The Big Bülowski
Aaron Opoku schießt Hansa zum Sieg, doch noch wichtiger ist der Dude auf der Sechs. Und warum sich die Fans auf (hoffentlich) mehr Viererkette freuen dürfen.
Jadeveon Clowney wechselt kurz vor dem NFL-Saisonstart zu meinen Seattle Seahawks. Ein Superstar zieht für Umme in die schönste Stadt der USA.
Was das mit Hansa zu tun hat? Mehr als mancher vielleicht denkt.
Wir hatten es schon in der allerersten Kolumne Mitte Juli angekündigt: Es gibt nochmal ein heißes Transferfenster, das spannender ist als viele denken. Ende August kommen Spieler auf den Markt, die dort vor Wochen und Monaten nicht zu erwarten waren. Und diese sind einfacher zu bekommen als im Juni oder Juli. Die Ligakonkurrenz hat ihre Budgets im Wettbieten um vertragslose Spieler schon verschossen. Auch spüren die Vereine, die Spieler eilig loswerden wollen oder müssen (aus unterschiedlichsten Gründen), hohen Druck. Die Leverage (die Verhandlungsposition) ist ähnlich geschwächt wie bei Clowneys Houston Texans. Hansas-Sportchef Martin Pieckenhagen pokerte – und so wie es jetzt auf dem Papier erscheint, verlässt er den Tisch mit einem dicken Grinsen und vollen Taschen.
In den vergangenen sieben Tagen hat der FC Hansa sich mit VIER Spielern verstärkt, die das Potenzial haben, überdurchschnittlich gute Drittligaspieler zu werden. Der Hansa-Kader ist plötzlich einer der breitesten der Liga. Wie breit, das werden wir in unserer Vorstellung der Neuzugänge analysieren.
Ein Vorgeschmack:
Opoku.
Breier.
Vollmann.
Pepic.
Nartey.
Atilgan.
Omladic.
Thellufsen. Pedersen.
Engelhardt.*
Nun aber zur wichtigsten Nachricht der letzten Tage: Der FC Hansa konnte mal wieder in der Dritten Liga gewinnen. Mit 1:0 gegen Münster. Und das hochverdient.
Warum hat Hansa gewonnen?
Weil die Mannschaft während eines Spiels gewachsen ist, und das zum zweiten Mal hintereinander. Was ich mit Wachsen meine: Bisher wurde die Mannschaft oft während eines Spiels schwächer und verlor die Kontrolle. Seit dem Desaster gegen Großaspach hat sich das geändert. Die Mannschaft spielte gegen Münster wie schon in Ingolstadt eine bessere zweite als erste Halbzeit. Sie verlor nicht die Kontrolle, sondern gewann sie mit der Zeit. Das ist eine wichtige Eigenschaft einer Fußballmannschaft. Sie muss auch funktionieren, wenn der Gegner es gut macht und die zurechtgelegten Pläne torpediert. Eine reife Mannschaft findet während des Spiels Lösungen für Rückschläge. Und antizipiert Schwächen beim Gegner, die vor dem Spiel noch nicht voraussehbar oder ersichtlich waren. Fußball ist immer Tagesform. So unterscheiden sich Schwächen und Stärken eines Gegners von Woche zu Woche.
Außerdem wichtig: Dass das mögliche 0:1 wegen Handspiels nicht gegeben wurde. Nach diesem Beinahe-Rückschlag eroberte der FC Hansa das Spiel.
Wer war der wichtigste Spieler?
Eigentlich müssten wir jetzt Paul Kalkbrenners “Aaron” auflegen und ein bisschen rumzappeln. Außenbahn-Dauerläufer Opoku schoss nicht nur das 1:0, er war auch oft dort, wo gefährliche Situationen entstehen. Und: Er kreierte durch seine Geschwindigkeit immer wieder heiße Momente. Opoku schoss sein drittes Saison, erarbeitete weitere Großchancen. Und wenn es normal läuft, wird er noch sehr viel besser. Weil er Woche für Woche lernt, und seine Mitspieler besser werden.
Wer vielleicht noch wichtiger war als Opoku: Kai Bülow. Schon vergangenes Jahr gefiel er mir in der Hinrunde oft gut bis sehr gut. Er machte starke Spiele, schoss wichtige Tore wie gegen Kaiserslautern. Und in den vergangenen 180 Minuten war er jeweils einer der besten Rostocker.
Bülow hat dabei ein, zwei generelle Probleme, die nicht gut für seine Reputation sind: Er ist vom Tempo her mehr arthritiskranker Wasserbüffel als Antilope. Und sein Spielstil kommt manchmal etwas phlegmatisch rüber. Bülow ist kein Spieler, der ähnlich austeilt wie ein Dennis Erdmann oder ein Tanju Öztürk. Und manchmal neigen Trainer oder Fans dazu, Grätschen und Kampf positiv überzuinterpretieren. Das Problem daran: Kampf und Grätschen sind nicht immer gut. Sie sind eher das letzte Mittel. Man könnte auch sagen: Wer grätscht, hat bereits die Kontrolle verloren.
Schlaufe Defensivspieler grätschen und foulen relativ wenig und nur wenn es taktisch klug ist. Moderne Fußball-Analysten haben dafür ein simples, wie schlagfertiges Argument: Wer ohne Erfolg grätscht, nimmt sich aus dem Spiel. Wer einmal liegt, der ist in der betreffenden Szene raus. Julian Riedel, eigentlich ein guter Tackler, passierte das mehrmals in dieser Saison. Er wollte zu früh zu viel und riss Lücken.
