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Benjamin Eta

Benjamin Eta: „Es war ungewohnt, erst zu klopfen …“

Benjamin Eta machte sich im Hamburger Fußball einen Namen als Fußballer. Nachdem er seine aktive Laufbahn beendet hat, trainiert der 34-Jährige als Co-Trainer eine Männermannschaft, ist aber gleichzeitig Cheftrainer eines Frauenteams in der Verbandsliga Bremen. Wir sprachen über den Frauenfußball und seine Motivation, selbigen mit voranzubringen.

Herr Eta, warum wird ein junger Mann Chef-Trainer → einer Frauenmannschaft?
Das ist eine komplizierte Geschichte. Nach der Weltmeisterschaft 2011 habe ich nämlich noch gesagt, dass ich mir nie wieder ein Frauenfußballspiel ansehen werde.

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Wie kamen Sie zu dieser recht harten Einschätzung?
Ich habe bei der WM in Deutschland auf die USA als Weltmeister gewettet, um mir einen zusätzlichen Anreiz für das Turnier zu setzen. Dann kamen die Amerikanerinnen tatsächlich ins Finale, scheiterten aber gegen Japan. Und ich fand den Fußball, den die Japanerinnen spielten, einfach grausam. Wie  so giftige Spielerinnen Weltmeister werden konnten, war mir ein Rätsel. Es erinnerte mich an Griechenlands EM-Titel 2004, wo ich mir auch immer dachte, dass dieses Team auf die Art und Weise nicht Europameister werden dürfte. Die japanische Spielweise und der damit erzielte Erfolg haben mir sozusagen den Spaß am Frauenfußball verdorben.

Dann sind Sie trotzdem Trainer einer Frauenmannschaft geworden.
Ich habe meine Frau kennengelernt. Sie spielt Frauenfußball und ist dabei sehr ambitioniert. Durch sie bekam ich einen anderen Einblick und war begeistert. Wenn man durch einen nahestehenden Menschen an das Thema ganz nah herangeführt wird, kann man Dinge viel besser wahrnehmen. Das war bei mir der Fall und so konnte ich mich doch noch für den Sport begeistern.

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Nun sagen manche Männer, dass Frauenfußball kein Fußball sei.
Es ist richtig, dass man Männer- und Frauenfußball nicht vergleichen kann. Männer sind nun einmal stärker, schneller, insgesamt dynamischer und von einer ganz anderen Athletik geprägt. Es gibt kaum eine Sportart, in der sich Männer und Frauen auf dem gleichen Niveau bewegen. Das zeigt sich natürlich im Fußball. Frauenfußball ist demnach einfach anders als die Männervariante zu bewerten.

Wo haben Frauen Vorteile gegenüber Männern?
Sie sind viel disziplinierter als Männer, dazu unglaublich wissbegierig. Sie hören einem zu, nehmen alles auf und versuchen dann, das Geforderte umzusetzen. Das klappt zwar nicht immer, aber sie versuchen es immerhin nach besten Kräften. Die meisten Frauen spielen zudem sehr akkurat und bemühen sich um ein sauberes Passspiel, und setzen das, was sie können, allgemein sehr konzentriert um. Außerdem ist mir aufgefallen, dass Frauen nur schwer von einem Trainer fußballerisch versaut werden können. Man bekommt es in jedem Fall schneller aus ihnen heraus.

Das müssen Sie uns genauer erklären.
Wenn ein Herrenspieler in früher Vergangenheit einen schlechten Trainer hatte, der ihm viel Falsches beigebracht hat, ist es sehr schwer, dieses Muster wieder aus ihm herauszubekommen. Er denkt ja, eben weil er es so gelernt hat, dass er alles richtig machen würde. Und dann findet man als Trainer nur schwer Zugang. Bei Frauen ist das anders, die sind immer aufgeschlossen, wenn es darum geht, ihnen etwas Neues zu vermitteln.

Hat man als Trainer einer Frauenmannschaft einen größeren Einfluss auf das Spiel?
Ja, das kann ich aus meiner Perspektive so sagen.

