Hermanowicz: „Realistisch gesehen – nicht meine Liga“
Jahrzehntelang grau wie ein ostdeutscher Plattenbau. Und jetzt? Tonangeber in Hamburgs Oberhaus. Mit acht Talenten aus einer gelungenen Kooperation mit dem Regionalligisten Eintracht Norderstedt hat man einen Schachzug hingelegt, der alle Erwartungen im Hamburger Westen übertrifft. Und kleinlaut ist nicht mehr. Plötzlich sind Titel und Aufstiegsträume die Themen im breitbusigen HR-Lager.
Foto: noveski.com
Robert Hermanowicz ist Verteidiger. Mit fünf erzielten Saisontoren ist er sogar ein Verteidiger, der mehr kann als nur verteidigen. Und: Seit acht Jahren klebt die herbe Kante in diesem HR-Dress wie kaum ein anderer aus seiner jetzigen Mannschaft. Doch eine Spielzeit wie diese durfte er noch nicht erlebt haben. Also mussten auch wir mal mit ihm reden.
Robert, wie ist es da oben?
Na ja, spätestens nach dem Sieg in Dassendorf wissen wir, dass wir dieses Jahr ein extrem starkes Team zusammen haben. Mehr geht einfach nicht! Tabellenführer, und dazu noch auf Meisters Gehöft 4:2 gewonnen.
Viele loben die enorme Kaderbreite. Würdest Du diesen Faktor auch am stärksten hervorheben.
Auf jeden Fall. Man sieht es Woche für Woche. Allein wie viel starke Spieler teilweise nicht zum Einsatz kommen können, zeigt die diesjährige Qualität. Klar, auch in den vergangenen Jahren hatten wir immer wieder gute Kicker in den eigenen Reihen. Aber dieses Jahr sind es nicht sechs Gute, auch nicht neun oder elf, sondern zwanzig und mehr. Das Niveau ist hoch und dabei unglaublich ausgeglichen. Noch dazu haben wir in einer sehr kurzen Zeit, mit sehr vielen jungen Spielern, eine funktionierende Einheit formen können. Das hat mich fast ein wenig überrascht, wie rasant dieser Prozess vonstatten ging.
Elfert, Siebert, Ermisch, Mentz, Ercek, Schneider, Karakaya, alles 19-, 20-Jährige aus Norderstedt, die aus der Kooperation heraus bei Euch gelandet sind und jetzt auf Meisterkurs fahren.
Ja, die Jungs haben einiges bei uns verändert. Die Lang-und-Hoch-Zeiten sind vorbei. Dazu passen sie auch menschlich perfekt in den Kader, denn jeder von ihnen ist ein Glücksfall für uns.
Die Folgen sind gravierend: Die Vereinsführung spricht plötzlich vom Aufstieg. Ist die „Regionalliga“ auch im Team ein Thema?
Wenn man da oben steht, wird natürlich darüber geredet. Aber im Endeffekt dürfen wir nicht vergessen, wie begrenzt der Verein in seinen finanziellen Möglichkeiten ist. Jeder weiß doch, dass ein Aufstieg nicht einfach mal so nebenbei zu stemmen ist. Insofern sollten wir die Füße still halten und uns den kommenden Aufgaben in der Oberliga widmen.
Condor und Altona warten.
Und das werden richtig schwere Aufgaben. Alle in der Liga wissen jetzt, dass wir Fußballspielen können und stellen sich dementsprechend auf unser Spiel ein.
Werden beide Spiele gewonnen …
… dann können wir zumindest mal über die Herbstmeisterschaft reden.
Und dann müsst Ihr euch den ganzen Winter mit der 4. Liga beschäftigen. Die Fragen werden dann kommen. Das weißt Du.
Wie gesagt, wenn du Tabellenführer in der Oberliga Hamburg bist, dann kannst du das Thema nicht mehr so einfach umkurven. Für einige Jungs wäre ein Aufstieg natürlich auch reizvoll – für das Umfeld natürlich auch. Ich lass mich einfach überraschen. Man weiß ja nie, was sich die Verantwortlichen in den nächsten Monaten noch einfallen lassen.
Wie stehst Du persönlich einem Ligawechsel gegenüber?
Das hat ja zwei Seiten. Einerseits, wenn sich die Chance für so ein Abenteuer ergibt, darf man eigentlich nicht „Nein“ sagen. Andererseits darf man den Mehraufwand durch die erheblichen Reisestrapazen nicht außer Acht lassen. Der Sprung dorthin ist riesig und erfordert in vielen Dingen einen erheblichen Mehraufwand. Außerdem genieße ich die Oberliga Hamburg. Die ist für mich das Nonplusultra. Insofern ist die Regionalliga ein hübscher Traum. Aber realistisch gesehen, wäre das nicht meine Liga.
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