Top

AFC-Fans sollen vermeintliche Nazis verprügelt haben

Eine Fußball-Rangelei am Rande eines Oberligaspiels vom 14. Oktober 2012 zwischen Bergedorf 85 und Altona 93 schlägt hohe Wellen. Zwei Altona-Fans sind angeklagt wegen Körperverletzung. Ihr Argument: Es habe eine Rangelei gegeben, weil sich zwei einschlägig bekannte Neonazis geweigert hätten, das Stadion Sander Tannen in Bergedorf zu verlassen.

Nach gut zweistündiger Verhandlung wollte der Richter am Amtsgericht Bergedorf die ganze Angelegenheit eigentlich wegen Geringfügigkeit einstellen, doch die Staatsanwältin hatte etwas dagegen. Hauptgrund: Die beiden vermeintlichen Opfer waren nicht anwesend. Doch Kern der Verhandlung ist neben der Anklage der Körperverletzung auch die Frage: Haben hier Unschuldige Schläge kassiert oder handelt es sich um einen Fall von Zivilcourage mit hohem symbolischen Wert? Der Anwalt eines der Angeklagten sagte rigoros: „Das Wort ,vermeintliche‘ Nazis kann man weglassen.“ Die Recherchelage habe eindeutig ergeben, dass es sich hierbei nicht nur um kurzhaarige Radaubrüder mit der verkehrten Kleidung handele, sondern um Mitglieder der Neo-Faschistengruppe „Weisse Wölfe.“

Imagefilme für Rostock und Mecklenburg-Vorpommern

Die Angeklagten P. Und S. Hatten eine treue Gefolgschaft mobilisiert: Rund 30 Leute aus dem linken Spektrum waren anwesend und verfolgten einen vermeintlich lapidaren Sachverhalt mit hoher politischer Brisanz. Der erste Zeuge, ein stadtbekannter Altonaer Punk, berichtete: „Alles war normal, dann haben uns einige Bergedorfer Fans erzählt, dass es sich bei den betroffenen Personen um bekannte Nazis handelt.“ Äußerlich seien diese – auf der anderen Stadionseite stehend – zwar nicht als solche zu erkennen gewesen, doch nach dem Schlusspfiff habe es am Ausgang schnell einen Pulk und Rudelbildung gegeben. „Es wurde gepöbelt und ein Papierkorb flog im hohen Bogen durch die Luft“, so der Zeuge weiter. Auch ein Holzscheit wäre im Spiel gewesen, die Brille eines Opfers zu Bruch gegangen. Dann sagten zwei Ordner als Zeugen aus, die an diesem Tag zumindest nichts rechtsextremistisches ausgemacht haben wollten. Sie wären als solche „nicht erkennbar“, so ein Zeuge, zudem „jedes Heimspiel“ zuvor anwesend gewesen und nie aufgefallen.

Beim Verlassen des Geländes habe es dann „Stunk gegeben“, in der Größenordnung 20 AFC-Anhänger gegen zehn Kontrahenten. Schließlich sei die Polizei gerufen worden. Die Anzeige gegen die beiden verdächtigen Altonaer Schläger – kolportiert werden zwei Faustschläge ins Gesicht sowie ein Mülleimerwurf an den Körper – erfolgte dann auch seitens der Polizei und nicht der vermeintlichen Opfer. Diese ließen es ebenso bleiben, zum Gerichtstermin zu erscheinen, der Richter brummte ihnen deswegen je 150 Euro Strafe auf. Auch szenekundige Rechte waren nicht in Sicht an diesem tristen Bergedorfer Vormittag auf dem Amtsgericht. Eine weitere Zeugin sagte dafür: „Sie haben nichts gemacht, waren nur anwesend.“

Imagefilme für Rostock und Mecklenburg-Vorpommern

Der Anwalt des angeklagten P. hielt dagegen, es seien verbotene Nazisymbole im Spiel gewesen. Nun will die Staatsanwältin die vermeintlichen Opfer beim nächsten Termin am 4. Februar sehen, die wohl tatsächlich Identitätsprobleme haben dürften – in welcher Hinsicht auch immer. Auch die Fans von Altona 93 sind kein unbeschriebenes Blatt. Sie gelten als feierwütige Hedonisten Linke und Autonome, allerdings ohne die Gesetze zu überschreiten.

„Altonas Fanszene gilt bei uns als unauffällig“, bestätigte Hamburgs Polizeisprecher Mirko Streiber.

Bei einer Sache kennen sie im traditionell roten Bezirk allerdings keine Gnade: beim Kampf gegen rechtes und braunes Gedankengut, das historisch bis in die Gegenwart hinein in Deutschland auch Saat von Morden und Terror ist.

Martin Sonnleitner

Sonnleitner ist seit 38 Jahren mit dem HSV verbunden, seit zwölf Jahren Rothosen-Reporter. Versucht mit Inbrunst zu trennen zwischen Herzblut und Expertise. Lieblingsspieler: Peter Nogly und Schorsch Volkert. Abstrahiert auch gerne mal den Fußball-Boulevard.