Wo sehen Sie den Frauenfußball im Allgemeinen gegenüber der Herrenvariante im Vorteil?
Das Spiel ist fairer und weit weniger vom Schauspiel geprägt. Es gibt nur ganz, ganz selten Schwalben. Noch seltener Tätlichkeiten. Zudem schreien Frauen wirklich nur vor Schmerzen, wenn sie tatsächlich etwas zu beklagen haben. Wenn es halb so wild ist, stehen sie sofort wieder auf und sind ganz ruhig bei der Sache. Passiert das bei den Herren, wird sich oft theatralisch auf den Boden gewälzt und alles dramatisiert. Macht sich eine Frau bemerkbar, weiß man dagegen sofort, dass da etwas Ernstes vorliegen könnte.

Die Schiedsrichterschöpfung wird dankbar sein.
Es wird im Frauenfußball wenig gemeckert. Natürlich zickt die eine oder andere gelegentlich. Aber das sind Ausnahmen. In zwei Jahren mit meiner Mannschaft gab es für unser Team erst drei gelbe Karten wegen Meckerns.

Bei all den Vorteilen: Mit welchen Problemen hatten Sie anfangs zu tun? Es muss ja Umstellungsprozesse geben.
Es war ungewohnt, erst zu klopfen, bevor man in die Kabine geht. Bei einer Männerkabine macht man sich keinen Kopf, da geht man einfach rein. Ich musste mir also erst angewöhnen, vorher zu fragen, ob alle fertig sind und ich reinkommen kann. Dann stört es mich ein wenig, dass kurz vor dem Spiel, wenn man sich eigentlich heiß machen möchte und letzte Dinge besprechen will, viele Frauen mit anderen Dingen beschäftigt sind. Die einen sprühen sich noch mehr Haarspray auf die Frisur, damit die Haare im Spiel nicht stören und dort bleiben, wo sie hingehören. Die anderen stehen währenddessen an der Toilette an. Meistens bildet sich kurz vor dem Spiel eine richtige Schlange. Wenn es Überhand nimmt, spreche ich das auch an.

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Behandeln Sie Ihre Spielerinnen genauso wie Ihre männlichen Schützlinge?
Wie meinen Sie das konkret?

Schreien Sie zum Beispiel eine Frau genauso an wie ein Mann?
Ich unterscheide nicht nach Geschlecht, sondern nach dem Menschen. Ich kann ja nicht alle gleich behandeln, da eben nicht alle gleich ticken. Die oder der eine braucht mal eine deutliche Ansage, während es die andere Person noch weiter aus dem Konzept bringen könnte, sodass ich stattdessen auf die Samthandschuhe setze. Aber ja, es gab auch schon Frauen, die eine deutliche Ansage bekommen haben. Insgesamt gesehen ist es meines Erachtens so, dass sich die Fußballergeneration verändert hat. So, wie mit uns vor zehn Jahren in der Kabine gesprochen wurde, spricht heute kaum noch ein Trainer mit seiner Mannschaft. Es ist, unabhängig vom Geschlecht, viel weicher geworden.

Nun sieht man bei der WM viele Herren, die Frauenmannschaften trainieren. Ist es für einige männliche Kollegen die Chance, einfacher als im Herrenbereich in die Spitze vorzukommen?
Das müssen wir relativieren. In der 2. Bundesliga der Frauen verdient eine Trainerin oder ein Trainer so viel wie ein Oberligatrainer im Herrenfußball. Es gibt also sehr wenige Stellen in der Spitze, die so bezahlt werden, als dass man davon leben könnte.

Was treibt denn einen Mann zum Frauenfußball?
Ich glaube, die meisten kommen über Umwege mit dem Sport in Kontakt. So wie ich durch meine Frau zu meinem Engagement kam. Eine kuriose Geschichte wurde mir zum Beispiel von der WM zugetragen. Der Cheftrainer der nigerianischen Mannschaft spielte selbst nie aktiv Fußball, und was man so hört, hat er demnach nur sehr wenig Ahnung vom Spiel. Das hat man Nigeria auch angemerkt.

Sie machen gerade Ihre Trainerlizenzen. Bleiben Sie dem Frauenfußball erhalten?
Das weiß ich noch gar nicht. Es kann sein, dass ich in beiden Bereichen bleibe, oder dass ich mich vielleicht auch für eine Option entscheide und die andere ruhen lasse.

Haben männliche Trainer, die in der Vergangenheit ein Frauenteam trainiert haben, dadurch eigentlich einen Nachteil?
Es gibt ziemlich gute Trainer, die Frauenteams betreut haben, und danach erhebliche Schwierigkeiten bekamen, bei einem Bezirksligisten unterzukommen. Für viele Vereine ist es ein Makel, wenn jemand zuvor bei den Frauen gearbeitet hat. Viele denken, dass täte ein Mann nur, weil er zuvor im Herrenbereich gescheitert war.

