Hansa-Legende Gansauge im Interview
BLOG-TRIFFT-BALL präsentiert regelmäßig eine Hansa-Legende im Interview. Der erste Gesprächspartner ist die ehemalige Abwehrsonne mit der Nummer 16, Thomas Gansauge. Ja, genau der Gansauge, der selbst im tiefsten Mecklenburger Winter sommerlich gebräunt den ehrwürdigen Acker im Rostocker Ostseestadion durchpflügte. Der Akteur, der nach einer längeren Auszeit mit schlappen 26 Lenzen sein Profidebüt in der Bundesliga feierte.
Dass der heute 42-Jährige die Kogge auch nach seinem Abschied weiterhin im Herzen trägt, fällt bereits bei der Namensgebung seiner amerikanischen Fußballschule auf, der „Hansa Soccer Academy“ in Chicago. BLOG-TRIFFT-BALL hatte die Ehre, sich mit dem Hansa-Legionär aus dem fernen Illinois zu unterhalten: Aber lest selbst.
Herr Gansauge, schön, dass Sie im fernen Chicago Zeit für ein Gespräch mit BLOG-TRIFFT-BALL gefunden haben. Also, was macht die Hautfarbe – noch so knackig braun wie damals?
Die Solarium-Zeiten sind lange vorbei, falls Sie das meinen. Ich bin allerdings durch das tägliche Coachen leider ziemlich der Sonne ausgesetzt. Heute schützt man sich aber mit Sonnenschutzfaktor 50.
Richtig so. Was treibt denn einen Rüganer eigentlich nach Übersee?
Ich habe mich nach meinem Karriereende 2004 dazu entschlossen für ein paar Monate in die USA zu ziehen, um ein wenig mehr Lebenserfahrung zu sammeln und mein Englisch aufzubessern. Ich habe dieses Unterfangen ordentlich geplant und bin dann am 30. April 2005 hier in Chicago gelandet, hab mir eine Wohnung gemietet und mich in ein College eingeschrieben. Das war schon eine aufregende Zeit, da ich total auf mich selbst gestellt war. Aber wie man sieht: Acht Jahre später bin ich immer noch hier.
Der Soccer steht ja in den USA nur an fünfter Stelle. Wie sieht es bei Ihnen mit den amerikanischen Hauptsportarten aus? Die „Windy City“ bietet da ja einiges an großartigen Teams.
Ich weiß gar nicht, ob Soccer noch an fünfter Stelle steht. Ich meine ich habe gelesen, dass wir nach vorne gerückt sind. Der Fußball ist hier ständig am Wachsen. Heute kannst du in jeder Kneipe Fußball schauen. Alle Champions-League-Spiele werden live übertragen. Sogar die Bundesliga wird in einigen Fußball-Pubs gezeigt. Es gibt Bayern-, Dortmund- und HSV-Fanclubs, die sich Samstagmorgens in den Kneipen die Spiele ihrer Vereine ansehen. Die Begeisterung wächst also. Ich bin überzeugt, dass wenn die USA sich für Brasilien qualifizieren und ein gutes Turnier spielen, es nochmal einen großen Schwung gibt. Ansonsten bin ich hier zum Chicago Blackhawks Fan geworden. Ich versuche mir so viele Spiele wie möglich live anzusehen. Hab mir für die Livespiele sogar ein Trikot gekauft und bin mit meiner Frau nach Detroit zum Auswärtsspiel gefahren. In den Heimspielen im United Center ist die Hölle los, wenn die vor 23.000 spielen. Leider haben sie gestern gegen die Detroit Red Wings in den Playoffs verloren.
Sie arbeiten in Ihrer Fußballschule mit vielen jungen Talenten. Inwieweit unterscheiden sich die US-amerikanischen Talente von den deutschen Jugendlichen?
