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Marcell Jansen über Bodenhaftung, Spielerberater und Business-Mensch-Sein

Marcell Jansen hat viele Jahre in der Bundesliga gespielt und zwei Weltmeisterschaften absolviert. Nun entwickelt er eine Social-Media-App.

Herr Jansen, Sie könnten nach vielen Jahren in der Bundesliga auch die Füße hochlegen. Stattdessen sind Sie umtriebiger Unternehmer und Markenbotschafter vom Wettvergleichsportal SmartBets. Warum eigentlich?

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Es geht ja nicht vordergründig um das Geld. Sondern darum, etwas zu tun zu haben. Für etwas aufzustehen, was man gerne macht, was berufliche Erfüllung bietet. Mit dem Karriereende verliert ja nicht jeder sofort den Ehrgeiz. Und gerade für Profis ist es schwierig, nach der Karriere wieder Bodenhaftung zu finden. Jahrelang wurde einem vieles vom Verein oder dem Beraterteam abgenommen. Das hört abrupt auf. Wenn man da nicht schnell selbstständig wird und seinen Weg findet, ist das ein ernstes Problem für viele Menschen.

Kurz und knapp gefragt: Wie laufen die Projekte bei Ihrem Start-Up Picue?

Gut laufen sie. Wir haben in den vergangenen Wochen viele Ressourcen in unsere App Picue gesteckt. Feedback-Gespräche geführt, neue Features entwickelt und die Fehlerchen behoben. Für den Sommer planen wir dann mit verstärkten Marketing-Aktivitäten. Die hatten wir bisher zurückgestellt, weil wir uns erstmal auf ein gutes Produkt konzentrieren wollten.

Vom Fußballspieler zum Entwickler einer Social Media App. Wie kommt es?

Ich war schon immer ein Mannschaftsspieler. Die Gruppe als Ganzes war mir immer besonders wichtig. Unsere App Picue verfolgt diesen Ansatz. Wir sind das erste Group-Story-Network auf der Welt. 

Was ist ein Group-Story-Network?

Wir bündeln die Social Media Auftritte von verschiedenen Spielern auf einem Kanal. Bisher hatte ja Social Media einen sehr egozentrischen Gedanken: Jeder Sportler hatte für sich eine Plattform. Über Picue wollen wir es schaffen, dass die Social-Media-Aktivitäten aller Spieler eines Vereins, um beim Fußball zu bleiben, auf einem Kanal zu finden sind. Dass man nicht mehr 30 verschiedenen Spielern folgen muss, sondern lediglich einem Channel. 

Ist Picue der eine App für Vereine oder für den Nutzer?

Wir denken an beide Seiten. Die Vereine bekommen mit Picue ein neues Tool, um Content zu pflegen und zu produzieren. Darüber sprechen wir auch bereits sehr aktiv mit Bundesligavereinen. Die Fans, um die es beim Fußball hauptsächlich gehen sollte, bekommen die gewünschten Insights viel userfreundlicher als bei Instagram oder Facebook serviert. 

Wir sprechen bisher nur über Sport. Denken Sie auch an andere Zielgruppen?

Durch meine persönlichen Erfahrungen als Sportler und den vielen Kontakten, die aus meiner Laufbahn entstanden sind, orientieren wir uns sehr eng am Sport. Picue ist aber genauso für Musiker, Models, Influencer oder jedem anderen da. Bei Picue können sich auch Freunde oder Familien einen Channel erstellen. Durch unsere Schnittstellen zu Facebook und Instagram ist die Bedienung sehr einfach gestaltet. Picue kann von jedem genutzt und mitgestaltet werden. 

Wir haben über Bundesligavereine gesprochen, sie haben Stars mit Millionenreichweiten. Was hätten beispielsweise Amateurfußballvereine ohne Starpower von Picue?

Wenn man mit den Medienbeauftragten von Amateurvereinen spricht, hört man oft ähnliche Sätze: Wenig Zeit für diese ehrenamtliche Tätigkeit, und trotzdem viel Aufwand, um Content zu produzieren. Oft ist es mühsam, von den Spielern Material zu bekommen. Picue entlastet diese Medienbeauftragten extrem: Denn alles, was von Spielern eines Vereins hochgeladen wird, Bilder vom Spieltag zum Beispiel, kann bei Picue automatisiert gebündelt werden. Vereinsverantwortliche werden unabhängiger von der Zuarbeit anderer.

Wie wollen Sie die App überhaupt monetarisieren?