Sehen Sie eine Frau als erfolgreiche Trainerin im Herrenfußball?
Absolut. Irgendwann wird das der Fall sein. Die Frage ist nur: Wann traut sich der erste Verein? Ich selber sehe da überhaupt keine Probleme. Fachlich sind viele Frauen, zum Beispiel auch meine Frau, absolut auf der Höhe und würden so manchen männlichen Kollegen aus dem höherklassigen Fußball in nichts nachstehen. Wichtig ist, dass eine Frau nicht nur viel weiß, sondern ihr Wissen auch vermitteln kann. Sie muss sich durchsetzen können. Ich bin mir sicher, dass das irgendwann der Fall sein wird und eine Frau die Chance bekommt. Mindestens in der Regionalliga.

Wo Sie gerade dabei sind Ihre Lizenzen zu machen: Wie viele Frauen treffen Sie in den Lehrgängen?
Bei der ersten Lizenz waren noch relativ viele angehende Trainerinnen dabei, dann lichteten sich die Reihen doch deutlich. Bei meinem B-Lizenz-Lehrgang war zum Beispiel nur noch eine Frau unter uns Männern. Meine Frau, die in Leipzig ihren Schein erfolgreich absolvierte, war ebenfalls die einzige weibliche Person in ihrem Kurs.

Sprechen wir noch kurz über Ihr zweites Standbein. Sie sind Berater von 30 Frauen. Wie unterscheiden Sie sich zu Männern?
Sie sind viel bescheidener. Zum Beispiel mein Schützling Lena Petermann. Sie ist zurzeit bei der WM für das deutsche Nationalteam im Einsatz, hat gegen Thailand sogar zwei Tore geschossen. Doch moniert sie sich nie darüber, nur Ersatz zu sein. Sie schwärmt viel mehr davon, wie toll es sei, überhaupt dabei zu sein. So ist mein Eindruck von vielen Frauen. Sie stehen komplett hinter der Sache und stellen ihre eigentlichen Befindlichkeiten hinten an. Das kann ich mir bei vielen Männern nicht vorstellen, die sich – zumindest hinter vorgehaltener Hand – in der Regel sehr gerne beschweren.

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Wo unterscheidet sich der Berater-Job noch?
Es geht primär nicht ums Geld. Sondern darum, ob die Spielerinnen eine Wohnung gestellt bekommen und wie es mit Studiums- oder Ausbildungsangeboten aussieht. Wechselt eine Spielerin von München nach Essen, muss ich zum Beispiel prüfen, ob sie ihr angefangenes Studium im Falle eines Wechsels dort fortsetzen könnte. Das Geld ist zwar auch wichtig, steht aber hinten an.

Apropos Geld. Sind Erstligaspielerinnen in Deutschland durchweg Profis?
Die meisten können während ihrer Karriere ganz gut davon leben. Aber fast alle Spielerinnen bauen sich nebenbei etwas auf, da sie sich nach der Karriere ins Berufsleben integrieren müssen. Genug Geld, um ausgesorgt zu haben, verdient weltweit wohl keine Frau. Zwar gibt es Spielerinnen wie Hope Solo und Marta, die durch Werbeverträge zusätzlich ganz gut verdienen, doch um  damit nach der Karriere ausgesorgt zu haben, reicht es wahrscheinlich trotzdem nicht.

Immerhin: Die Beraterszene sollte dann nicht so verrucht sein wie im Herrenfußball.
Naja, auch im Frauenbereich gibt es zwielichtige Kandidaten, die vom Geld abhängig sind oder sich gerne davon abhängig machen wollen. Sie schicken ihre Klientinnen durch ganz Europa, teilweise bis nach Russland. Manche Frau wechselt jedes Jahr, damit die Kasse des Beraters klingelt. Für mich ist die Arbeit als Berater ein sehr liebgewonnener Nebenberuf. Nicht mehr, nicht weniger.

Hannes Hilbrecht

Hannes Hilbrecht schreibt und schrieb nebenbei für ZEIT ONLINE, NDR.de und den Berliner Tagesspiegel. Füllt ein Marketing-Magazin mit Liebe (GrowSmarter.de) Und er liest eine spannende Case Story genauso gerne wie den neuen Roman von Ralf Rothmann.