neuzugangs. Tommy Grupe ist hingegen einer der bisherigen Gewinner der Vorbereitung. Dabei scheint besonders Grupe eine wichtige Veränderung vollzogen zu haben. Der 23-Jährige scheint härter zu spielen, gegen Werder Bremen langte er einmal kräftig zu. Das, was ihm bisher fehlte, deutete er in der Vorbereitung an. Der 23-Jährige ist somit ein großer Kandidat für den Durchbruch und könnte gemeinsam mit Jänicke ein Hansa-Mittelfeld im Lokal-Kolorit prägen. Wer gegen Werder II auflaufen darf, entscheidet sich vermutlich erst unmittelbar vor dem ersten Spieltag.
3. Hält Tobias Jänicke dem Druck stand?
Star-Neuzugang, Hoffnungsträger, dem öffentlichen Vernehmen nach demnächst Kapitän. Mittelfeld-Flügel Tobi Jänicke soll in Rostock nicht nur Tore schießen und vorbereiten, sondern auch das Team anführen. In der → großen BTB-Story verhehlte er seine Sympathie zur nahenden Aufgabe nicht, wenngleich er betonte: „Ich werde auch ohne Binde für unser Team vorangehen.“
Doch wird die Aufgabe für den Neubrandenburger tatsächlich so leicht zu tragen sein, wie es manch Jänicke-Fan erwartet? Fakt ist: Viele Spieler scheiterten an den hohen Erwartungen, spielten sich in ein Loch, aus das sie entweder gar nicht, oder nur mit viel Mühe befreit werden konnten. Könnte das auch Jänicke passieren? Natürlich. Vor einer druckbedingten Schaffenskrise ist kein Spieler gefeilt.
Der Vorteil aus Rostocker Sicht ist aber ein anderer. Jänicke verspürt nach eigenen Angaben nämlich keinerlei Druck, sondern nimmt die neuen Aufgaben als Zusatzmotivation wahr.
Auch das neue Umfeld kann Jänicke kaum erwarten. Obwohl es sportlich bei Jänicke in Wiesbaden fast immer lief, fehlte ihm in der hessischen Landeshauptstadt die große Kulisse. Jänickes kühne Aussage: „Wenn man vor 10000 oder mehr Zuschauern spielt, gibt mir das zusätzlich Kraft.“
Dazu kommt: Jänicke hat bereits zwei Abstiege und ein Aufstieg mit Hansa durchgemacht. Obwohl er erst 26 ist, wurde der Rückkehrer mehrfach in die kalte Hansa-Brandung geschmissen und dadurch abgehärtet.
Heißt grob zusammengefasst: Einen schluderigen Jänicke, der sich versteckt, wenn es nicht läuft, wird es im kommenden Jahr nicht geben.
4. Welche jungen Kräfte aus der zweiten Reihe haben die besten Einsatzchancen?
Lukas Scherff, Marcus Gröger, Marcel Gottschling und Hasan Ülker – wer von nicht noch genannten jüngeren Spieler, wird die größte Rolle einnehmen? Diese Frage stellen sich viele emsige Hansa-Beobachter. Dabei scheint sich dieses Quartett in zwei Gruppen zu splitten. Auf der einen Seite Gröger und Gottschling, die eine ernsthafte Chance bekommen werden, auf der anderen Seite Ülker und Scherff, denen wohl zunächst nur die zweite Reihe bleibt.
Während Ülker sich erst einmal im Profibereich akklimatisieren muss, durfte Scherff bereits Dritte Liga spielen. In den Tests gibt er sich selbstbewusst, das Tempo, mit dem er über seine Seite spurtet, lässt sich gut ansehen. Sein Problem: Mit Dorda ist ein wichtiger Neuzugang gesetzt, Einsatzzeiten sind demnach zuallererst von unglücklichen Entwicklungen (Verletzung, Sperre, Formkrise) des erfahrenen Außerverteidigers abhängig. Baumann lobt dennoch sein jüngstes Kadermitglied: „Er hat nochmal einen Schritt gemacht und zeigt ansprechende Trainingsleistungen.“
Scherff-Berater Nico Ziercke sieht in der Konkurrenzsituation übrigens keinen Nachteil. Er sagt: „Für Lukas kann es nur gut sein, wenn er im jungen Alter von so einem Spieler lernen kann.“ Der Berater ist zufrieden, der Spieler auch. Scherff wird kommen, spätestens im kommenden Jahr.
