Willi Lemke über Werder und kleine Wunder im Kongo
Willi Lemke spricht bei BLOG-TRIFFT-BALL über Werder und besondere Menschen. Über grün-weiße Erinnerungen und politische Fragen im Bereich Fußball. Er schildert, wie Tischtenniskellen und Bälle das Leben in einem afrikanischen Dorf zum Positiven veränderten und den Kindern Hoffnung schenkten. Er spricht über die Belanglosigkeiten der Bundesliga und wie jeder mit einer kleinen Tat helfen kann. Ein für uns beeindruckendes Gespräch in der Langfassung.
Herr Lemke, Sie kommen frisch aus der Schweiz vom Ballon d‘Or. Haben Sie gut gefeiert?
In meinem Alter ist das mit dem Feiern so eine Sache. Ich kann einfach nicht mehr jede Woche solche Veranstaltungen bis in die Nacht durchziehen. Deshalb war der Montag für mich eher ein ruhiger Abend, an dem ich die alkoholischen Getränke, die bei diesem Anlass ohnehin nicht im Vordergrund standen, gegen ein Mineralwasser eingetauscht habe.
Wo wir beim Thema „Feiern“ sind: Findet nicht hier in der Nähe die berühmte grün-weiße Werder-Nacht statt?
Da liegen Sie richtig. Der Ort dieser traditionellen Veranstaltung ist tatsächlich nicht allzu weit von diesem Haus entfernt. Hier im Parkhotel haben wir zu meiner aktiven Zeit bei Werder sehr viele Weihnachtsfeiern mit unserer Bundesliga Mannschaft veranstaltet. Das sind mit die besten Erinnerungen, die ich mit meiner aktiven Zeit bei Werder verbinde.
Siebzehn Jahre Manager bei Werder Bremen, dazu lange der Vorsitz im Aufsichtsrat. Wie schwer fiel es Ihnen, sich bei Werder Stück für Stück zurückzuziehen?
Es fiel mir nicht wirklich schwer. Natürlich waren die Art und Weise sowie der gewählte Zeitpunkt aus meiner Sicht etwas unglücklich. Allerdings war es für mich erleichternd, schnell zu spüren, dass der Druck ohne diese Verantwortung nachlässt. Im Grunde war es perfekt, sich sukzessive aus diesem Geschäft zurückzuziehen. Aus der ganz großen Hektik des operativen Geschäfts in eine beobachtende Position. Von der Geschwindigkeit des Fußballs in die Politik, und nun seit ein paar Jahren von der Politik in die Diplomatie. Rückblickend war es ein Werdegang, der sich sehr gut an meinem Alter orientierte.
Aber kann man sich so einfach aus dem Aufsichtsrat heraus zurücknehmen? Geht das, wenn man natürlich weiterhin seine Ideen hat, und diese dann auch einbringen möchte?
Erst einmal glaube ich, dass viele Fußballfans ein unklares Bild von dem Aufgabenbereich eines Aufsichtsrates haben. Es gehört nicht zu den Aufgaben des Aufsichtsrates, sich in das Tagesgeschäft einzumischen. Der Aufsichtsrat hat drei Kernaufgaben: Die Überwachung des Budgets, die Be-und Abberufung der Geschäftsführer und – das verrät bereits der Name des Gremiums – das beratende Einbringen von Kompetenzen, sofern unser Rat benötigt und erwünscht wird.
Nun stellt sich eine Frage: Wer hat Werder Bremen in den letzten Jahren so schlecht beraten?
Wir geben uns im Aufsichtsrat und in der Geschäftsführung die größte Mühe, um die anstehenden Probleme optimal zu bearbeiten. Auf sportliche Entscheidungen haben wir jedoch keinen Einfluss. Solange Spieler im vereinbarten Budget liegen, ist es die Entscheidung der sportlichen Leitung, ob sie verpflichtet oder nicht verpflichtet werden. Niemand hat damals zum Beispiel um eine Erlaubnis gebeten, als Johan Micoud geholt wurde. Er entsprach den Vorstellungen der sportlichen Direktive und lag im Budget. Doch genau so kann es auch andersherum gehen, wie beim Fall Max Kruse, als man sich dazu entschloss, ihn ziehen zu lassen. Die Verantwortlichen, die das Vertrauen genießen, treffen nach bestem Wissen ihre Entscheidungen. Da hat sich der Aufsichtsrat nicht einzumischen.
Wie sieht es bei den Trainern aus? Man weiß ja von anderen Vereinen, dass Aufsichtsräte durchaus aktiv in die Trainerfragen eingreifen. Ist das bei Werder nicht der Fall?