Ich glaube der große Unterschied zwischen den Talenten hier und denen in Deutschland ist, dass die Kinder hier mit mehreren Topsportarten aufwachsen. In Deutschland ist Fußball die absolute Nummer 1. Hier spielen die meisten Kinder mehrere Sportarten. Das ist bis zu einem gewissen Alter gar nicht schlecht für die Entwicklung, aber ab einem gewissen Punkt müsste man dann spezieller trainieren. Dazu kommt dann, dass sich viele Topathleten im Alter von 13/14 für andere Sportarten entscheiden wie beispielsweise Football. Dort kann man weitaus mehr Geld verdienen als Profi.
Apropos deutsche Talente. Was sagen Sie zu der A-Jugend des FC Hansa Rostock? Diese spielt ja erneut um die Deutsche Meisterschaft und demnächst gegen Bayern Münchens Nachwuchs. Oder bekommen Sie das gar nicht mit?
Natürlich bekomme ich das hier mit. Heutzutage kann man ja alles im Internet oder auf Facebook nachlesen. Die Jungs sind Zweiter, richtig?
Völlig richtig.
Da muss man echt den Hut ziehen. Hansa muss halt in den Nachwuchs investieren um so viel Qualität wie möglich in die erste Mannschaft zu fördern. Andere Vereine können Qualität kaufen, wir leider nicht. Die schöne Ostsee zieht leider nicht genügend, wenn man woanders mehr Geld verdienen kann.
Wie informieren Sie sich über den FC Hansa?
Wie schon gesagt übers Internet, YouTube und Facebook. Außerdem treffen wir uns jedes Jahr im Amateurtrakt zum Fußball mit Grillen. Dort erfahre ich dann alles was so im Verein passiert.
Von Erfolgen kann die Profimannschaft der Hanseaten derzeit nur träumen. Beschäftigt Sie diese Negativ-Entwicklung?
Natürlich verfolgt man die Entwicklung. Hansa ist mein Heimatverein. Ob 1. oder 3. Bundesliga. Ich bin dort als Jugendlicher aufgewachsen und hab meine schönste Zeit als Profi erlebt. Leider bin ich zu weit weg vom Tagesgeschäft um irgendwelche Analysen abzugeben. Ein Erfolg wäre schon, wenn Hansa dauerhaft in der 2. Bundesliga spielen könnte. Die 1. Bundesliga ist im Moment einfach zu weit weg von der Realität.
Was war für Sie eigentlich der emotionalste oder kurioseste Hansa-Moment?
Das war der Nichtabstieg 1999 in Bochum. Absolute Gänsehaut. Heute noch.
Sie haben mit vielen spannenden Charakteren zusammengespielt. Mit wem würden Sie am liebsten mal wieder ein Bierchen trinken gehen bzw. gehen Sie?
Ich habe mit Timo Lange, Uwe Ehlers und Oli Neuville noch guten Kontakt. Wir haben uns alle bei der 20 Jahre-Meister-Feier wiedergesehen. Das war eine super Sache die Hansa da organisiert hat. Ich weiß noch, dass wir bis spät in die Nacht gefeiert haben und mein Flieger nach Chicago ging um 10 Uhr morgens zurück. Ich war total platt, hatte aber Gott sei Dank genügend Zeit im Flieger zu schlafen. Danke nochmal an den F.C. Hansa.
Mit wem ziehen Sie in Chicago um die Häuser?
Wenn ich mal Zeit finde neben meinem Job, dann gehe ich mit meinen Freunden hier ein Bierchen trinken in unserer Stammkneipe „Moonshine“. Ab und zu kommt Arne Friedrich dort auch vorbei. Mit dem habe ich damals in Bielefeld ein Jahr zusammengespielt.
Nach 81 absolvierten Bundesligaspielen: Welches eine Wort würde diese Zeit bestens beschreiben?
Erlebnisreich.
Herr Gansauge, das war’s. Wir bedanken uns für das Gespräch und grüßen Sie Amerika.