Bei Marcus Gröger sieht es anders aus. Munter teilt er sich mit Ahlschwede die Einsatzzeiten, gegen Bremen und Hertha II durfte er von Anfang an ran. Sein Vorteil ist die dämliche Sperre, die sich Ahlschwede zum Saisonabschluss gegen Dresden abholte. So wird der glorreiche Winterneuzugang zweimal pausieren müssen, während Gröger 180 Minuten Probezeit winken könnten. Karsten Baumann zum Duell Gröger-Ahlschwede: „Es ist ein enger Konkurrenzkampf zwischen den beiden, beide bewegen sich auf einem ähnlichen Niveau.“ Dazu kommt: Einen Bonus für die tolle Rückrunde hat Maximilian Ahlschwede durch seinen Platzverweis verspielt, wie Baumann erklärt: „Den hätte er ohne die Rote Karte gehabt.“
5. Wie ist das Rostocker Saisonziel gesteckt?
Tobias Jänicke scherzte beim Gesprächstermin mit BTB bereits ganz kurz vom Aufstieg, bevor er mit aller Ernsthaftigkeit nachlegte: „Es wäre falsch, auch nur irgendeine Platzierung auszuloben. Wir haben einen guten Kader und möchten diese Möglichkeiten nutzen, um den Fans ansehnlichen Fußball zu bieten und keinesfalls in den Keller abzurutschen. Der Rest wird sich entwickeln.“
Das hört sich zwar gut an – aber reicht das? Vom Aufstieg zu reden wäre utopisch und den Umständen des jüngsten Beinahe-Absturzes nicht angemessen. Dennoch, so viel scheint klar, muss die Mannschaft ein gutes Jahr spielen, um sich in eine gute Position für das Spieljahr 2016/17 manövrieren.
Hansa-Coach Baumann will dagegen erst einmal abwarten: „Wir müssen sehen, wie wir in die Saison kommen. Nach 10 Spielen kann man vielleicht weitere Aussagentreffen.“ Wichtig ist dem Trainer Bescheidenheit: „Es wäre vermessen, nach den letzten zwei Jahren große Ziele auszuloben.“
6. Wie zuversichtlich darf ein Hansa-Fan sein?
Der Hansa-Sommer läuft nach dem bitteren Start der Transferphase ansprechend. Das Führungsduo um Karsten Baumann und Uwe Klein meldete nach und nach Vollzug, bis auf zwei Offensivoptionen, die noch fehlen, konnte sich das Wunschgespann bereits viele Wünsche erfüllen. Richtig ist: Der Kader ist wieder breiter aufgestellt, im Vergleich zu Rückrunde ist er zumindest auf dem ersten Blick besser geworden. Auch deshalb gibt es ein dickes Trainerlob vom Trainer in Richtung Geschäftsstelle: „Uwe Klein hat einen sehr guten Job gemacht. Vieles hat genau so geklappt, wie wir uns das im Vorfeld erhofft hatten.“ Selbige Zufriedenheit ist auch aus dem Team zu vernehmen.
Die entscheidende Frage: Kann die Mannschaft den Trend auch im Alltag halten, ihn vielleicht noch weiter ins Positive verkehren? Selbiges erwartete man auch im letzten Jahr, nach wenigen Wochen folgte der Total-Einbruch. Was festzustellen ist: Im Vergleich zum letzten Jahr stimmen weit aus mehr Parameter, das Konstrukt wird homogener, weil es im Sommer keinen Stilbruch in der Trainerfrage gab. Dass Baumann Erfahrungswerte aus sechs Monaten Hansa im Köcher hat, ist ein wichtiger Faktor, der tatsächlich zur Zuversicht stimmt.