Zunächst möchte ich es noch einmal deutlich anmerken: Die wichtigen Entscheidungen werden bei Werder in der Geschäftsführung beschlossen. Zur Ausgangsfrage: Wir werden darüber in Kenntnis gesetzt, dass mit einem Kandidaten verhandelt wird. Auf die Kandidatensuche haben wir jedoch keinen Einfluss, außer, dass wir sicherlich im Vorfeld der Entscheidung einen Rat abgeben würden.
Aber spielen Sie nicht wegen ihrer jahrelangen Erfahrung trotzdem eine Rolle bei Transfers? Der langjährige Manager wird bestimmt befragt – oder etwa nicht?
Seit meinem Ausscheiden 1999 aus der von der Ihnen genannten Position war ich, außer an der Entscheidung über Bryan Ruiz, an keinem einzigen Transfer relevant beteiligt.
Herr Lemke, wie kann es sein, dass ein Doublesieger so extrem zurückfällt und seit Jahren strauchelt? War es damals mit Namen wie Micoud, Diego und Özil einfach das große Transferglück, oder hat man wirtschaftlich kaum noch eine Chance, weil der Standort Bremen nicht attraktiv genug ist?
Das ist eine komplexe Frage. Aber ich glaube, der letzte Aspekt, den Sie eben angesprochen haben, trifft einen wichtigen Punkt. Es gibt in Bremen kaum große Betriebe, die hier oder im direkten Umland ihre Wurzeln besitzen. Ganz in der Nähe befindet sich beispielsweise ein großes Mercedes-Werk. Wenn wir aber von diesem Betrieb Unterstützung ersuchen, muss das Bremer Werk zunächst die Erlaubnis aus der Zentrale einholen und die liegt bekanntlich unweit von Stuttgart. Somit fließt auch das Herzblut, welches in jedem Großsponsoring enthalten ist, in den Verein, dem diese Leidenschaft gebührt. In diesem Beispiel ist das der VfB Stuttgart. Und genau das ist ein allgemeines Problem für uns.
Wenn man an Werder und Großsponsoren denkt, da fällt uns als erstes Wiesenhof ein. Ärgern Sie sich darüber, dass so protestiert wird, wenn man bedenkt, wie überlebenswichtig so ein Geldgeber ist?
Wir leben in einer Demokratie. Und da ist es doch selbstverständlich, dass die Leute, die uns die Daumen drücken und die ihr Eintrittsgeld bei uns im Stadion lassen, ihre Meinung sagen wollen, weil sie ein Problem mit der Form der Massentierhaltung haben.
Wie sehen Sie das?
Ich sehe es unter verschiedenen Gesichtspunkten. Wiesenhof bringt Produkte an den Markt, die sehr erfolgreich sind. Sie werden gekauft, weil sie die den Konsumenten qualitativ und preislich zufriedenstellen. Dass bei der Größe dieses Konzerns und seiner Partnerhöfe Vorfälle auftreten, ist bedauerlich – aber in der Lebensmittelbranche leider nicht ungewöhnlich. Wir haben aber den Eindruck gewonnen, dass die Geschäftsführung von Wiesenhof sehr darum bemüht ist, solche Fälle zu vermeiden. Das registrieren wir, und das macht Wiesenhof zu einem verlässlichen Partner, dem wir voll und ganz vertrauen. Würde sich Wiesenhof nicht darum sorgen und Probleme aktiv beheben wollen, dann würde es sicherlich Anlasspunkte geben, sich von diesem Unternehmen zu distanzieren. Die gibt es aber nicht.
Bleiben wir bei der Politik. Werder Bremen ist ja ein Verein, der durch aktuelle und ehemalige Funktionsträger einen sozialdemokratischen Touch besitzt. Welche Rolle spielt die Politik bei Personalentscheidungen? Kann wirklich verhindert werden, dass Ansichten und politische Meinungen eine signifikante Rolle spielen, oder zumindest in die Entscheidungsfindung miteinfließen?
Wir haben und hatten bei Werder Bremen immer eine recht einfache Devise. Egal ob das Parteibuch rot, schwarz oder grün angestrichen ist, es gibt, wenn es um Werder Bremen geht, für uns nur zwei Farben, die von Bedeutung sind. Und das sind unsere Vereinsfarben. Wobei das nicht ausschließen soll, dass wir unsere Grundwerte, die uns in dieser Stadt ein außerordentlich hohes Standing bescheren, bewahren wollen.