Über Werbeeinnahmen. Vor allem wollen nicht nur wir damit Geld verdienen, sondern auch den Nutzern die Möglichkeit geben, selbstständig aufgebaute Reichweiten zu nutzen. Ein großes Problem von Facebook und Instagram ist ja, dass Vereine mit großen Reichweiten diese nur finanziell verwerten können, in dem sie Sponsored Posts verkaufen. Das ist meist nicht userfreundlich. Werbeanzeigen von Werbepartnern, die zwischen Stories oder Beiträgen erscheinen, sind momentan nicht möglich. Dazu wollen wir eine Alternative schaffen. Denn der Verein, der durch seine Arbeit und seine Anziehungskraft Millionenreichweiten aufbaut, sollte diese auch für sich verwerten dürfen. 

Amateurfußballvereine und der Breitensport können solche Reichweiten nicht bieten.

Trotzdem können kleine Vereine Sichtbarkeit produzieren. Ein Sponsor kann mittlerweile viel besser in den Social Media wahrgenommen werden als auf einer kleinen Werbewand im Stadion. 

Herr Jansen, nochmal zurück zum Ursprungs-Thema. Warum sind Sie eigentlich schon so früh unternehmerisch tätig geworden?

Mir war schon sehr früh klar, dass Fußball und der Leistungssport nicht immer alles bestimmen wird. Wenn es gut läuft, ist man 15 Jahre Profi. Aber danach, wenn man aufhört, warten ja noch 40 Jahre auf einen. 

Müsste das nicht eigentlich die Aufgabe von Spielerberatern sein, genau das ihren Klienten zu raten?

Diese Kompetenz gehört für mich zu einer umfassenden und guten Beratung dazu. Mir wurde auch zu den Höhepunkten der Karriere immer geraten, mir Standbeine und Eckpfeiler neben dem Fußball aufzubauen. Das ist aber nicht bei allen der Fall und wird gerade bei jungen Spielern zu einem Problem. Da wird eher sogar noch mehr bewusst kaputt gemacht.

Inwiefern?

Es kommt im Fußball vor, dass bei Transfers von jungen Spielern den jeweiligen Eltern lukrative Jobs angeboten werden. Das geht hoch bis zu Stellen als Scouts bei Bundesligavereinen. Damit das Talent auch wirklich zu diesem Verein geht, werden die Eltern geködert. Das sorgt dafür, dass nicht nur der Jungprofi, sondern auch die dazugehörigen Eltern aus ihrem Umfeld geholt werden, sie ihre Basis aufgeben. Sichere Jobs und gewachsene Strukturen werden für ein sehr schnelllebiges Geschäft wie dem Profifußball geopfert. Das ist unverantwortlich. Ein guter Berater sagt das auch und verhindert solche Modelle.

Wären Sie ein guter Berater, oder anders gefragt: Wollen Sie das überhaupt sein?

Ich will es für meine Zukunft nicht ausschließen. Gerade weil ich glaube, dass ich mit meinem eingeschlagenen Weg jungen Spielern einiges mitgeben könnte. Gerade für die Zeit nach der Karriere. Momentan habe ich aber andere Ziele und Aufgaben. Darauf möchte ich mich konzentrieren.

Um nochmal eine Verbindung zwischen Unternehmertum und Fußball herzustellen. Was hilft dem Ex-Profi in der Wirtschaft?

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Hartnäckigkeit und Ehrgeiz, das zu allererst. Als Leistungssportler wird man sehr oft mit Rückschlägen konfrontiert. Da muss man immer wieder aufstehen, dazulernen, weitermachen und dann das nächste Spiel gewinnen. Dazu kommt die im Fußball geschliffene Qualität, schnell Entscheidungen zu treffen. Unter Druck zu funktionieren. Mir persönlich hat es rückblickend geholfen, immer mit offenen Augen und Ohren durch die Welt gegangen zu sein. Als Fußballprofi genießt man das Privileg, viele Kontakte zu erfolgreichen Persönlichkeiten zu knüpfen. Aus diesen Gesprächen konnte ich viel lernen. 

Der Fußballer Marcell Jansen hatte einen starken linken Fuß. Was ist die Stärke vom Unternehmer Marcell Jansen?

Mitreißen und motivieren, Zuversicht ausstrahlen. Diese Rolle sah ich für mich auch sehr oft in der Kabine. Und heute ist das meine Rolle im Büro. 

Hannes Hilbrecht

Hannes Hilbrecht schreibt und schrieb nebenbei für ZEIT ONLINE, NDR.de und den Berliner Tagesspiegel. Füllt ein Marketing-Magazin mit Liebe (GrowSmarter.de) Und er liest eine spannende Case Story genauso gerne wie den neuen Roman von Ralf Rothmann.