Bülow spielt mit Kopf und Ruhe, verteidigt nicht vordergründig den Ball, sondern den Raum. Seitdem Bülow spielt, hat Hansa deutlich weniger Großchancen aus dem Spiel zugelassen. Auch beim Spiel gegen Münster wichtig: Sein Timing in der Luft. Bülow ist indirekt am 1:0 beteiligt, weil er gut im Luftkampf postiert ist. Bülow ist kein Athlet, der in der Luft steht. Er weiß aber, wo er wann wie zu sein hat. Und wie er sein Gegenspieler als Rampe nutzen kann, ohne offensichtlich zu foulen.
Auch ist Bülow als Kopfspieler gut für hibbelige Mitspieler wie Pepic und Opuku. Seine Ruhe strahlt auf Teamkollegen ab. Bülow ist nicht mehr unser BWL-Justus. Er ist der Dude „The Big Bülowski“.
Die Stock Watch
Aufsteigend:
Nico Rieble: Bestes Spiel von ihm in der Saison. Dass er Innenverteidiger und Linksverteidiger spielen kann, macht ihn als Kadermitglied wertvoll.
Pascal Breier: Ich bleibe dabei: Breier ist Hansas bester Stürmer. Gegen Münster spielte er in seinen 25 Minuten zentraler und war gleich an drei der besten vier Chancen beteiligt. Er erzwang den Einwurf vor dem Tor und bereite das auch noch vor. Sein Doppelpass mit Opoku war ein famoser Angriff. Das Zusammenspiel mit Opoku klappte wie gegen Köln hervorragend. Nur muss er die Chance natürlich machen.
Marco Königs: Seine zweite gute Leistung hintereinander. Königs spielte einmal ganz stark und umsichtig auf Opoku, und dann war er auch am Breier-Opoku-Duett beteiligt.
Absteigend:
John Verhoek: Wieder relativ blass. Wenn Härtel mit seinem Grundsatz des Stoßstürmers bricht, und auf Spielstärke setzt, sinken seine Einsatzchancen. Zumal Königs gerade seine Nische als schmackhafte 30-Minuten-Joker-Terrine nutzt.
Tanju Öztürk: Bülow ist ein so deutliches Upgrade, das man sich fragen muss, warum dieses erst jetzt in die erste Elf eingespielt wurde. Nartey könnte Öztürk sogar aus dem Kader drängen.
Der Trainer
Das zweite starke Spiel für den Trainer. Warum Hansa sich aus der Krise befreit hat? Auch weil Jens Härtel mit personellen Grundsätzen erfolgreich brach und mit Bülow einen abgehängten Flaschenträger reinbrachte. Mit Breier und Königs wechselte Härtel offensive Upgrades ein – und das früh.
Spannend: Durch die Welle an ansprechenden Neuzugängen hat Härtel nun endlich sehr viele Möglichkeiten. Der Spieltagskader stellt sich nicht mehr von alleine auf. Es gibt jetzt Härte(l)fälle. Halten die Neuzugänge ihre Versprechen, fährt der Trainer jetzt keinen charmanten Lada Niva mehr, sondern einen Tesla.
Warum Hansa hoffentlich bald mehr Viererkette spielt
Hansa spielte gegen Münster in der Viererkette und zeigte bis auf punktuelle Ausnahmen die beste Defensivleistung der Saison. Das lag an den guten Außenverteidigern, aber auch an Nico Rieble, der seine beste und fehlerfreiste Saisonleistung zeigte.
Das 4-5-1-System (oder 4-4-2) wird Härtels favorisierte Dreierkette (und eigentlich auch von mir geschätzte) hoffentlich ablösen. Der Grund: Der FC Hansa hat jetzt einfach zu viel offensives Talent im Team.
Spielte Hansa mit Dreierkette, war in der Startelf nur Platz für drei richtige Offensivspieler. Mit Butzen und Ahlschwede sowie dem Defensivanker Öztürk im zentralen Mittelfeld schickte Hansa sechs Arbeiter auf das Spielfeld. Dazu kommt noch der Achter, der ebenfalls nicht rein offensiv agieren kann.
Schaut man sich den Kader an, gibt es jetzt sieben Stammspieler für drei respektive vier offensive Positionen. Der FC Hansa würde zu viel Talent verschenken, wenn weiterhin nur drei Plätze für „Angreifer“ vorhanden sind. Mehr dazu in der großen BTB-Kaderanalyse.
Was macht Hoffnung?
Opoku.
Breier.
Vollmann.
Pepic.
Nartey.
Atilgan.
Omladic.
Thellufsen. Pedersen.
Engelhardt.*
Warum gab es sehr lange keine Kolumne?
Weil ich krank war. Nicht vor Sorge um den FC Hansa, sondern richtig mit lebensbedrohlichem Männerschnupfen. Und da mein Lieblingsarbeitgeber MANDARIN MEDIEN jetzt auch ein Büro in Rostock aufmacht, litt der Blog ein bisschen. Für die großen Aufgaben muss man sich ab und zu schonen.
Ach ja: Wer sich von euch Stammleser-Bagaluten für Marketing, Personal oder Digitalisierung interessiert, schaut bei doch unserem Kick-off-Event in Rostock vorbei.
User-Frage der Woche von Rico: Was ist mit Adam Straith?
Wissen wir nicht. Auf dem Tape gefiel er mir deutlich besser als Rieble und Riedel. Ich habe die Rochade erst nicht verstanden. Beginne aber, sie langsam positiv zu sehen. Sven Sonnenberg deutet viel Potenzial an. Wenn er sich in den Monaten wie erhofft weiterentwickelt, hat Härtel alles richtig gemacht.