Fröhling über die Gleichheit des Fußballs
Zurzeit geht Torsten Fröhling mit dem Nachwuchs von 1860 München auf Punkteklau in der Regionalliga Bayern – doch das war nicht immer so. Der Fußballlehrer, der seit vergangenem Jahr Trainer in Süddeutschland ist, spielte und trainierte lange Jahre beim HSV, St. Pauli, VfB Lübeck, Altona 93 und Holstein Kiel. BLOG-TRIFFT-BALL erfährt nun warum die jungen Löwen ein Trainingslager in Norddeutschland aufschlagen und wieso sportlicher Erfolg sich in Phasen einteilen lässt.
Herr Fröhling, worauf führen Sie den jüngeren Erfolg mit den jungen Löwen zurück?
Unsere guten Leistungen beruhen in erster Linie auf einer professionellen Vereinsausbildung der jungen Spieler und allgemein sehr guter Strukturen im Nachwuchsbereich. Bei uns erfahren alle Altersstufen eine große Durchlässigkeit. Wir leben somit von unserem starken Nachwuchs, den wir in allen U-Mannschaften gezielt unterstützen und an die jeweils nächste Stufe heranführen. Allerdings war dies bereits vor meiner Zeit so und wird nun weitergeführt. Der VFL Wolfsburg arbeitet mit seinen Talenten sehr ähnlich – es hätte den Erfolg also auch bei einem Nordklub haben können.
Lässt sich ein Unterschied in den strukturellen Voraussetzungen ausmachen?
Geht man auf die demografischen Verhältnisse ein, muss man zweierlei Tatsachen bedenken. Zum einen bedeutet ein menschenreicher Süden nicht, dass wir die freie Wahl an Talenten haben – viel eher gibt es dafür auch mehr Vereine und der Konkurrenzkampf ist dementsprechend größer. Zum anderen gestaltet sich auch die Finanzlage im Großen und Ganzen sehr ähnlich wie im Norden – Ausnahmen bilden da gegebenenfalls der eine oder andere Erstligist.
Will im Speziellen heißen?
Konkurrenzkampf bedeutet, dass wir sehr früh anfangen müssen zu scouten und dabei auch sehr effektiv vorgehen müssen. Dass uns das in den letzten Jahren durchaus gelungen ist, zeigen Beispiele wie Kevin Volland oder die Bender-Zwillinge, doch das sind alles keine Selbstläufer, die aufgrund der demografischen Lage von allein kommen. Ebenso sieht es mit der Frage nach dem Geld aus. Hier wird im Süden vor allem in die Profimannschaften, sprich die Erstligisten oder Zweitligisten mit Aufstiegsambitionen gesetzt. Spielerausbildungen neben dem Fußball, Trainingsmethoden und Reisen werden im U-Bereich wie auch in den unteren Ligen sehr ähnlich wie im Norden abgehalten.
Also gehörte auch keine große mentale Veränderung zu ihrem Wechsel in den Süden?
Nein, der Anschluss hier ging recht schnell und flüssig vonstatten. Es hängt bei so einem Wechsel immer viel von der Philosophie des Vereins selbst ab, ob man sich gut einbringen kann, die Zusammenarbeit passt und das System im Ganzen harmonisch ist – das war bei mir der Fall. Mentale Unterschiede zwischen Norden und Süden konnte ich nicht ausmachen, weder bei Spielern noch der Spielweise an sich – viel eher sind dies Merkmale, die zwischen den Vereinen unabhängig ihrer Verortung selbst vorkommen.
Wenn die Voraussetzungen dieselben sind, gibt es überhaupt fußballerische Unterschiede?
Persönlich glaube ich, dass insbesondere die Lage der U-21 und U-23 Teams sehr ausgeglichen zu werten ist. Das hohe Bewusstsein für fußballerisches Arbeiten ist in ganz Deutschland gleichermaßen erkennbar. Um meiner sportlichen Vermutung Substanz zu verleihen, werden wir zudem ein Trainingslager in Norddeutschland abhalten, bei dem wir uns mit dem Nachwuchs von FC St. Pauli, sowie dem HSV messen möchten.
Dass hohe Nachwuchsniveau in Bremen und Wolfsburg ist bekannt. Wie stehen Sie zu der ebenfalls sehr engagierten Jugendarbeit in Leipzig?
Die Aufbauarbeit bei RB Leipzig kann sogar die Bayern in Zukunft eventuell vor Probleme stellen – besonders dann wenn eine Identifikationskultur dazu geschaffen wird, wie ich sie aus meiner Zeit für den 1. FC Magdeburg noch kenne. Es wird immer wichtig sein, sagen zu können, dass man für „seinen“ Verein spielt. Daneben wäre auch die professionelle Talentförderung zu nennen – wenn man sich das Meisterteam von Stuttgart zum Beispiel anschaut, sieht man wozu der Glaube an die eigenen Talente in der Lage ist. Zuletzt ist auch das gewisse Quäntchen Glück beim Scouten nie von Nachteil.
Als Ex-HSV’er haben Sie sicherlich auch eine Meinung zum großen Durchlüften beim Dino.
Der HSV hat sich grade neu erfunden, die Struktur ist verbessert, die Mittel passen und in ein bis drei Jahren kann da wieder etwas Großes aufgebaut werden. Es ist wie es im Fußball immer ist – die einen sind stark und schon reden alle über die mögliche Ursachen und ob es je anders wird.
Sie kennen die Diskussion also noch aus ihrer aktiven Zeit als Fußballer?
Sicherlich wurden auch damals Vergleiche zwischen Norden und Süden angestellt. Allerdings waren die Hintergründe der Debatte ein wenig anders. Bei St. Pauli haben wir uns als Arbeiterverein verstanden und uns umso lieber mit dem entsprechenden Pendant im Süden gemessen. Es ging auch darum, wer das Image besser verkörpert. Der Erfolg war ohnehin ähnlich – in meiner aktiven Zeit sind wir zum Beispiel zeitgleich mit 1860 aufgestiegen und konnten nicht zuletzt dank eines gesunden Selbstbewusstseins als Nordverein mit 4:0 gewinnen.
Wenn es damals wie heute im Nord- wie Südfußball kaum nennenswerte Unterschiede gab – brauchen wir eine Diskussion um ein Nord-Süd-Gefälle heute überhaupt?
Die Berechtigung der Frage auf den Grund zu gehen ist in jedem Fall vorhanden. Obwohl es immer Unterschiede zwischen allen Vereinen gibt und geben wird – ob aus Nord, Süd, West oder Ost – ist es ja erkennbar, dass derzeit insbesondere der Norden einen Umbruch macht. Doch hier wird schnell aufgeholt, angefangen bei der Durchlässigkeit der Talente, dem Aufbau nachhaltiger Strukturen oder einer modernen Zusammenarbeit mit Beratern, Vereinen, Familien. Das Wort Gefälle ist nur vielleicht nicht das Richtige um die noch vorhandenen Unterschiede zu beschreiben, da es keine ständige Situation ist und auch nicht eklatant ins Gewicht fällt.
Herr Fröhling, besten Dank für die Unterhaltung.